Die Agentur für Arbeit muss sich mit der Anklage gegen einer ihrer Ex-Mitarbeiter auseinandersetzen Foto: dpa

Seit 1990 arbeitete der 62-Jährige schon bei der Arbeitsagentur Stuttgart, als er als Verantwortlicher eines Sozialprojekts seine Position ausnutzte und zwei ehemalige Prostituierte sexuell nötigte. Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg reagiert mit Empörung.

Seit 1990 arbeitete der 62-Jährige schon bei der Arbeitsagentur Stuttgart, als er als Verantwortlicher eines Sozialprojekts seine Position ausnutzte und zwei ehemalige Prostituierte sexuell nötigte. Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg reagiert mit Empörung.

Stuttgart - Jobs gegen Sex: Entsprechend diesem Motto hat der Mitarbeiter zumindest nach Auffassung der Anklagebehörde agiert. Der Mann, seit 1990 bei der Agentur für Arbeit in Stuttgart mit Sitz in der Nordbahnhofstraße beschäftigt, war für ein sogenanntes Sozialprojekt verantwortlich. Seine Aufgabe war es, ehemaligen Prostituierte oder Frauen, die aus dem Rotlichtmilieu aussteigen wollen, neue Arbeitsstellen zu vermitteln.

Auch soll durch Umschulungen die Perspektive auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden. Doch die Gespräche in seinem Dienstzimmer verliefen für die 44 beziehungsweise 55 Jahre alten Frauen, die unabhängig voneinander Beratungstermine hatten, völlig anders als erwartet. „Die Frauen kamen in der Hoffnung, einen Job zu erhalten, und hatten mit dem Verhalten des Mannes natürlich nicht im Geringsten gerechnet“, erläutert Claudia Krauth, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Die beiden Fälle ereigneten sich im Oktober 2012 sowie im Oktober 2013. Dabei verschloss der Mitarbeiter den Ermittlungen zufolge von innen die Bürotür – die Frauen hätten sich damit nach Krauths Einschätzung in einer Zwangslage befunden, die von dem Mann ausgenutzt worden sei. In einem Fall hat der Mann einer Frau an den Busen gefasst. Im anderen Fall soll er gesagt haben: „Haben Sie große Brüste“, worauf die Frau perplex antwortete: „Ich habe ganz normale Brüste.“

Einer Frau hat er die Hand in die Hose gesteckt und forderte sie auf, sich auf seinen Schoß zu setzen, indem er auf seine Oberschenkel klopfte. Er forderte sexuelle Handlungen und masturbierte vor den Frauen. Diese sind nach Krauths Angaben nicht auf dessen Wünsche eingegangen. Aber sie haben seine Bemerkungen und Handlungen „vermutlich aus Überraschung eine gewisse Zeit geduldet“. Erst nach dem empörten Ausruf: „Schämen Sie sich denn gar nicht“, hat der Mann offenbar von seiner Selbstbefriedigung abgelassen. Nach Feierabend soll der Mitarbeiter der Arbeitsagentur die ehemaligen Liebesdienerinnen noch privat angerufen und Sex gefordert haben, ohne dafür bezahlen zu wollen.

Der 62-Jährige ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht vorbestraft. Er hat die ihm vorgeworfenen Taten gestanden. Ein Haftbefehl wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Das Stuttgarter Amtsgericht wird sich mit dem Fall vermutlich am 20. Oktober beschäftigen. Eine Sprecherin der Arbeitsagentur Stuttgart betonte auf Nachfrage, dass es sich um einen langjährigen Mitarbeiter gehandelt habe, der sehr engagiert gewesen sei. „Es handelt sich um einen Einzelfall“, so die Sprecherin. Man habe den Mitarbeiter umgehend nach dem Haftbefehl freigestellt und Anfang Dezember 2013 entlassen.

Mit Empörung hat der Landesfrauenrat Baden-Württemberg am Dienstag auf den Vorfall reagiert und dem Behördenmitarbeiter Erpressung und Machtmissbrauch vorgeworfen. Die Erste Vorsitzende des Landesfrauenbeirats, Angelika Klinger, erklärte: „Gerade Prostituierte sind auf gerechte Begegnung und Behandlung angewiesen. Eine Behörde hat eine besondere Schutzfunktion.“

Sie verweist auf die Regelungen im Prostitutionsgesetz. Dessen Hauptziel sei es, die Rechtsposition und die Arbeitsverhältnisse von Prostituierten zu verbessern. Außerdem stehe ihnen das Recht auf Umschulung zu. „Wenn sich Frauen dann um einen anderen Job bemühen, erleben sie eine Katastrophe“, so Klinger. Die Vorsitzende des Landesfrauenrats zieht dieses Fazit: „Solche Dinge zeigen, dass Prostituierte gesellschaftlich nicht anerkannt und als Freiwild betrachtet werden.“