Nicht Stuttgart, sondern Schwarzwald: Der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Klaus Stöcklin, mit Plakaten gegen das Pumpspeicherwerk. Foto: dpa

Ein runder Tisch soll beim Streit ums Pumpspeicherwerk Atdorf mehr Transparenz bringen.

Atdorf - Mehr Transparenz dürfen die Bürger vom Runden Tisch zum umstrittenen Pumpspeicherwerk Atdorf auf jeden Fall erwarten, meint Moderatorin Michaele Hustedt. Die Vorstellung, dass sich der Konflikt in Luft auflöst, hält die Ex-Abgeordnete aber für weit überzogen.

Das Wort Schlichtung nimmt Michaele Hustedt nicht in den Mund, obschon sie natürlich weiß, dass der Konflikt um die Stauseen gern mit dem Bahnhofsprojekt verglichen wird. "Das ist nicht vergleichbar, Stuttgart 21 hat einen ganz anderen politischen Symbolgehalt", wehrt die 52-Jährige ab. Auch der Umfang der Protestbewegung ist in Südbaden überschaubar, und Prominente finden sich darunter gleich gar nicht.

Dennoch gibt es manche Parallele. Und sei es die, dass sich viele Menschen zwischen Waldshut und Rheinfelden ähnlich überfahren fühlen von Behörden und Bauherren wie jene im Stuttgarter Talkessel. Und dass sie sich ebenso sorgen um Quellen, Bäume und Käfer.

Im Unterschied zu Stuttgart 21 ist das 1,2-Milliardenprojekt allerdings noch nicht zu Ende geplant. Zwar hat das Freiburger Regierungspräsidium das Raumordnungsverfahren abgeschlossen, doch will der Bauherr - die EnBW/RWE-Tochter Schluchseewerke - mit dem Antrag auf Planfeststellung warten, bis der Runde Tisch getagt hat.

Vereinbarungen

Am 25. Juni setzen sich nun also die Betroffenen zum ersten Mal im Bad Säckinger Schloss Schönau zusammen: Bürgermeister und Bürgerinitiativen, Parteipolitiker ebenso wie Vertreter von Umwelt-, Tourismus- und Unternehmerverbänden. Fünf bis sechs ganztägige Runden hat sich Michaele Hustedt vorgenommen, am ersten Tag will sie zunächst Spielregeln und Themen vereinbaren, ehe es dann zur Sache geht. Eigentlich hätte man sich schon viel früher zusammensetzen müssen, meint die frühere energiepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Eigentlich. "Doch die Bürgerinitiative hat mir gesagt: Wir hätten früher gar nicht die Kompetenz dafür gehabt."

Man kann mit Bürgerbeteiligung also auch zu früh dran sein. Das wird vor allem Gisela Erler mit Interesse zur Kenntnis nehmen, die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor kurzem zur Staatsrätin für Bürgerbeteiligung ernannt worden ist. Erler soll auch eine wissenschaftliche Begleitung des Runden Tisches in die Wege leiten, denn die Landesregierung will die Diskussion um Atdorf zu einer Art Blaupause für ähnliche Projekte nehmen. "Es kann ja sein, dass man dieses Instrument häufiger benötigt", sagt Hustedt, die seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag (2005) als selbständige Beraterin und Coach arbeitet.

Zum Auftakt will Hustedt auch klären, was von einem Runden Tisch überhaupt zu erwarten ist. Da gebe es bei manchen die Hoffnung, am Ende werde "ein weiser alter Mann gültige Wahrheiten verkünden", sagt sie ironisch. Doch da hebt sie abwehrend die Hände. Was aber kann die Veranstaltung dann leisten? In jedem Fall Transparenz. Ob öffentlich getagt wird, ist zwar noch nicht beschlossen, doch Hustedt hat keine Zweifel, dass der Runde Tisch live im Internet zu sehen ist. Der Austausch der Argumente soll außerdem zu einem Kompetenzzuwachs auf allen Seiten führen. Nicht zuletzt muss auch die Landesregierung Farbe bekennen - zur zweiten Runde ist Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) angekündigt, der Pumpspeicherwerke energiepolitisch für unabdingbar hält.

Kompromisse

"Wenn wir gut sind", sagt Hustedt schließlich, "werden wir in einzelnen Punkten Kompromisse finden". Ihre Vorsicht ist angebracht, denn das Vorhaben mit zwei jeweils 60 Hektar großen Stauseen schneidet tiefer in die Landschaft ein, als es viele Bürger je akzeptieren könnten. Es wird also auch um Standortalternativen gehen. Atdorf ist nicht zuletzt deshalb so umstritten, weil ganz in der Nähe auch eine Autobahn gebaut werden soll: Die A98 wird die Landschaft durchschneiden. Aber auch eine grundsätzliche Frage soll auf den Tisch: Gibt es zu Pumpspeicherwerken eine technische Alternative? Alles in allem also ein Mammutprogramm, zumal auch Fragen diskutiert werden sollen, die im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren nur eine untergeordnete Rolle spielen: etwa die Folgen für den Tourismus.

Bundesweiter Aufmerksamkeit darf sich die Ex-Politikerin schon jetzt sicher sein. Denn Atdorf ist überall: In der Folge des Atomausstiegs und des Baus von Windparks, von Pumpspeichern und von Stromtrassen wird es auch andernorts zu solchen Diskussionen kommen. Hustedt formuliert den Grundkonflikt so: "Wir leben in einer alternden Gesellschaft, wollen aber einen riesigen Investitionsaufbruch haben." Die Interessen stoßen sich da hart im Raum. Man kann sie nur entschärfen, wenn man sich die Zeit nimmt, aufzuklären, abzuwägen und miteinander zu reden. Das Allheilmittel sei das allerdings nicht: "Sankt Florian", sagt Hustedt, "ist überall zu Haus."