Am Tatort haben Menschen Blumen deponiert. Foto: AFP/Dimitar Dilkoff

Der Nahostkonflikt als Motiv: Ein Attentäter hat in Paris einen deutschen Touristen ermordet und zwei weitere Personen verletzt. Frankreich macht sich zunehmend Sorgen um die Olympischen Spiele von 2024 in Paris.

Eine weitere Messerattacke hat Frankreich heimgesucht – und Deutschland getroffen. Am Samstagabend ist ein 26-jähriger, der Polizei bekannter Mann unweit des Eiffelturmes mit einem Messer und einen Hammer auf Reisende losgegangen. Einem jungen Deutschen philippinischer Abstammung versetzte er auf der Brücke Bir-Hakeim zwei Messerstiche am Rücken und der Schulter, worauf das Opfer einen Herzstillstand erlitt.

Wie Innenminister Gérald Darmanin berichtete, vermochte ein mutiger Taxifahrer den Angreifer fürs Erste zu stoppen. Als die Polizei eintraf, flüchtete sich der Täter über die Brücke, wo er einen 60-jährigen Franzosen und einen Briten mit einem Hammer verletzen konnte. Dann wurde er von der Polizei mit vorgehaltener Pistole gestellt. Die Begleiterin des deutschen Opfers blieb unverletzt, stand aber unter Schock. Präsident Emmanuel Macron drückte im Namen Frankreichs allen Opfern sein Beileid aus.

Tat erinnert an Ermordung eines Lehrers

Die Schreckenstat erinnert an die Ermordung eines Lehrers in der nordfranzösischen Stadt Arras wenige Tage nach dem Angriff der palästinensischen Hamas-Miliz im Oktober auf Israel. Der Messerangreifer von Paris, dessen Name mit Armand R. angegeben wird, schrie ebenfalls „Allahu Akbar“ und erklärte der Polizei, der wolle sich für Muslime rächen, die in Afghanistan und Palästina getötet würden.

Der Polizei war Armand R. durchaus bekannt: Der offenbar sehr labile Mann hatte schon 2016, also wenige Monate nach dem Bataclan-Anschlag einen ähnlich umfangreichen Anschlag im Pariser Geschäftsviertel La Défense geplant. Dafür wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. 2020 freigekommen, blieb er unter psychiatrischer Beobachtung. Vor weniger Monaten soll er jedoch seine stabilisierenden Medikamente in Absprache mit seinem Arzt abgesetzt haben. Hingegen blieb er in der polizeilichen Radikalenkartei mit dem Zusatz „S“ verzeichnet.

Am Sonntag zirkulierte ein Bekennervideo mit einem Treueeid für die Jihadmiliz IS. Terrorexperten sind sich allerdings nicht sicher, ob auf dem Kurzfilm wirklich der Täter zu sehen ist. Der Gefilmte war durch eine Sonnenbrille und eine Schutzmaske völlig unerkenntlich; auch sprach er perfekt und akzentfrei Arabisch. Das erstaunt bei dem Täterprofil, ist doch Armand R. iranischer Abstammung; geboren ist er in dem Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine.

Täter mit mehrere früheren Attentätern in Frankreich in Kontakt

Ob es sich um die Tat eines „einsamen Wolfes“ handelte, wie es im Polizeijargon heißt, ist nicht nur deshalb zu bezweifeln. Laut dem französischen „Zentrum für Terroranalysen“ (CAT) stand der Täter mit mehreren früheren Attentätern in Frankreich in Kontakt, so etwa dem „Enthaupter“ des Geschichtslehrers Samuel Paty und dem Meuchelmörder des Priesters Jacques Hamel in der Normandie.

Diese Information gilt paradoxerweise als Hinweis, dass der Kreis der wirklich zur Tat schreitenden Attentäter in Frankreich kleiner ist als die Zahl der 10 200 S-Gefährder, von denen gut die Hälfte Islamisten sind. Trotzdem sorgt die erneute Häufung brutaler Messermorde in Frankreich für große Betroffenheit und Sorge.

Wachsende Sorgen macht sich die französische Staatsführung wegen der Olympischen Sommerspiele von Mitte 2024 in Paris. Der Tatort liegt an der über sechs Kilometer langen Strecke entlang der Seine, wo die dreistündige Eröffnungszeremonie vor Hunderttausenden von Zaungästen stattfinden soll. Der ehemalige Chef der französischen Polizei, Frédéric Péchenard, drückte am Sonntag seine Sorge aus, dass die Feier zu ausgedehnt sei, um vollständig überwacht werden zu können. „Ich hoffe, dass die Regierung über einen Plan B verfügt, falls sich internationale Lage noch verschlechtern sollte“, sagte er. Für eine Neuplanung der Eröffnungszeremonie am 26. Juli ist es jetzt wohl zu spät.