Anja Zivkovic bei einem ihrer Lehrgänge in der jordanischen Hauptstadt Amman. Foto: red/privat

Die ehemalige Zweitliga-Fußballerin Anja Zivkovic unterstützt fußballerische Entwicklungsländer im Frauen- und Mädchenfußball. Aktuell muss die für ihr Engagement ausgezeichnete Waiblingerin etwas kürzer treten.

Stuttgart - Ihr schönstes Erlebnis? Anja Zivkovic fällt eine Art weibliches Fußball-Festival im Stadion von Ramallah im Westjordanland ein. Auf dem Spielfeld jagten junge Spielerinnen zum Abschluss eines Fußballprojekts in Palästina voller Begeisterung dem Ball nach. Und von den voll besetzten Tribünen bekamen sie eine einzigartige Anfeuerung ebenfalls von Mädchen, die für diesen Tag extra schulfrei bekommen hatten. „Die Mädchen sind sehr eingeschränkt im Hinblick darauf, wie sich bewegen und was sie anziehen dürfen. Doch in diesem geschützten Raum konnten sie ihren Emotionen freien Lauf lassen, sie schrien, sie kreischten. Diese glücklichen Momente zu erleben war einfach toll “, sagt die Schwäbin mit den Wurzeln in Montenegro. Wenn sie am Telefon von der „der heilenden Kraft“ des Fußballs spricht, ist ihre Leidenschaft für ihr Engagement in jeden Satz zu spüren.

In über 50 Ländern

Bis die Corona-Pandemie das Leben veränderte, reiste die 44-Jährige im Namen des Mädchen- und Frauenfußballs um die Welt. Israel, Indien, Thailand, Moldawien, Litauen, Aserbaidschan, Namibia, Togo, Botswana, Indien, Südkorea, Jordanien – sie arbeitete im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), für den Europäischen Fußballverband (Uefa) oder für den Weltverband (Fifa) in über 50 fußballerischen Entwicklungsländern. Sie organisierte Lehrgänge, betreute Trainer-Ausbildungen, half bei der Organisation des Spielbetriebs. Immer ging es um die Weiterentwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs.

Wie sie dazu kam? „Die Welt und ihre Menschen, die verschiedenen Kulturen haben mich immer fasziniert. Als ich von solchen Auslandsprojekten erfuhr, habe ich mich beworben“, sagt die frühere Zweitliga-Spielerin des FV Löchgau, die damals noch unter ihrem Mädchennamen Palusevic am Ball war. Vor ihrem Einstieg musste sie aber erst noch die Trainer-B- und A-Lizenz erwerben. Dann nahm alles schnell Fahrt auf.

Zweite Liga beim FV Löchgau

Bis zum Höhepunkt vor zwei Jahren. Da erhielt die ehemalige Junioren-Nationalspielerin vom gemeinnützigen Verein „Deutscher Fußballbotschafter e.V.“ eine Auszeichnung für ihr Engagement: Sie wurde „Fußball-Botschafterin 2020“ – und damit Nachfolgerin von Kulttrainer Jürgen Klopp, der 2019 den Preis abräumte.

„Dass ich mit dem Fußball Spaß haben kann, war mir immer klar, dass ich damit auch noch Geld verdienen konnte, war ein Traum“, sagt Anja Zivkovic, die vor allem der Nahe Osten fasziniert: „Ich finde es einfach sehr mutig, wie die Frauen sich dort in ihrer Kultur durchsetzen und allen familiären und gesellschaftlichen Barrieren trotzen“, sagt sie.

Preisgeld ging nach Indien

Ganz besondere Erfahrung machte sie in Indien, in Alakhupra im Bundesstaat Haryana. Dorthin spendete sie auch ihr Preisgeld in Höhe von 5000 Euro. „Fast jedes Mädchen spielt dort Fußball, weil sich dieses Dorf ganz besonders für junge Spielerinnen einsetzt und sie fördert“, begründet sie ihre Wahl. Das passe eigentlich nicht zu der teils brutalen Diskriminierung, die in der Kultur und der Religion des Landes verankert sei: In Indien würden immer noch sehr viele weibliche Föten gezielt abgetrieben. „Söhne sind die Stammhalter. Die Mitgift für Mädchen ist so teuer, dass es Familien in den finanziellen Ruin treibt“, erklärt sie die Hintergründe der schrecklichen Praktiken.

Schulsozialarbeiterin in Waiblingen

Sich für Benachteiligte einzusetzen, darin sieht Anja Zivkovic ihre Berufung. Doch ihre hauptamtliche Tätigkeit ist derzeit unterbrochen. Neben der Pandemie ließ sie auch ihr inzwischen zweieinhalbjähriger Sohn Mateo kürzer treten. Die weltweit begehrte Ausbilderin arbeitet zwar weiter ehrenamtlich für die Fifa. So vermittelte sie eine Spielerin aus Indien nach Kanada, die dort nun auf einem hohen Niveau am Ball ist. „Ich versuche, auch wenn ich nicht mehr vor Ort bin, noch Dinge anzuschieben“, sagt das umtriebige Energiebündel. Derzeit unterstützt sie zudem im Rahmen eines Online-Mentorenprogramms eine Trainerin aus dem Irak.

Hauptberuflich unterrichtet die Diplom-Sozialpädagogin an der privaten Franz-König-Schule in Waiblingen. Dabei hat sie hauptsächlich mit Geflüchteten im Alter zwischen 16 und 23 Jahren zu tun, die ihren Schulabschluss nachholen wollen.

Fußball als Eisbrecher

Und auch bei dieser Arbeit helfen ihr ihre weltweiten Erfahrungen aus dem Sport: „In Unterhaltungen ist der Fußball oft der optimale Eisbrecher. Wenn ich einem Palästinenser dann noch erzähle, dass ich seine Heimat kenne, die noch nicht einmal er selbst gesehen hat, dann hilft das sehr.“