Andy Serkis als Schimpanse Caesar in „Planet der Affen – Revolution“ dreht Foto: 20th Century Fox Foto:  

Andy Serkis, Pionier der Performance Capture, der Bewegungserfassung im Computer, musste anfangs darum kämpfen, als Schauspieler ernst genommen zu werden – inzwischen ist die Übertragung menschlicher Gesten und Mimik auf digitale Figuren im Computer aus großen Hollywood-Filmen nicht mehr wegzudenken.

Stuttgart – Andy Serkis, Pionier der Performance Capture, der Bewegungserfassung im Computer, musste anfangs darum kämpfen, als Schauspieler ernst genommen zu werden – inzwischen ist die Übertragung menschlicher Gesten und Mimik auf digitale Figuren im Computer aus großen Hollywood-Filmen nicht mehr wegzudenken.
 
Mr. Serkis, wenn Sie zurückblicken: Wie sehr hat sich Ihr Metier verändert, seit Sie 2001 zum ersten Mal Gollum gespielt haben?
Die Technik hat sich enorm entwickelt, und die Akzeptanz in der Filmszene ist eine ganz andere. Damals habe ich am Set jede Szene auf 35 Millimeter mitgedreht und dann alles auf der Motion-Capture-Bühne noch einmal gemacht. Wir konnten noch keine Mimik aufzeichnen, die Animatoren haben versucht, das real gefilmte Gesicht auf die Figur zu übertragen. Bei „King Kong“ hatte ich erstmals Sensoren im Gesicht. Dann kam „Avatar“ mit mehreren Schauspielern in Performance-Capture-Rollen, und die virtuelle Produktion hat einen Quantensprung gemacht. „Planet der Affen“ war der erste Film, bei dem wir Performance Capture im Studio direkt am Set einsetzen konnten – wir mussten nicht mehr alles doppelt machen. Der aktuelle Film ist nun der erste, bei dem wir auch außen alles direkt drehen konnten.
Wie sehen Sie die Zukunft?
Bald werden wir ganz ohne Marker und Kameras an Gesicht und Körper auskommen. Dann wird es Live-Aufführungen geben, bei denen Tänzer oder Rockbands in Echtzeit auf eine Leinwand projiziert werden in Gestalt ihrer digitalen Avatare. An solchen Dingen experimentieren wir im Imaginarium, wir wollen Performance Capture weiterentwickeln. Und dabei geht es uns nicht um Technik, sondern darum, Kreaturen zu wahrhaftigem Leben zu erwecken.
Als Gollum und als Kong waren Sie allein, nun haben Sie eine große Affengemeinde um sich. Wie haben Sie deren Sozialstruktur gefunden?
Wir haben vorab viel geprobt in einer Art Affen-Camp, wie wir kommunizieren, mit Sprache, Lauten und Gesten. Viele Affen wie Maurice und Rocket waren ja schon im ersten Film. Letztlich war es wie jede Theaterprobe. Beim Dreh haben wir uns vor jeder Szene in Stimmung gebracht. Das muss man aufbauen, man wird nicht auf Knopfdruck zum Affen. Wenn die Kamera dann lief, waren wir voll drin in unseren Rollen.
Wenn Sie Caesar anschauen, sehen Sie dann einen Affen – oder sich selbst?
Ich sehe mich selbst. Natürlich in der Gestalt eines Affen, aber ich sehe alle meine Gesichtsausdrücke, Gedanken, Gefühle. Affen haben wie wir sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Man denkt zuerst, ein Schimpanse ist ein Schimpanse, aber wenn man Zeit mit ihnen verbringt, merkt man, dass sie ausgeprägte Individuen sind.
Für „King Kong“ waren Sie in Ruanda bei den Gorillas. Was haben Sie über Affen gelernt?
In den Bergen von Ruanda ruhen sie sehr in sich, haben ihren eigenen Rhythmus. Im Londoner Zoo, in Gefangenschaft, spiegeln sie menschliches Verhalten, ihre Ausdrucksformen und ihre Geschwindigkeit werden von Menschen bestimmt. Jane Goodall hat dazu viel geforscht. Und herausgefunden, dass diejenigen Schimpansen am aggressivsten waren, in deren Revier sich aggressive Rebellen versteckt hielten.
Wie verschaffen Sie sich ein Gefühl für Ihre jeweilige digitale Gestalt?
Ich probe vor dem Monitor. Es ist, als würde man in einen magischen Spiegel schauen. Wenn ich meine rechte Hand hebe, hebt Caesar seine rechte Hand. Ich verziehe das Gesicht und Caesar tut es auch. Beim Drehen geht das dann alles intuitiv.
Der Weltraumfilm „Gravity“ ist komplett im Computer entstanden, auch die Auftritte von Sandra Bullock und George Clooney wurden nachbearbeitet – wie weit darf man da gehen?
Ich sehe kein Problem, solange die Schauspieler einverstanden sind. Eine der größten cineastischen Leistungen dieses Jahres war die von Scarlett Johansson in „Her“, wo sie gar nicht zu sehen ist, sondern nur zu hören. John Hurt war als Elefantenmensch für den Oscar nominiert, obwohl er nicht zu erkennen war unter seiner Maske. Wir tun genau dasselbe, nur wird die Maske hinterher digital aufgelegt. Es geht nur darum, ob man ein Publikum berührt mit seiner Darbietung. Wenn das gelingt, spielt es aus meiner Sicht keine Rolle, wie man dahin gekommen ist.
Werden Sie wenigstens ein bisschen nostalgisch, wenn Sie die „Planet der Affen“-Reihe aus den späten 1960er Jahren sehen?
Die Maske war toll, wir lieben sie alle. Aber Kim Hunter, die damals dabei war, hat einmal gesagt: Wir konnten nichts anderes tun, als unsere Gesichter permanent in Bewegung halten, damit es so aussah, als hätte wir überhaupt eine Mimik. Ich bin froh, dass ich so nicht arbeiten muss, dass Gorillakostüme und dicke Masken Geschichte sind – ich kann mein Gesicht frei bewegen, Gedanken und Gefühle frei zum Ausdruck bringen.
Die Affen wirken stellenweise sehr menschlich – wo ist die Grenze zur Vermenschlichung?
Man muss eine sehr feine Balance finden. Im ersten Film gibt es Momente, in denen ich mit Caesar übertrieben habe. Natürlich ist die Reihe eine große Metapher, natürlich sagen wir: Die Affen sind wie wir. Vielleicht ist es menschliche Hybris, wenn wir Affen vermenschlichen. Andererseits: Je mehr wir über Tiere und die Natur wissen, desto mehr scheinen wir vom Tierreich wegzudriften, Tiere immer weniger zu respektieren. Vermenschlichung ist ein Weg, mit unserem animalischen Selbst Kontakt aufzunehmen, die Verbindung zu den Tieren zu suchen.
Wieso haben Sie Ihr Imaginarium in London angesiedelt und nicht in Hollywood?
London ist meine Heimat. Der Hauptgrund war aber, dass ich 2005 als Regisseur für das Computerspiel „Heavenly Sword – Ninja Theory“ angeheuert wurde und festgestellt habe, dass ich nirgends in Europa Performance Capture drehen konnte. Ich musste mit dem gesamten Team nach Neuseeland fliegen, wo wir den „Herrn der Ringe“ gedreht hatten, obwohl die Schauspieler alle Briten waren, die Hardware aus Oxford kam und die Software aus Cambridge. Das fand ich total verrückt. Das Imaginarium ist eine Art Labor und kein Dienstleistungsstudio. Wenn Kids zu uns kommen, um ihr Videospiel zu realisieren, bieten wir ihnen an, mit ihnen an den Figuren und am Skript zu arbeiten. Wir können die Figuren nach Belieben strecken oder quetschen, größer machen oder kleiner – wir haben unbegrenzt digitale Knetmasse zur Verfügung.
Affen sind ja menschenähnlich – nun arbeiten Sie an einer Realverfilmung des „Dschungelbuchs“ mit und wollen selbst „Animal Farm“ produzieren. Wie spielen Sie ein Schwein oder gar eine Schlange?
Wir haben ein Jahr lang an „Animal Farm“ gearbeitet und versucht, eine Methode zu finden, wie wir die Tiere zum Leben erwecken können, zuerst Vierbeiner wie Schweine, dann Hühner und Gänse und was es sonst so gibt auf dem Bauernhof. Dann hat sich Warner Bros. bei uns gemeldet wegen des „Dschungelbuchs“. Das machen wir jetzt zuerst, weil das Skript für „Animal Farm“ noch nicht ganz fertig ist. Jedes einzelne Tier in beiden Filmen wird von Menschen mittels Performance Capture dargestellt, bis hin zur Mimik. Die Animatoren machen daraus dann stimmige digitale Figuren.
Haben Sie eine Lieblingsrolle?
Ich fühle mich mit Gollum sehr verbunden, weil mit ihm diese Reise für mich begonnen hat, aber Caesar war eine viel größere Herausforderung. Gollum zu finden war nicht leicht, aber ihn zu spielen relativ einfach, weil er permanent redet und man immer weiß, was er gerade fühlt und denkt. Caesar ist viel subtiler und nuancierter.