Das Ministerium für Ländlichen Raum legt einen niedrigeren Grenzwert fest, um den Apfelsaft vor faulen Äpfeln und deren Schadstoff Patulin zu schützen.
Kreis Ludwigsburg - Den Geschmack fauler oder schimmliger Äpfel will niemand im Saft haben. Um Missbrauch zu verhindern, gibt es Grenzwerte für Patulin – den Stoff, der als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Die Fachreferenten des BUND Baden-Württemberg sind dafür, den in der EU gültigen Grenzwert von derzeit 50 auf zehn Mikrogramm pro Kilogramm abzusenken.
Die BUND-Zielvorstellung deckt sich mit Plänen des Ministeriums für Ländlichen Raum, das Qualitätszeichen Baden-Württemberg (QZBW) und das Bio-Zeichen BioZBW vom Jahr 2022 an nur noch bei höchstens zehn statt wie bisher bei 20 Mikrogramm Patulin zu vergeben. An dem Qualitätssiegel orientieren sich viele Verbraucher im Getränkehandel und in Supermärkten.
Neuer Grenzwert liegt auf dem Niveau von Säuglingsnahrung
Der künftig gültige Patulin-Höchstwert für das Qualitätszeichen entspricht dem Standard von Kleinkind- und Säuglingsnahrung. „Diesen Grenzwert sollte man allgemein fordern“, sagt Almut Sattelberger, zuständige Naturschutzreferentin beim BUND-Landesverband. Saftkeltereien könnten den Wert bei fachgerechter Verarbeitung des Obstes problemlos erreichen. Sie gehe davon aus, dass viele Keltereien schon unter dem Wert liegen. Ein Gesetz werde die Anlieferer jedoch noch einmal sensibilisieren.
Die Hand ins Feuer für ihre zuliefernden Erzeuger legt Petra Streker, Geschäftsführerin des Aspacher Betriebs Streker, bei dem jährlich rund 20 000 Tonnen Äpfel aus dem Kreis Ludwigsburg und dem Rems-Murr-Kreis zu Saft verarbeitet werden. Faulige Äpfel würden beim Auflesen, beim Abladen und kurz vor der Verarbeitung herausgelesen. Zudem messe man den Patulin-Gehalt des Saftes regelmäßig. „Bei uns würden die Alarmglocken schrillen, wenn der Wert einmal über zehn Mikrogramm liegen würde“, sagt die Saftherstellerin, bei der Mengen von zehn Kilo bis zu 25 Tonnen abgegeben werden.
Landesweite Proben liegen zu 83 Prozent unter dem Wert
Das Niveau der Saftqualität in Baden-Württemberg ist hoch. Das bestätigt eine Untersuchung des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Sigmaringen in den Jahren 2019 bis 2021. Es nahm 121 Apfelsaftproben und stellte Patulin-Gehalte von fünf Mikrogramm bis in Einzelfällen von maximal 49 Mikrogramm fest. Unter dem Qualitätswert von zehn Mikrogramm lagen 83 Prozent der Proben, unter dem von der Europäischen Union empfohlenen Zielwert von 25 Mikrogramm rund 93 Prozent.
Nicht immer sind faule Stellen an Äpfeln leicht zu entdecken. Manche Früchte faulen von innen. Ein erhöhter Gehalt im Saft spiegelt sich durch einen muffigen oder metallischen Geschmack wider. „Jeder will aber Qualität produzieren“, sagt Albrecht Kumpf, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens in Markgröningen. Für ihn sei das QZBW-Label enorm wichtig, um sich von auswärtigen Produkten abzuheben.
Landratsamt Ludwigsburg hat kein Patulin nachgewiesen
Ein gutes Zeugnis stellt das Landratsamt Ludwigsburg den heimischen Saftherstellern aus. „Im Landkreis Ludwigsburg wurde in den vergangenen Jahren bei keiner amtlichen Probe Patulin nachgewiesen“, teilt die Behörde auf Anfrage mit. Der Fachbereich Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung kontrolliere den Saft auf allen Stufen des Handels sowie die Eigenkontrollen der Hersteller. Mobile Saftpressen würden wegen des privaten Gebrauchs nicht überprüft.
Auf einem sehr niedrigen Level liegen die Patulin-Werte bei der Streuobstwiesen-Initiative Steinkauz im oberen Bottwartal und im Landkreis Heilbronn sowie der Arbeitsgemeinschaft Streuobstwiesen (ASS) in Steinheim. „Bei uns lagen die Werte im Jahr 2020 bei drei und vier Mikrogramm“, sagt der ASS-Vorsitzende Jens Fränznick, der auf die persönliche Kontrolle am Fließband setzt, damit nur ordentliche Ware abgeliefert wird.
Im oberen Bottwartal wird noch nicht einmal 1 Mikrogramm erreicht
Als wirksames Mittel gegen zu viele faule Äpfel sieht der Steinkauz-Geschäftsführer Manfred Storz die Anwesenheit von Mitgliedern bei der Obstannahme. „Der Wert bei unseren jährlich produzierten 250 000 Litern Saft liegt unter der Nachweisgrenze von einem Mikrogramm.“ Die Initiative entnehme immer nach 50 000 Litern eine Probe. Der Wert lag einmal bei 5 Mikrogramm. Die gesetzliche Höchstgrenze auf zehn Mikrogramm festzulegen, würde die Initiative unnötig unter Druck setzen. „Wir müssten dann öfter messen.“ Dieser Mehraufwand aber würde sich höchstwahrscheinlich auch auf den Preis auswirken.
Der EU-weit gültige Höchstwert von 50 Mikrogramm Patulin pro Kilo ist 2006 festgelegt worden. Es sei seitdem nur sehr selten zu Überschreitungen gekommen, teilt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in Berlin mit. Werde ein Höchstgehalt festgelegt, liege der gesundheitlichen Risikobewertung eine umfangreiche und differenzierte Betrachtung zugrunde. Dabei würden auch die Folgen für möglicherweise vulnerable Verbrauchergruppen berücksichtigt.
Kontrollen in den Apfelsaft-Betrieben
Häufigkeit
Wie oft ein Betrieb amtlich kontrolliert wird, hängt von der Höhe des Risikos ab. Sie richtet sich nach dem Betrieb selbst – also dessen Art, Größe, und Produktionsumfang – , nach den Erzeugnissen (Art, Herkunft, Haltbarkeit), der Qualifikation und der Anzahl des Personals sowie den Hygienestandards.
Verstöße Betriebe, die bereits gegen Rechtsvorschriften verstoßen haben oder bei denen Mängel aufgetreten sind, werden häufiger kontrolliert als andere. Wenn Probleme bekannt werden, etwa durch Hinweise von Verbrauchern, erfolgt sofort eine Kontrolle.
Überwachung Zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörden sind die Landratsämter und Bürgermeisterämter der kreisfreien Städte. Die amtlichen Lebensmitteluntersuchungen finden in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern statt. ole