Rund 8000 Menschen in Esslingen und etwa 2000 in Kirchheim zeigten am Wochenende dem Rechtsextremismus die rote Karte. Getragen wurden die Kundgebungen von einem breiten Bündnis.
Dicht an dicht standen am Wochenende Tausende auf den Marktplätzen in Esslingen und Kirchheim, um für Vielfalt in der Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Getragen wurde der Protest von einem breiten Bündnis lokaler Initiativen, Organisationen, Parteien, Kirchen, Verbänden, Sportvereinen, Unternehmen und vielen Bürgerinnen und Bürgern. Die Teilnehmenden kamen aus allen Generationen. Zahlreiche Politiker aus den Gemeinderäten, dem Landtag und dem Bundestag waren zugegen. Es sei ermutigend, „wie viele Bürgerinnen und Bürger seit dem unfassbaren Geheimtreffen in Potsdam, mit Deportationsplänen für Millionen von Mitbürgern, für unsere Demokratie ihr Gesicht zeigen“, sagte Esslingens Oberbürgermeister Matthias Klopfer in einer Rede auf der Kundgebung in Esslingen am Sonntag. „Jung und alt, friedlich, aber deutlich, auf der Straße, auf den Plätzen, in den sozialen Medien, im Freundeskreis. Mit unterschiedlichen politischen Positionen, aber geeint in der Haltung gegen Rechts. Nie wieder ist heute.“ In 300 Städten gebe es an diesem Sonntag Kundgebungen. Auch seine über 90 Jahre alten Eltern seien auf einer Demonstration in Leonberg dabei, so der Oberbürgermeister.
Klopfer: Rechtsextremisten wollen Demokratie aushöhlen
Klopfer wies in seiner Rede auf den von ihm initiierten Aufruf der 31 Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister der Region Stuttgart hin. Innerhalb weniger Stunden hätten alle unterschrieben und damit ein politisches Zeichen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie gesetzt. „Wir lassen uns nicht täuschen: Rechtsextreme Parteien nutzen demokratische Strukturen, um die Demokratie auszuhöhlen. Das werden wir niemals zulassen“, rief Klopfer ins Mikrofon.
Rechtsextreme glaubten, die Welle der Empörung und der Demonstrationen klinge bald wieder ab und „und dass wir sie weitermachen lassen“. Aber das werde nicht passieren. „Lassen Sie uns gemeinsam jeden Tag unser Grundgesetz verteidigen“, sagte Klopfer. „In der Arbeit, im Sportverein, am Stammtisch, im Freundes- und Familienkreis. Es darf keine Komfortzone für Rechtsextreme und Ausgrenzer geben“, so der Oberbürgermeister. Auch der Sozialbürgermeister Esslingens Yalcin Bayraktar erklärte, er mache sich Sorgen. Aber: „Wir haben eine starke Stadtgesellschaft, die von der Vielfalt der Menschen lebt.“ Mit Blick auf die anstehenden Kommunal- und Europawahlen appellierte Bayraktar: „Nehmen Sie Ihr Wahlrecht wahr. Lassen Sie nicht zu, dass Rechtspopulismus salonfähig wird.“
Zur Demonstration gekommen waren unter anderem Schülerinnen aus der zehnten Klasse des Georgii-Gymnasiums in Esslingen. Während eines Demokratieprojekts, das gerade an ihrer Schule läuft, seien sie auf die Kundgebung aufmerksam gemacht worden. Auf die Wichtigkeit, sich öffentlich bemerkbar zu machen, wiesen die Esslinger Demonstranten Nadia und Andreas Bescherer hin. „Es geht nicht, immer nur ruhig zu bleiben“, sagte Nadia Bescherer , die bereits in der vergangenen Woche in Stuttgart zu einem Protest gefahren war. „Vielleicht waren wir zu lange ruhig.“
Kundgebung auch in Kirchheim
In Esslingen kamen den Veranstaltern zufolge 7000 bis 8000 Menschen zusammen, in Kirchheim waren es 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In Kirchheim hatte sich ebenfalls ein breit angelegtes Bündnis mit Akteuren aus Stadt, Politik, Gesellschaft, Kirche und Kultur zusammengefunden. Im Rahmen der Veranstaltung am Samstagnachmittag gaben mehrere Redner in unterschiedlichen Formulierungen dieselbe Botschaft weiter: „Rechtspopulismus darf kein Raum gelassen werden.“ Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader meinte, vielen nach 1945 geborenen Menschen sei die Demokratie in den Schoß gefallen. Doch diese Staatsform sei kein Selbstläufer und müsse immer wieder neu errungen werden.
„EkelhAfD“ stand auf einem der Plakate. „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Rechts wird nur gestrickt“ und „Hass ist keine Meinung“ war auf anderen Schildern zu lesen. Angelika Matt-Heidecker hielt ein Schild mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts“ in die Höhe. „Wer jetzt nicht auf die Straße geht, hat nichts begriffen“, sagte die ehemalige Oberbürgermeisterin von Kirchheim. Die Richtung, in die Teile der Gesellschaft gerade gehen, mache ihr Angst. Auch die stabile, bisher schweigende Mehrheit müsse aufgerüttelt werden. Als Großmutter gehe es ihr darum, Verantwortung für die Zukunft ihrer Enkel zu übernehmen.