Nationalstadion in Warschau. Foto: dapd

Die Fußball-EM wird hier am 8. Juni eröffnet. Fans sollten sich auch die Stadt anschauen.

Warschau - Papier ist geduldig. Daher sollte der Polen-Tourist in diesen Tagen vor dem Start der Fußball-EM nicht ausschließlich den Versprechungen der vielen Drucksachen glauben. Nicht überall, wo „Warschaus Geheimtipps“ draufsteht, sind wirklich gute Ratschläge drin. In so einem Druckwerk tauchen beispielsweise die „Goldenen Terrassen“ auf. Aber dahinter verbirgt sich lediglich ein riesiges Einkaufszentrum, in dem sich alle großen Marken wiederfinden. Es gibt dort also nichts Neues, nichts Ungewöhnliches oder Landestypisches. Wer das sucht, sollte sich an Krzysztof Janczewski halten. „Ich kenne Warschau seit 47 Jahren“, sagt er und grinst, „ich bin hier vor 47 Jahren zur Welt gekommen.“

Janczewski ist ein Original. Und vermutlich einer der besten deutschsprachigen Reiseführer Warschaus. Zumindest hatte ihn 2010 Altbundespräsident Christian Wulff gebucht. „Ein netter Mensch“, sagt der Mann, den sie seitdem „Präsidentenführer“ nennen. Ein bisschen Promifaktor kann in diesem Beruf nicht schaden. Wichtiger ist Janczewski jedoch, dass die Menschen von ihm profitieren. Wenn sie alle, die Hausfrau, der Ingenieur oder der Bundespräsident, etwas über seine Stadt, ihre Geschichte und ihre Entwicklung lernen, dann ist Janczewski zufrieden. Dann teilt er das mit ihnen, was ihn seit seiner Kindheit umtreibt: „Ich war schon immer auf der Suche nach versteckten Winkeln und verschlungenen Pfaden.“

Aus dieser Leidenschaft ist 1992 sein Beruf geworden. Seitdem sind seine Rundgänge durch Warschau Entdeckungstouren. Geschichten sollen Geschichte lebendig machen. Bei Janczewskis Erzählungen haben Touristen das Gefühl, dieser Mann muss dabei gewesen sein. Auch damals, 1942, als Janusz Korczak aus freien Stücken 200 Kinder seines Waisenhauses im Warschauer Ghetto nach Treblinka in das Vernichtungslager begleitete, obwohl das auch seinen sicheren Tod bedeutete. Janczewski erzählt diese Heldengeschichte detailreich mit vermeintlichen Originaldialogen. „So, Kinder! Packt ein paar Sachen, wir machen einen Ausflug aufs Land“, soll Korczak gesagt haben, um den Kindern die Furcht zu nehmen. Aber keine Sorge. Der „Präsidentenführer“ verweilt nicht zu lange in dunklen Ecken der Geschichte. Zumal er weiß, dass der Fußball demnächst das ganze Land beherrschen wird.

"Mit Herrn Wulff habe ich über Fußball geplaudert"

Die Warschauer Fanzone soll die größte in der Geschichte der Fußball-EM werden. Diesen EM-Touristen will er gerecht werden - mit Tipps für die „dritte Halbzeit“. „Auch mit Herrn Wulff habe ich viel über Fußball geplaudert“, sagt Janczewski, der wie alle Polen nur ein Datum im Kopf hat. Es ist der 21. Juni. An diesem Tag findet in Warschau das erste Viertelfinale statt. Dann trifft der Erste der Gruppe A auf den Zweiten der Gruppe B. Wenn es das Schicksal gut meint, dann treffen die Polen auf Deutschland. „Das wäre ein Sommermärchen“, sagt der „Präsidentenführer“ und beginnt seine Führung auf dem Königsweg, der durch den repräsentativsten Teil der Stadt führt. Natürlich bleiben hier Kirchen, Adelspaläste und Patrizierhäuser nicht unerwähnt. Auch einen Besuch des Chopin-Museums legt Janczewski jedem ans Herz.

Doch Janczewskis Liebe zu seiner Stadt geht eher durch den Magen. Also empfiehlt er dringend „das Blickle“ auf der Nowy Swiat - sein Lieblingscafé. „Hier gibt es den besten Kuchen der Stadt“, sagt er, „und entlang der Straße ist am meisten los.“ Janczewski zeigt auf die gegenüberliegende „Bierhalle“. Für 20 Zloty gibt es hier ein Mittagsmenü nach dem Motto „All you can eat“. Noch günstiger ist das Essen bis zum Abwinken im Przekaski Zakaski. Hier wird man für fünf Zloty pappsatt. Janczewski hofft, dass diese Preise während der EM stabil bleiben. Gerade im Przekaski Zakaski dürfte der Andrang groß werden. Denn gegenüber liegt das „Bristol“, in dem die russische Nationalelf logiert.

In diesem Hotel haben 1967 auch die Rolling Stones übernachtet. Das damalige Konzert sei gigantisch gewesen, erzählt Janczewski. Es war das erste einer westlichen Rock-Band im kommunistischen Osteuropa. Aber diese Geschichte kann man überall nachlesen. Krzysztof Janczewski kennt eine bessere: „Die Stones wollten als Bezahlung keine Zlotys, sondern Wodka. Aber als sie den Schnaps teuer versteuern sollten, verzichteten sie ganz.“ Solche Geschichten geben der Warschau-Tour mit Janczewski die besondere Note.

Infos zu Warschau

Fun-Camp
In jeder Austragungsstadt gibt es ein Fun-Camp. Es handelt sich dabei um eine jeweils kleine Stadt für die Fans, mit Unterkünften. In Warschau befindet sich diese Zone an der Weichsel, neben dem Olympia-Zentrum. Es finden sich hier Unterkünfte für 5000 Personen, mit vollständiger sanitärer Ausstattung. Die Fans können nach Wahl ein Zelt, einen Wohncontainer oder Platz für einen Camper wählen.

E-Mail-Kontaktaufnahme: info@carlsbergfancamp.pl

Unterkunft
Der Polish Guide, www.polishguide2012.pl, bietet Informationen zu Hotels, Restaurants oder kulturellen Angeboten in den polnischen Städten während der EM. User können sich dort ein eigenes Profil anlegen, je nachdem, wann sie zur EM fahren und die Spiele welcher Mannschaft sie vor allem verfolgen wollen. Ein ebenso hilfreiches Portal für Reisende ist Polish Pass, www.polishpass.org.

Stadtführung
Krzysztof Janczewski ist erreichbar über Tel. 00 48 / 6 04 48 06 34 oder per E-Mail: krzjan8@wp.pl

Anreise
Die Deutsche Bahn bietet einen Europa-Spezial-Preis nach Polen ab 39 Euro an,www.bahn.de oder www.polen.travel