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In dem Buch "Größenwahn und Lampenfieber" schreibt Armin Rohde (54) sehr sympathisch auch über seine Anfänge als Schauspieler.

Stuttgart - In dem Buch "Größenwahn und Lampenfieber" schreibt Armin Rohde (54) sehr sympathisch auch über seine Anfänge als Schauspieler. Er kehrt damit zum Beginn seiner Karriere zurück, einen ersten großen Auftritt hatte er in "Kleine Haie", einem Film über Schauspielschüler.

Herr Rohde, Größenwahn und Lampenfieber - wovon braucht ein Schauspieler mehr?

Auf jedem Fall Größenwahn. Nur wenn Größenwahn aus eitler Selbstsicherheit besteht, schadet er. Wenn man denkt, ich bin der Größte, dann ist das verhängnisvoll. Wichtig sind in jedem Fall Disziplin, Aufmerksamkeit, Liebe zum Detail.

Und wie steht es mit Lust auf Berühmtheit?

Stellen Sie sich vor, Sie sind zwischen zwei Drehs daheim. Sie fühlen sich leer und hohl im Kopf und stehen vor dem Nudelregal im Supermarkt und sollen zwischen 23 Spaghettisorten unterscheiden. In dem Moment werden Sie angesprochen, und der Mann vor Ihnen sagt, Ihre Frisur gefalle ihm nicht, und fragt, wann Sie endlich mal etwas Lustiges drehen. In solchen Momenten würden Sie gern aufs Berühmtsein verzichten.

Sie schreiben, dass Sie gleich nach Ihrer Schauspielausbildung selber unterrichten wollten. Warum?

Weiß ich nicht. Ich hatte noch nicht alles verdaut, aber gleich den Drang, das weiterzugeben, und das habe ich an der Folkwangschule gemacht. Seit einigen Jahren geht das aus Zeitgründen nicht mehr. Mein Buch richtet sich ja nun auch an Zuschauer, denn es ist wie beim Fußball, man hat mehr davon, wenn man weiß, was ein flacher Pass ist. Aber eigentlich war das Buch als Schauspielerlehrbuch gedacht: Was kann man lernen, was sind Schwächen und Fehler.

Was sind typische Anfängerfehler?

Nicht gründlich genug darüber nachzudenken, was eine Figur zu sagen hat. Zu laut, zu schnell, zu exaltiert, zu übertrieben zu spielen.

Woher kommt das?

Es ist ein Mangel an Vertrauen in die eigene Substanz. Dabei passiert schon etwas allein dadurch, dass man einen Raum betritt. Die Atmosphäre verändert sich, auch wenn man das nicht benennen kann. Man sollte einfach da sein und darauf vertrauen, dass dadurch etwas geschieht. Es ist nie so, dass man das in der Tasche hat. Zehnmal geht es gut, beim elften Mal verfällt man wieder in alte Sünden. Man muss ein Leben lang wie ein Seiltänzer üben.

Kann man lernen, mit Kritik umzugehen?

Man erlebt Situationen, in denen man sich heulend aufs Bett wirft und glaubt, nicht begabt zu sein oder zu Unrecht kritisiert worden zu sein. Man muss ein bestimmtes Nervenkostüm haben oder es sich zulegen. Man muss gleichzeitig Baby und Krokodil sein. Es gibt immer Sadisten bei der Arbeit, das ist aber recht selten; und es gibt gute Regisseure mit schlechten Manieren, die ihre Vorschläge griobianisch formulieren. Man lernt, das Produktive herauszufiltern und den Rest zu überhören.

Schwieriger als mit Kritik steht es offenbar mit Lob. Es ärgert Sie, dass Schauspieler sich entschuldigen, wenn Leute sie loben.Das ist etwas Deutsches. Ich vermute, es hat mit der Nazizeit zu tun, da ist uns so viel genommen worden, es ist so viel zerstört worden, jüdischer Humor und Intelligenz wurde uns geraubt, Kulturschaffende wurden vertrieben, und das hat uns auch ein gewisses Selbstbewusstsein genommen. Wir haben ständig das Gefühl, uns entschuldigen zu müssen, das ist so tief in uns eingesickert, dass die kulturellen Traditionen zerstört wurden. Das steckt selbst mir, der ich zehn Jahre nach dem Krieg geboren wurde, tief in den Knochen.

Einen, den Sie für sein großartiges Spiel loben und bewundern, ist Mario Adorf. Haben Sie ihm das auch einmal gesagt?

Nein, habe ich nicht, und zwar, weil ich da eine kindliche Befangenheit habe. In Helmut Dietls Film "Rossini" haben wir zusammengespielt, und ich habe mich kaum getraut, ihm guten Morgen zu sagen, aus purer Schüchternheit.

Was haben Sie neben Ihrem Schauspielstudium bei Ihrer Clownsausbildung gelernt?

Das lief parallel zur Schauspielausbildung an der Folkwangschule. Es war schwer auszuhalten, und ich war lange verzweifelt, bis es mir gelang, für einen Bruchteil einer Sekunde komisch zu sein. Dahin zu kommen, eine ganze Sekunde oder mehrere Sekunden lustig zu sein, ist enorm schwierig.

Konnten Sie aus Ihrer Theatererfahrung etwas fürs Filmen mitnehmen?

Es sind zwei fast unterschiedliche Berufe. Die Arbeit muss hoch konzentriert getan werden im Theater, aber man hat Zeit, auch mal einen Nachmittag herumzuspinnen. Für Genialitäten und Extravaganzen ist beim Filmen keine Zeit. Ich habe neun Jahre im Theater in Bochum mit dem Regisseur Frank-Patrick Steckel gearbeitet, für den ich großen Respekt und Liebe empfinde und bei dem ich irrsinnig viel gelernt habe, das mir bis heute hilft. Genaues Denken. Aufeinander hören. Einen Text wirklich lesen lernen, zwischen den Zeilen. Texte wie mit einem Dosenöffner aufmachen, mehr darin erkennen, als es der erste Blick vermuten ließ.

Was halten Sie vom Theater heute?

Ich bin ein großer Freund davon, zu schauen: Was steckt in einem Text? Situationen zwischen Menschen aufzublättern interessiert mich mehr, als zu sehen, wie ein Regisseur das eigene Chaos auf die Bühne bringt. Das ist nicht mein Ding, kann aber zu aufregenden Abenden führen.

Jetzt spielen Sie in dem Film "Albert Schweitzer" Albert Einstein. Wie bereitet man sich auf die Darstellung dieser Ikone vor?

Man heuert Professoren an und versucht intelligent zu werden. Nein, ich habe Filme angeschaut. Er hatte einen ganz süßen deutschen Akzent und eine höhere Stimmlage. Wenn man sich in einer Sprache nicht sicher fühlt, spricht man mit etwas höherer Stimme. Ich habe gestaunt, was für ein zarter und unglaublich bescheidener Mann das war. Und innendrin bin ich ja auch ganz klein und zart (lacht). Man kann sich schon hineinfantasieren in so einen Mann. Man ist ja geübt darin, mit den eigenen Sinnen in eine fremde Figur hineinzuschnuppern und in die eigene Seele hineintransportieren. Das geschieht auf eine Art, die mir selber nicht ganz klar ist.

Dass man sagt, ich hab's getroffen, wie oft passiert das?

Hundertprozentig glücklich ist man nie. Man lernt mit der Zeit, relatives Glück zu empfinden, sonst wird man wahnsinnig.

Manchmal sind Rollen toll, das Ergebnis ist es nicht. Haben Sie Arbeiten bereut?

Ja, ich sage aber nicht, welche. In Zeiten, in denen man weniger zu tun hat, redet man ein Projekt schön, denn die Miete muss gezahlt werden. Schauspiel ist ja auch ein Beruf. Doch ein Teil des Berufs ist es, trotz allem gute Laune zu zeigen und sich zu konzentrieren. Ich mag keine Dreharbeiten, bei denen ich mich an eine Beerdigung erinnert fühle. Gute Laune beflügelt die Fantasie.

Wie bekommt man die?

Ich versuche, solange gute Laune zu spielen, bis ich sie habe. Es kann schon sein, dass jemand blöd an der Rezeption war, dass die Garderobiere nervt, dann muss ich mir etwas suchen, um gute Laune zu bekommen. Ich mache irgendetwas, lächle, rufe Kuckuck. Probieren Sie es, es hilft.