Aktivisten des internationalen Netzwerks 'Anonymous' posieren in Berlin hinter ihren Guy-Fawkes-Masken. Foto: dapd

Wie sich die europäische Protestbewegung der Maske des Putschisten Guy Fawkes bedient.

Stuttgart - Proteste in Stuttgart, Athen, Madrid, London. Wo in Europa protestiert wird, taucht eine Maske auf. Als 2010 Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, verhaftet wurde, sahen wir die Larve zum ersten Mal: Demonstranten trugen die grinsende Fratze. In sozialen Netzwerken ist das Gesicht als Profilbild beliebt.

Die Vorgeschichte: Ein gewisser Guy Fawkes wollte im November 1605 als katholischer Offizier das britische Parlament im Palast von Westminster mitsamt dem König in die Luft jagen. Fawkes war ein Anarchist. Er hatte mehrere Fässer mit Schießpulver heimlich im Keller des Gebäudes in London deponiert. Doch der Anschlag des fundamentalistischen Katholiken im Söldnerdienst der spanischen Krone war nicht perfekt organisiert, Verrat spielte eine Rolle. Er scheiterte auch, weil seine rechtgläubigen Brüder nicht zu ihm standen, nachdem er im Tower unter der Folter seine Tatabsicht gestanden hatte. 1606 wurde Guy Fawkes in London öffentlich hingerichtet, seine Mitverschwörer durch Vierteilen und Ausweiden zu Tode gequält. Der Monarch, den er töten wollte, regierte weiter.

Eine absurde Geschichte. Denn Fawkes, 1570 in der Grafschaft Yorkshire geboren, konvertierte als 16-Jähriger zum Katholizismus und kämpfte ab 1593 unter Erzherzog Albrecht VII. von Österreich gegen die Protestanten. Das waren in jener Zeit die Reformer, die Fortschrittlichen, das Gute. Als begeisterter Konvertit schloss Fawkes davor die Augen. Sein Vorgehen gegen König Jakob I., Mitglieder des Parlaments und den Hochadel war allein der Tatsache zuzuschreiben, dass die englische Regierung und anglikanische Bischöfe Angehörige der Katholischen Kirche drangsalierten. Das wollte der gute Katholik nicht hinnehmen.

Das Ziel der Hacker

In England wird bis heute an jedem 5. November Bonfire Night gefeiert, Menschen laufen mit Fackeln durch Straßen, es gibt Feuerwerke, eine Fawkes-Puppe wird verbrannt. Der Name Guy Fawkes taucht unter den "100 wichtigsten Briten" auf. Auch in der Kunst ist er präsent. Der britische Comicautor Alan Moore erfand in den 80er Jahren, als die unsoziale Politik der erzkonservativen Premierministerin Margaret Thatcher den Zorn der Briten weckte, in "V wie Vendetta" einen anonymen Anarchisten, der als Einzelkämpfer den totalitären Staat mit Bomben bekämpft. Diese Figur trug eine Guy-Fawkes-Maske, und damit war der gute Katholik wieder da. Die Verfilmung von "V wie Vendetta" sorgte 2006 für die Popularisierung der Maske. Es gibt sie unter anderem bei Amazon.

Vor allem Internetkämpfer benützen sie. Sie ist das Erkennungszeichen der deutschen Splittergruppen des globalen Hacker-Kollektivs Anonymous. Dazu gehören Schüler, Studenten, Berufstätige und Arbeitslose, Beamte und Militärs. Sie knacken die Nutzerdaten von Parteien und Regierungen und können Konzerne lahmlegen. So drücken sie ihre Empörung darüber aus, dass die Regierungen sich nicht mehr den Problemen der Menschen widmen.

Im Juli 2011 veröffentlichte Anon Austria, die österreichische Filiale von Anonymous, mit der Maske von Guy Fawkes hochsensible Daten von über 700 Nutzern der regierenden Partei SPÖ. Aus Idealismus - Österreichs Parteien sind korrupt. Die Hacker verlangen, dass die Politiker sich zu dem System, das sie schufen, bekennen und dass sie es ändern. Der Softwarekrieg fand in der politikverdrossenen Bevölkerung mehr Zustimmung als Ablehnung. Das Ziel der Hacker ist: direkte Demokratie.