Was ist in der Suppe? Die Speisung in der Kindertagesstätte wird vielerorts nicht mit einem Einheitsgericht bestritten. Foto: dpa/Georg Wendt

Rücksicht auf Muslime, aber auch Trend zu vegetarischen Gerichten ist zu beobachten. Situation wird durch immer mehr auftretende Allergien erschwert.

Marbach/Bottwartal - Für Schlagzeilen sorgte im Sommer die Nachricht, in Leipzig gebe es ein Schweinefleisch-Verbot an Kitas. Tatsächlich handelte es sich nicht um ein Verbot. Die Verwaltung hatte aus Rücksicht auf muslimische Kinder lediglich Schweinefleisch vom Speiseplan nehmen lassen. Die Aufregung war trotzdem groß. Die Bild-Zeitung skandalisierte das Vorgehen – die AfD sprang auf den Zug auf und sprach von einer „kulturellen Unterwerfung“. Doch das Problem der Ernährung an Kindertagesstätten erscheint vielschichtiger. Klar ist: Schweinefleisch ist auch aus anderen Gründen auf dem Rückzug, wie eine Umfrage dieser Zeitung in Kommunen im Raum Marbach und im Bottwartal ergab.

Schweinefleisch wird etwa in Oberstenfeld
seit zehn Jahren nicht mehr in den sechs Kindergärten und im Schulhort ausgeteilt. „Wir wollen Rücksicht auf Kinder aus muslimischen Familien nehmen, um möglichst allen gerecht zu werden und die Inklusion zu gewährleisten“, sagt die bei der Gemeinde angestellte Fachberaterin Silke Gustmann. Geflügel und Rind würden in den Gerichten als Fleisch verwendet – auch die Soßen seien nicht mit Gelatine oder anderen Produkten aus Schweinefleisch gekocht. Beschwert habe sich noch niemand. Eltern die möchten, dass ihre Kinder Schweinefleisch essen, könnten es abends oder am Wochenende selbst anbieten, sagt Silke Gustmann, die täglich mehr als 100  Essen durch einen Bio-Caterer verteilen lässt.

Schweinefleisch gibt es auch in den Kindergärten von Marbach
nicht. „Das Thema Essen ist an Kindergärten mit vielen Emotionen verbunden“, berichtet die Fachberaterin der Stadt, Elke Vogelsang-Haase. Es gebe heutzutage mehr Allergien und Unverträglichkeiten, auch setzten viele Eltern auf eine rein vegetarische Ernährung, während wiederum muslimische Familien Schweinefleisch mieden. Die Lösung des Problems liegt laut Vogelsang-Haase in einer Vielfalt. „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass alle Kinder möglichst das gleiche Essen haben müssen.“ Deshalb setze man insbesondere wegen möglicher Allergien bei den städtischen Kitas auf eine Vielfalt unter den Anbietern: Die Mensa beliefere die Kita Sonnenschein für die Ein- bis Dreijährigen mit Kleinkindkost. Die Älteren in den Kindergärten Pusteblume, Ahorn und Südstern werden von einem Bio-Caterer aus Stuttgart versorgt. Frisch aus Marbach von Winkler’s Menü stamme das Essen für den Kindergarten Kunterbunt. „Beim Bio-Caterer wählen die Einrichtungen zwischen verschiedenen Menüs, bei den beiden anderen Anbietern ist es festgelegt – wir stehen allerdings im laufenden Austausch und haben Einfluss auf das Angebot.“

Die Ernährung an Kindergärten dürfe man nicht auf die Frage verengen, ob es speziell für muslimische Kinder kein Schweinefleisch mehr geben dürfe, findet der Bürgermeister von Murr,
Torsten Bartzsch. „Das Thema ist nur ein Baustein von vielen – wegen der Allergien und Unverträglichkeiten müssen die Erzieherinnen genau Buch führen und die richtige Kost gewährleisten.“ Das sei heute Standard. Die Kitas der Gemeinde Murr würden aus der Steinheimer Mensa beliefert. Deren Caterer apetito vermeldet einen nur achtprozentigen Anteil an Schweinefleisch-Gerichten bundesweit.

Generell sei Schweinefleisch auf dem Rückzug in Kitas, bestätigt Rolf Hoppe, erster Vorsitzender im Verband Deutscher Schul- und Kitacaterer in Berlin. „Für den Preis von drei bis vier Euro kann man kein Fleisch aus guter Tierhaltung bekommen“, sagt Hoppe. Sein Verband setze sich für regionale Lebensmittel und Transparenz bei deren Herstellung ein. „Vermehrt wollen Eltern vegetarisches Essen für ihre Kinder – das ist definitiv der Trend.“

Keine Vorgaben in Sachen Schweinefleisch an Kitas macht das Land. Die Speisepläne seien Sache der Kitas und deren Träger, betont Isabel Kling, Pressesprecherin des Landwirtschaftsministeriums. Das Land sei mit Programmen an Schulen und Kitas vertreten.

Fragen zum Essen sollten zwischen Kita-Leitung und Elternbeirat so geregelt werden, dass es nicht zu diskriminierenden, aber trotzdem noch wohlschmeckenden Speisen kommt, teilt Kristina Fabijancic-Müller, Sprecherin des Gemeindetages, mit. Meistens gebe es in den Kitas ein vegetarisches und ein Gericht mit Fleisch – so könnte man das Thema Schweinefleisch einfach klären.