Inmitten der kasachischen Steppe haben Archäologen Überreste einer gigantischen 4000 Jahre alten Steinpyramide ausgegraben. Anders als die Pyramiden Ägyptens und Mittelamerikas hat sie einen Grundriss aus sechs Ecken. Welchem Zweck diente dieses rätselhafte hexagonale Bauwerk?
Pyramiden gibt es nur in Ägypten und Mittelamerika, so die landläufige Meinung. Ein Irrtum. Bauwerke, die im alten Ägypten als letzte Ruhestätte für den verstorbenen Pharao oder für astronomische Berechnungen wie in Mittelamerika errichtet wurden, sind inzwischen auch aus anderen Regionen der Welt bekannt – wie aus Kasachstan.
Pyramide in Form eines Hexagons
Ein Team von Archäologen um Ulan Umitkaliyev von der L. N. Gumilyov Eurasien National University in der kasachischen Hauptstadt Astana haben im südöstlichen Teil der kasachischen Steppe im Distrikt der 30 000-Einwohner-Stadt Abai beim Dorf Toktamys eine gigantische, sechseckige Steinpyramide aus der Bronzezeit entdeckt. Ein solches Bauwerk in Form eines Hexagons (Sechseck) ist absolut einzigartig für Eurasien.
Von den früheren Steppenkulturen zeugen allenfalls noch ein paar Grabhügel. Umso faszinierender ist diese Entdeckung. Seit 2014 graben die Spatenforscher nach den Überresten eines monumentalen Baukomplexes aus der Bronzezeit namens Kyrykungir.
Präzise Konstruktion
Jede der sechs Kanten der Pyramide hat eine Länge von 13 Metern und besteht aus acht Steinreihen. Ein aufrechtstehender, abgeflachter schwarzer Steinblock ziert as Ende der Kanten, während die restlichen Blöcke heller sind und aus einem anderen Stein bestehen.
Die bisher bekannten Pyramiden haben eine quadratische Grundform. Doch diese in Kyrykungir ist sechseckig – also hexagonal – angelegt. Um das Bauwerk herum sind zudem mehrere kreisförmige Mauern angelegt worden. „Die äußeren Mauern des Komplexes sind mit Bildern verschiedener Tiere geschmückt, darunter auch Kamele und vor allem Pferde.“
Zeugnisse der Vergangenheit
Bei Abai liegen mehrere Grabhügel und andere Ruinen nah beieinander. „Bisherige Funde, darunter Keramik, Goldohrringe und anderer Schmuck legen nahe, dass hier in der Bronzezeit ein kulturelles Zentrum lag“, erklärt Ulan Umitkaliyev. „Diese Steppenpyramide wurde mit großer Präzision errichtet.“
Die Pyramide hat ein Alter von rund 4000 Jahren und ist sehr präzise erbaut worden. Trotz ihres hohen Alters sind noch Abbildungen von Pferden und anderen Tieren an den Außenwänden erkennbar. Zudem wurden im Umfeld Waffen aus Bronze, Werkzeuge, Schmuck und Pferdeknochen gefunden.
Die Knochen, die rund um das Hexagon ausgegraben wurden, weisen auf die große Bedeutung der Huftiere die Kultur der Erbauer hin. „Das spricht dafür, dass zu jener Zeit der Pferdekult besonders stark ausgeprägt war.“
Reitervölker aus der eurasischen Steppe
In der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) führten die Züge von Reiternomaden nach Europa zu einer ersten kulturellen Blüte in der Region. Auf diesem Wege kam auch die die indoeuropäische Sprache nach Westen.
In den eurasischen und zentralasiatischen Steppen liegen die Ursprünge der Jamnaja – ein Reitervolk, das bereits um 3000 v. Chr. als eine der frühesten Kulturen Pferde zum Reiten nutzten –, Skythen, Tataren und Mongolen. In den unendlichen Weiten zwischen dem Kaukasus und China wurden die ersten Pferde gezüchtet und als Zug- und Reittiere genutzt.
Welchem Zweck diente die Pyramide?
Nur ein wichtiger Aspekt ist bisher noch völlig ungeklärt: Welchem Zweck diente die sechseckige Pyramide? Warum errichtete ein Reitervolk der Bronzezeit mitten im Nirgendwo eine Hexagon?