Gedenken an die Opfer des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz: Nach diesem Verbrechen versuchen Bund und Länder mit neuen Gesetzen, solche Bedrohungen einzudämmen. Der Regierung Baden-Württembergs gehen die jüngsten Beschlüsse nicht weit genug. Foto: Getty Images Europe

Die Regierungen von Bund und Ländern haben sich auf eine Ausweitung der gesetzlichen Mittel für die Terrorismus-Bekämpfung geeinigt. Baden-Württemberg wollte noch mehr. Zu Recht, mein StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Sympathisanten – war da nicht was? In den Jahren des RAF-Terrorismus geriet der Begriff zu einem Reiz- und Schimpfwort. Weil er zwar jene treffend bezeichnete, die sich in Deutschland klammheimlich oder offen über die Brutalität der Terroristen freuten – zugleich aber auch gehäuft zum Einsatz kam im Zusammenhang mit Verfehmung und falschem Verdacht.

Es war diese Erfahrung, die Gerichte aus gutem Grund zurückhaltend machte in der Anwendung jener Verschärfung des Strafgesetzbuch-Paragraphen 129a, die 1976 im Kampf gegen die RAF eingeführt worden war und auch Sympathiebekundungen für Terroristen unter Strafe stellte. Als logische Konsequenz folgte 2002 eine Entschärfung.

Nur, die Zeiten haben sich geändert. Und wie. Den islamistischen Terrorismus, aktuell eine der großen Bedrohungen nicht nur in Europa, prägt das Prinzip: Es gibt einen politisch-extremistischen Ideologiekern, der im frömmlerischen Gewand daher kommt. An ihn können Terroristen weltweit mit fast jeder noch so regionalen oder auch nur persönlichen Agenda andocken und sich zu Teilen eines vermeintlich großen, gottgewollten, in Wahrheit hasserfüllten, mörderischen Ganzen aufblasen.

Das Internet spielt da die zentrale Rolle. Ganz praktisch. Das haben in den vergangenen Monaten Anschläge und Anschlagversuche in Ansbach und Würzburg wie auch im indischen Hyderabad gezeigt, wo sich Täter per Internet teilweise bis wenige Minuten vor ihren Verbrechen von Stichwortgebern aus der Terroristenbande Islamischer Staat (IS) anleiten ließen, die sie nie zu Gesicht bekommen hatten. Mindestens so bedeutend ist die propagandistische Begleitmusik des Mordens und Quälens geworden, die im Internet spielt. In Form von Sympathiekundgebungen für Terroristen. Auch in Form von Appellen, die in Solidaritätsfloskeln versteckt werden und dazu aufrufen im Namen der gemeinsamen Ideologie möglichst viele Menschen zu töten.

Die Verbreitung solcher Äußerungen zu verbieten und Sympathisanten zu bestrafen, hätte daher dem inzwischen Notwendigen enstprochen. Ungeachtet schlechter Erfahrungen mit dem Sympathisanten-Begriff, die unter kaum vergleichbaren Voraussetzungen gemacht wurden.

Bedauerlich, dass die Mehrheit der Bundesländer entschieden hat, auf eine solche Strafandrohung zu verzichten. Entsprechend nachvollziehbar ist das Kopfschütteln in der Bundesregierung und in der baden-württembergischen Landesregierung, die eine solche zeitgemäße Ausweitung gesetzlicher Möglichkeiten für die Terrorismus-Bekämpfung vorgeschlagen hatten. Eine Ausweitung, die anders als viele neue Überwachungsmaßnahmen kaum in Grund- und Bürgerrechte eingegriffen hätte.

Wenige Wochen nach dem grauenhaften Überfall auf einen Berliner Weihnachtsmarkt durch einen Nordafrikaner, der mit Multi-Identität in Europa unterwegs war, frustriert auch der Verzicht darauf, Asylbewerber, die eine Klärung ihrer Identität durch Tricksen und Täuschen behindern, geradewegs wieder zurück zu schicken. Ein Staat der Asyl gewähren soll, hat Anspruch darauf zu wissen, wem er dieses Recht einräumt.

Merkwürdig, dass sich so viele Landesregierungen nicht dazu aufraffen, solche Mittel im Kampf gegen Terroristen auszuschöpfen. Mittel, die den Schutz der Bürger und auch derer verbessert hätten, die nach Deutschland gekommen sind, um sich vor Terroristen vom Schlage des IS zu retten.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de