„Ich werde keine weiteren Kinder mehr bekommen können und körperliche Veränderungen durchmachen“, sagt Angelina Jolie (hier mit Ehemann Brad Pitt) Foto: Getty

Eierstockkrebs ist in Industrieländern keine sehr häufige Krebserkrankung – dies gilt aber nicht für erblich vorbelastete Brustkrebs-Patientinnen wie Angelina Jolie, warnen Experten.

New York/Heidelberg - Mit ihrer „persönlichen medizinischen Entscheidung“ hat Angelina Jolie wohl für mehr Furore gesorgt als mit irgendeinem ihrer Kinofilme. Ein Gentest hatte dem Hollywoodstar bescheinigt, dass sie mit fast 90-prozentiger Sicherheit an Brustkrebs erkranken würde. Ihre Mutter starb im Alter von 56 Jahren an der Krankheit. So hatte sie 2013 auch ihre Entscheidung begründet, sich beide Brüste abnehmen zu lassen: Sie will für ihre Kinder da sein. Nun folgte der zweite Schritt dieser radikalen Vorsorge: Sie habe sich Eierstöcke und Eileiter entfernen lassen, schrieb Jolie in einem Gastbeitrag für die „New York Times“, der am Dienstag online veröffentlicht wurde. „Ich hatte die Prozedur in der vergangenen Woche“, erklärte Jolie.

Was viele Laien irritiert, ist für Mediziner eine nachvollziehbare Konsequenz. Zwar gehört Eierstockkrebs mit 7800 Neuerkrankungen pro Jahr zu den eher selten auftretenden Tumorarten – nicht aber bei Frauen, die eine genetische Veranlagung für einen Brustkrebs haben. Trägerinnen der mutierten Gene BRCA1, BRCA2 oder RAD51C haben auch ein erhöhtes Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.

Fast drei Viertel der Frauen, bei denen ein mutiertes BRCA1-Gens nachgewiesen wurde, erkranken vor dem 70. Lebensjahr an Brustkrebs, 40 bis 50 Prozent an Eierstockkrebs. Es kann auch sein, dass man beide Krebsarten bekommt. Bei Trägerinnen des mutierten BRCA2-Gens ist das Risiko etwas geringer: Von 100 Betroffenen erkranken 45 bis 65 an Brustkrebs, 10 bis 20 entwickeln zudem auch einen Eierstockkrebs.

Bei Angelina Jolie lag das Risiko für Eierstockkrebs bei 50 Prozent. Sie habe daher schon länger mit dem Gedanken gespielt, sich nach den Brüsten auch Eierstöcke und Eileiter entfernen zu lassen, schrieb sie. Bei einem routinemäßigen Bluttest habe ihr Arzt vor zwei Wochen erhöhte Entzündungswerte festgestellt. Dies habe ein Anzeichen von Krebs sein können. Es sei zwar ein kleiner, harmloser Tumor in einem Eierstock gefunden worden, „aber es gab kein Anzeichen von Krebs im Gewebe“.

Für Tumore in den Eierstöcken gibt es keine Früherkennung

Nach wie vor gibt es keine wissenschaftliche Methode, die sicher vorhersagen kann, ob eine Frau mit hohem Risiko erkrankt oder nicht. Dennoch ist nach Expertenmeinung die Entscheidung Jolies, sich vorsorglich operieren zu lassen, richtig gewesen: „Für Frauen, die eine solche genetische Vorbelastung haben, wird auch in Deutschland eine Ovarienentfernung empfohlen“, sagt Weg-Remers. Diese Operation senkt nicht nur das Risiko für Eierstockkrebs. „Durch die Entfernung der Eierstöcke und Eileiter lässt sich auch das Risiko für Brustkrebs etwa um die Hälfte senken. Vermutlich steckt dahinter eine Absenkung der Hormonspiegel.“

Nach Angaben des Deutschen Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockkrebs gilt für die Entfernung der Eierstöcke als Faustregel das vierzigste Lebensjahr. Das vollendet Jolie am 4. Juni. Sind Familienangehörige schon in jüngeren Jahren an Eierstockkrebs erkrankt, sollte die Operation früher erfolgen. Für Tumore in den Eierstöcken gibt es keine Früherkennung. Die Krebsart verläuft bei vielen Frauen tödlich.

Grundsätzlich empfiehlt Weg-Remers vor einer solchen Operation eine sorgfältige Beratung in einem der deutschlandweit 15 Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs. „Ein solcher Eingriff ist – trotz medizinischer Sinnhaftigkeit – eine sehr persönliche Entscheidung.“ Nicht nur weil die Betroffenen nach der Entfernung der Eierstöcke keine Kinder mehr bekommen können. Es treten auch die Wechseljahre ein.

Diese Konsequenz ist Angelina Jolie sehr wohl bewusst: „Ich werde keine weiteren Kinder mehr bekommen können und körperliche Veränderungen durchmachen“, schrieb die sechsfache Mutter. „Aber ich bin entspannt. Nicht weil ich stark bin, sondern weil es ein Teil meines Lebens ist. Es ist nichts, wovor man sich fürchten muss.“