Das Logo des Arbeitsamts: Ausländische Fachkräfte sind hier gesucht. Foto: dpa-Zentralbild

Experten aus aller Welt, vor allem aus nicht EU-Staaten, sollen in Deutschland arbeiten. Das Problem: Sie zu finden, ist ziemlich schwer.

Nürnberg/Bonn - Bis vor zwei Jahren hat die Zentrale Auslandsvermittlung der Arbeitsagentur hauptsächlich Deutschen eine Stelle im Ausland vermittelt. Inzwischen wirbt sie jenseits der Grenzen um Ausländer für Mangelberufe hierzulande.

Diesen Sommer musste Monika Varnhagen häufiger als sonst ins Ausland reisen. Der Pflegenotstand in Deutschland ist inzwischen so hoch, dass selbst Kräfte aus EU-Staaten den Bedarf nicht mehr decken. Unter anderem wurde sie in Bosnien, Tunesien und in Serbien vorstellig. Varnhagen ist Geschäftsführerin der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), eines Ablegers der Bundesagentur für Arbeit. Ursprünglich wurde die Behörde geschaffen, um Deutsche bei der Jobsuche im Ausland zu unterstützen. Outcoming nennt man das. Doch neuerdings sind die Mitarbeiter zunehmend mit Incoming beschäftigt, also damit, Fachkräfte aus anderen Staaten anzuwerben, die hierzulande dringend gebraucht werden. „Wir brauchen die gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften, die aber Deutsche nicht verdrängen“, betont Bundesagentur-Vorstand Raimund Becker .

Der Schwerpunkt liegt in den EU-Ländern. Obwohl seit Mai 2011 Freizügigkeit auch für Bürger der jungen Mitgliedstaaten gilt – dass heißt, sie können in einem anderen EU-Staat leben, wenn sie dort als Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Wirtschaftsleben erwerbstätig sind –, blieb der erwartete Ansturm aus Osteuropa aus. Entsprechend bescheiden liest sich die bisherige Bilanz der ZAV für 2012: Insgesamt 519 Fachkräfte hat sie von Januar bis August nach Deutschland vermittelt, davon 142 aus Süd- und Westeuropa sowie 370 aus dem östlichen Europa. „Jeder Einzelne muss gewonnen werden“, erklärt die ZAV-Chefin.

„Wir gehen gezielt auf die Länder zu, von denen wir uns Fachkräfte versprechen, die wir in Deutschland brauchen“

Der Schwerpunkt liegt in den EU-Ländern. Obwohl seit Mai 2011 Freizügigkeit auch für Bürger der jungen Mitgliedstaaten gilt – dass heißt, sie können in einem anderen EU-Staat leben, wenn sie dort als Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Wirtschaftsleben erwerbstätig sind –, blieb der erwartete Ansturm aus Osteuropa aus. Entsprechend bescheiden liest sich die bisherige Bilanz der ZAV für 2012: Insgesamt 519 Fachkräfte hat sie von Januar bis August nach Deutschland vermittelt, davon 142 aus Süd- und Westeuropa sowie 370 aus dem östlichen Europa. „Jeder Einzelne muss gewonnen werden“, erklärt die ZAV-Chefin.

Für Mangelberufe wird die ZAV deshalb auch in Drittstaaten – also Nicht-EU-Ländern – aktiv, etwa bei der Suche nach Pflegekräften. Seit der Einführung der Pflegeversicherung ist die Altenpflege zum Jobmotor geworden: Zwischen 1999 und 2009 kletterte die Zahl der Beschäftigten bei ambulanten Pflegediensten um rund 46 Prozent (85.000), die der Angestellten in Pflegeheimen nahm um rund 41 Prozent (180.000) zu. Insgesamt waren 2009 nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 890.000 Personen in der Altenpflege beschäftigt, davon 70 Prozent (621.000) in Pflegeheimen. Gebraucht werden mehr. „Vor allem Kliniken in ländlichen Gebieten wenden sich hilfesuchend an uns“, erzählt Varnhagen. Ein Mini-Projekt strebt die Rekrutierung von 150 chinesischen Pflegekräften an.

Weil die Zuwanderung aus Drittstaaten nicht so einfach ist, schließt die Bundesagentur mit den Partnereinrichtungen im jeweiligen Land Vermittlungsabkommen. „Wir gehen gezielt auf die Länder zu, von denen wir uns Fachkräfte versprechen, die wir in Deutschland brauchen“, sagt Varnhagen. Im Fokus stehen dabei neben Gesundheits- und Pflegepersonal Ingenieure und technische Fachkräfte, Humanmediziner sowie Mitarbeiter für Hotels und die Gastronomie. Im Rekrutierungsverfahren achtet die Agentur darauf, dass die möglichen Bewerber ausführlich vorbereitet werden, damit sie nicht mit falschen Erwartungen nach Deutschland reisen. Das erklärt auch den Namen des jüngsten Projekts: Triple win. Drei Seiten sollen von der Initiative profitieren: der deutsche Arbeitsmarkt, dadurch, dass für eine bestimmte Zeit Fachkräfte hierherkommen. Dann die Bewerber, die hier Berufserfahrung sammeln, und schließlich ihr Heimatland, wenn sie wieder zurückkehren. Das Abkommen mit Bosnien, so schätzt Varnhagen, könnte in etwa drei Wochen unter Dach und Fach sein.

37 Prozent aller Unternehmen im Südwesten beklagen Fachkräftemangel

Während große Konzerne ausländische Mitarbeiter über die dortigen Standorte oder über spezielle Headhunter rekrutieren, ist die ZAV hauptsächlich für Mittelständler unterwegs oder für größere Firmen, die wenig Erfahrung mit ausländischen Kräften haben. Vor allem im Süden und Osten Europas hält sie dieses Jahr in Zusammenarbeit mit den dortigen Agenturen im Eures-Netzwerk (European Employment Services) und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mehr als 50 Veranstaltungen ab, etwa Job-Days sowie Schwerpunktbörsen für Mangelberufe.

Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart klagen 37 Prozent aller Unternehmen im Südwesten über Fachkräftemangel. Derzeit fehlen im Land 38.000 Akademiker sowie weitere 193.000 betrieblich aus- und weitergebildete Personen. Und künftig werden noch mehr gebraucht. Nach Berechnungen des Instituts zur Zukunft der Arbeit werden bis 2020 bundesweit rund 240.000 Ingenieure fehlen. Das Prognos-Institut schätzt, dass die Fachkräftelücke in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf 5,2 Millionen Personen wächst, knapp die Hälfte davon seien Akademiker.

„Wir sollten aus den Fehlern der 60er Jahre lernen“

In jüngster Zeit hat sich Deutschland gegenüber Zuwanderern geöffnet. Das äußert sich etwa durch die im August eingeführte Blue Card, die Ingenieuren und Medizinern aus Drittstaaten viel Bürokratie bei der Aufenthaltsgenehmigung erspart. Ein anderer Weg sind lokale Projekte wie etwa die Aktion Nikolaus, die vor neun Monaten in Stuttgart startete. 100 spanische Ingenieure kamen eigens hierher und mit kleineren und mittleren Firmen ins Gespräch. Bis Juli 2012 haben 33 einen Arbeitsvertrag abgeschlossen.

Vielversprechender ist für Raimund Becker ein ähnliches Projekt in Regensburg, bei dem die Stadt zusätzlich die soziale Integration der Bewerber und ihrer Familien übernommen hat. Beispielsweise hilft sie bei der Suche nach einer Wohnung oder nach einem Kindergartenplatz oder hilft bei Sprachkursen. Denn immer noch schreckt eine fehlende Willkommenskultur in Deutschland viele qualifizierte Ausländer vom Umzug hierher ab. „Wir sollten aus den Fehlern der 60er Jahre lernen“, sagt Becker.

Der einfachste Weg aus deutscher Sicht, Fachkräfte einzubinden, ist, einen Teil der rund 6000 jungen Menschen aus Drittstaaten, die jährlich ein Studium an einer deutschen Hochschule abschließen, im Land zu halten.

Sie sprechen bereits Deutsch, haben häufig bereits Kontakte zu Betrieben und sind mit dem hiesigen Alltag vertraut. Doch viele von ihnen kehren mit dem Abschluss Deutschland den Rücken. Bisher gingen rund 75 Prozent der Absolventen weg – meist in attraktivere Staaten wie die USA, Brasilien, Indien oder nach Großbritannien.