Wer ist schneller, wer springt weiter? Die Dassler-Brüder Adi (Christian Friedel. links) und Rudi (Hanno Koffler) Foto: ARD

Puma vs. Adidas: Der schon vor seiner Ausstrahlung preisgekrönte ARD-Zweiteiler „Die Dasslers“ erzählt von den Sportschuhpionieren Rudi und Adi Dassler und ihrer jahrzehntelangen Feindschaft.

Stuttgart - Puma oder Adidas? Es gab Zeiten, da wuchs sich die Bevorzugung der Sportschuhmarke zum Ausdruck einer Haltung aus. Ein – aus Puma-Sicht – etwas hämisches Rätsel aus jenen Jahren illustriert ganz schön die Konkurrenz der beiden Imperien aus Herzogenaurach: Adidas steht für Adi Dassler. Und wofür steht Puma? Probiere unbedingt mal Adidas!

Rudolf und Adolf Dassler. Zwei Brüder, zwei Weltmarken – eine gemeinsame, so ruhmreiche wie tragische Geschichte. Wie gemacht für einen Spielfilm mit „Eventcharakter“ (ARD-Degeto-Chefin Christine Strobl). Wobei die RTL-Kollegen schon an Karfreitag vor einem Jahr das „Duell der Brüder“ ausstrahlten. Nun sollen „Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen“ das trotz erheblichem „Event“-Überfluss („Charité“, „Der gleiche Himmel“) hungrige Publikum vor die Bildschirme locken.

Der Zweiteiler (ARD, 14. und 15. April, jeweils 20.15 Uhr) erzählt die Geschichte der fränkischen Flickschuster-Söhne aus einer Rückblende heraus. Man sieht Adi (Christian Friedel), wie er 1974, bei der historischen Fußball-WM-Vorrunden-Begegnung BRD gegen DDR, in den Katakomben des Hamburger Volksparkstadions steht und die Stollen der bundesdeutschen Nationalmannschaft kontrolliert. Da wird er ans Telefon gerufen: Sein Bruder habe eine Lungenblutung. „Er braucht keinen Bruder, er braucht einen Arzt“, weist er das Ansinnen zurück, er könne Rudi (Hanno Koffler) ja womöglich nach 26 Jahren erbitterter Feindschaft und eisigen Schweigens doch besuchen.

Hier der introvertierte Tüftler, dort der charismatische Business-Stratege

Von hier aus geht Adis Erinnerung zurück ins Jahr 1922 – in der Hand eine Stoppuhr, Metapher für den Wettkampfgeist, der das Verhältnis der sportleidenschaftlichen Brüder von Kindheit an bestimmt. Kurz darauf sieht man ihn als jungen Mann im Wald auf Zeit sprinten – und in der Werkstatt an einem Sportschuh tüfteln. Als sein zwei Jahre älterer Bruder aus Nürnberg nach Herzogenaurach zurückkehrt, rennen beide um die Wette – und Adi ist schneller denn je. Zu zweit kommt man höher hinaus als allein. Die Regisseure Cyrill Boss und Philipp Stennert blenden immer wieder in jenes Jahr 1974 vor – und halten so bis kurz vor Schluss die Frage offen, ob sich die verfeindeten Dasslers vor dem Tod Rudis noch einmal ausgesprochen haben; der Autor Christoph Silber zimmert sich so einen tragfähigen Spannungsbogen. Gleichzeitig weitet er den Horizont ins Zeit- und Sportgeschichtliche hinaus.

So wird eben nicht nur von zwei Brüdern erzählt, die zwar beide von Ehrgeiz und Visionen durchdrungen sind, aber gegensätzlicher kaum sein können: Hier der Tüftler, Handwerker und Perfektionist Adi, dort der Verkäufer, Business-Stratege und Womanizer Rudi. Nein, „Die Dasslers“ gehen, ganz dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag verpflichtet, darüber hinaus, führen nicht nur die Familienchronik bis in die Siebziger fort, sondern zeigen auch die Verquickung von Profisport und Sportindustrie auf, thematisieren Marketing und Korruption. Goldmedaillen sind Dassler-Medaillen, erkennt Rudi früh, sie erfinden die „Werbung am Mann“ und haben die Chuzpe, 1936 bei den Nazi-Propaganda-Spielen den US-Mann Jesse Owens mit ihren Schuhen auszustatten. Der erste Teil, der von der Gründung der Gebrüder Dassler Schuhfabrik, der Liaison mit den Sportverbänden, den Lieben und Familiengründungen der Brüder, ihren Rangeleien erzählt, überführt die Pionierstimmung in atmosphärische Bilder. Viel Gegenlicht; die Sinnlichkeit des Handwerks wird greifbar. Zum Ende des ersten Teils dann der Wendepunkt: Der Kriegsdienst bleibt nur Adi erspart. Es ist der Anfang vom Ende der Brüderlichkeit, fortan regieren Misstrauen und Paranoia. 1948 kommt es zur Aufspaltung der Firma, und der Riss, der auch durch die Familie geht, setzt sich in der nächsten Generation fort.

In schnellem Gegenschnitt werden die beiden Markenphilosophien ins Bild gesetzt

„Die Dasslers“ sind 180 handwerklich tadellose, aber konventionelle Filmminuten. Ein Rätsel, wie sich die Jury des Bernd-Burgemeister-Fernsehpreises, der der Produktion beim Münchner Filmfest 2016 zugesprochen wurde, zu der Behauptung durchringen konnte, sie zeigten „fast alles, wozu heutiges Fernsehen fähig“ sei. Wäre dem so: Gute Nacht, Fernsehen! Positiv fallen die visuell geschmeidigen Übergänge der Zeitsprünge auf, die Zurückhaltung bei den Dialogen wie auch einige den Erzählfluss vor Monotonie schützende Einfälle, wie etwa der schnelle Gegenschnitt der beiden Markenphilosophien.

Respekt gebührt aber vor allem den Schauspielern. Friedels junger Adi fesselt mit seiner introvertierten Unbeirrbarkeit ebenso wie Kofflers charismatischer Lebemann Rudi. Hannah Herzsprung und Alina Levshin sind als Ehefrauen nicht nur Dekoration, sondern entwickeln ansatzweise ein Eigenleben; beim Vater (Joachim Król) und der Mutter (Johanna Gastdorf) ist das nicht der Fall. Das Regieduo hat sich entschieden, trotz eines Zeitraums von fünfzig Jahren ohne Altersbesetzungen zu arbeiten. Das mag die Maske (Birger Laube) perfekt auffangen – all die Make-up- und Silikonschichten scheinen im zweiten Teil den Schauspielern dennoch die Luft zum Atmen zu nehmen.