Langzeitarbeitslose profitieren kaum vom Aufschwung - Auf Ein-Euro-Jobs folgt Bürgerarbeit.

Stuttgart - Wie ihre Vorgänger ist auch die aktuelle Regierung angetreten, die Arbeitslosigkeit zu verringern. Das Ergebnis nach etwas mehr als einem Jahr bewerten Arbeitsmarktexperten kritisch. Obwohl die Arbeitslosenzahlen 2010 im Land überraschend stark auf 4,4 Prozent gesunken sind, stagnieren oder steigen die Zahlen derjenigen, die von Hartz IV leben müssen.

Laut Eva Strobel, der Leiterin der Regionaldirektion der Arbeitsagentur Baden-Württemberg, trifft das im Südwesten auf rund 500.000 Menschen zu, bundesweit bekommen knapp sieben Millionen Menschen Hartz-IV-Leistungen. "Momentan profitieren Kurzzeitarbeitslose vom Aufschwung", sagte Strobel auf dem Kongress Pro Arbeit 2010. Dagegen sei die Zahl der arbeitslosen Hilfebedürftigen gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Hartz IV erhalten Erwerbslose, die länger als ein Jahr ohne Job sind. Zur jahrelangen Arbeitslosigkeit kommen häufig Vermittlungshemmnisse wie gesundheitliche Probleme oder ein fortgeschrittenes Alter. Stuttgarter Beschäftigungsunternehmen von der Caritas bis zur Neuen Arbeit laden deshalb seit 2000 jährlich zum Kongress Pro Arbeit, um Chancen für Langzeitarbeitslose aufzuzeigen.

Ein-Euro-Jobs sind umstritten

Glaubt man Marc Hentschke, dem Chef des Sozialunternehmens Neue Arbeit und Vorsitzenden des Evangelischen Fachverbands Arbeit und soziale Integration, sieht es künftig düster aus. Denn die Regierung will nicht nur die Zahl der Förderinstrumente für Arbeitslose reduzieren, sondern auch ihre Ausgaben. Bereits im kommenden Jahr sinken laut Hentschke die Budgets für Maßnahmen wie Eingliederungszuschüsse oder Ein-Euro-Jobs. In der Summe erwartet Hentschke, dass sich die Mittel zur Eingliederung von Arbeitslosen spätestens 2013 gegenüber 2007 halbiert haben werden - auf dann drei Milliarden Euro. Sein Fazit: Der zweite Arbeitsmarkt, also staatlich subventionierte Jobs für Langzeitarbeitslose, "wird zunehmend unfinanzierbar".

Am meisten genutzt werden die Ein-Euro-Jobs. Sie sind zugleich die umstrittenste Förderung: Erst vor ein paar Tagen kritisierte der Bundesrechnungshof die Arbeitsgelegenheiten erneut als nahezu wirkungslos. Ein-Euro-Jobber hätten kaum bessere Chancen auf eine Festeinstellung und nähmen zudem regulär Beschäftigten den Arbeitsplatz weg. Kritik kam gestern auch von Betroffenen. Der Erwerbslosenausschuss der Gewerkschaft Verdi in Stuttgart forderte, Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsangebote umzuwandeln. Denn die meisten Erwerbslosen seien nach dem Ein-Euro-Job wieder arbeitslos.

Seit diesem Sommer gibt es das Bürgergeld

Im Südwesten bessern rund 15.000 Menschen ihr Arbeitslosengeld auf diese Weise mit Gartenarbeiten, Verkaufs- oder Handwerksleistungen auf, bundesweit sind es 320.000 - noch. Hentschke erwartet, dass die Zahl der Ein-Euro-Jobber mit den Budgets der Arbeitsagenturen langfristig auf 100.000 bis 150.000 sinkt.

Dafür hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen diesen Sommer ein neues Förderinstrument erfunden, das Bürgergeld. Dabei werden Langzeitarbeitslose mit Vermittlungshemmnissen sechs Monate lang intensiv auf Stärken und Schwächen getestet. Wer in dieser Zeit keinen regulären Job findet, soll bis zu drei Jahre lang gemeinnützige Arbeit bei der Straßenreinigung oder der Betreuung von Behinderten leisten. Anders als beim Ein-Euro-Job wird ein Arbeitsvertrag geschlossen, für 30 Stunden in der Woche gibt es am Monatsende 900 Euro.

In Baden-Württemberg sind laut Strobel 2000 Bürgerarbeitsplätze möglich, allerdings beteiligen sich nur 14 der 44 Hartz-IV-Verwaltungsstellen an dem Programm. Den restlichen dürfte es schlicht zu teuer sein - denn 70 Prozent der Lohnkosten trägt die Arbeitsverwaltung. Letztere hat im Land 2011 rund zehn Prozent weniger Mittel zur Arbeitslosenförderung zur Verfügung, so Strobel. Hentschke sieht neben der Finanzierung ein weiteres Problem an neuen Maßnahmen: "Erst mal muss man die Instrumente verstehen." Noch bevor man es anwenden konnte, sei manches Instrument in der Vergangenheit wegen einer Gesetzesnovelle bereits "wieder weg" gewesen.