Die TuS Metzingen und die SG BBM Bietigheim (beim Wurf Kim Naidzinavicius) treffen im Halbfinale aufeinander. Foto: Baumann

Auch der „Hexer“ kann nicht zaubern. Aber der Ligavorsitzende und Ex-Weltklasse-Torwart Andreas Thiel will die Professionalität und Attraktivität des Frauenhandballs vorantreiben. Was sind seine Ideen?

Stuttgart - Wahnsinnige Reflexe und vor allem mentale Stärke haben den früheren Weltklasse-Torwart Andreas Thiel (61) ausgezeichnet. Ab und an rutschte ihm während seiner aktiven Karriere mit seinem trockenen Humor auch mal ein Spruch über die Lippen: „Das Leben ist zu kurz, um sich mit Frauenhandball zu beschäftigen“ war so einer. Das war schon damals nicht böse gemeint. „Ich wollte damit ausdrücken, dass Frauenhandball eben ein ganz anderes Spiel ist als Männerhandball“, stellte er klar.

 

Seit 21 Jahren Torwarttrainer

Längst hat sich der einstige „Hexer“ im Tor des VfL Gummersbach und der Nationalmannschaft (256 Länderspiele) mit Haut und Haaren dem Frauenhandball verschrieben. Seit 21 Jahren trainiert er die Torhüterinnen des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen. Seit 2018 steht er als Vorstandsvorsitzender der Handball-Bundesliga Frauen an der Spitze der HBF, damit gehört er auch dem Präsidium des Deutschen Handballbundes (DHB) an. Beide Funktionen führen Thiel an diesem Wochenende nach Stuttgart. Denn im Rahmen des Olymp Final Four um den DHB-Pokal steht auch eine DHB-Präsidiumssitzung an.

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Für zwei Tage steht der Frauenhandball in der Porsche-Arena im Rampenlicht. Zwar geht das Endturnier vor leeren Rängen über die Bühne, aber die Rahmenbedingungen sind top, Halbfinale und Finale werden im Free-TV auf Sport 1 übertragen. „Das ist schon ein kleiner Meilenstein“, sagt Thiel. In der vergangenen Saison kamen gerade mal fünf Bundesliga-Spiele auf Eurosport live (wobei sich die Vereine an den Produktionskosten beteiligen mussten), ansonsten gibt es regelmäßige Liveerlebnisse nur im Internet auf Sportdeutschland.TV. „Und das ist was für Hardcorefans“, weiß auch Thiel.

Einheitlicher Hallenboden

Der Frauenhandball fristet hierzulande ein Schattendasein. Die wenigsten Spielerinnen in Deutschland können vom Handball leben. Andererseits ist der Trainingsaufwand gleich hoch wie bei den Männern. „Mit Halbprofis gewinnt man keine Medaillen“, pflegt Frauen-Bundestrainer Henk Groener zu sagen. In vielen Vereinen hapert es an der Professionalität. Auch der „Hexer“ kann nicht zaubern, doch Thiel kämpft dagegen an – mit Herzblut und Ideen. Im Zuge der Weiterentwicklungsstrategie stehen bereits Beschlüsse fest, die bis 2025 umgesetzt werden müssen: Vorgesehen ist, dass alle Bundesligisten auf einem einheitlichen Boden auf Torejagd gehen und auf beiden Hallenseiten Zuschauertribünen installiert sind.

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Thiel, im Hauptberuf Rechtsanwalt in Köln, macht in seinem Kampf um mehr Attraktivität und Aufmerksamkeit auch vor dem Modus nicht halt. „Ich bin für eine Reduzierung der Liga von 16 auf zwölf Clubs und die Einführung von Play-offs. Das ist eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne, bringt aber volle Hallen und jede Menge Spannung. Da müssen wir hinkommen“, sagt der fünfmalige deutsche Meister und schwärmt von den Play-off-Spielen mit dem VfL Gummersbach in den Jahren 1989 bis 1991: „Da ging es hoch her, und Überraschungen sorgten für das Salz in der Suppe.“ Die ersten acht der Tabelle sollten seiner Meinung nach in einem Best-of-three-Modus den Meister ausspielen.

Namensgeber für die Liga fehlt

Bei einem ersten Anlauf scheiterte sein Antrag, die Mehrheit der Bundesligisten senkte den Daumen. „Ich werde dranbleiben“, verspricht Thiel. Auch ein Namensgeber für die Liga wäre für ihn wünschenswert. Und dem Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1984 liegt auch das Frauennationalteam am Herzen, zumal es Strahlkraft auf die komplette Sportart hat: „Der Stellenwert steht und fällt mit der Nationalmannschaft, und unseres hat bei Turnieren leider nie Ergebnisse geliefert und sich auch nicht für Tokio qualifiziert.“ Thiel, der frühere „Hexer“, wird weiter für den Frauenhandball kämpfen – aber erst einmal das Final Four genießen, in dem seine Sportart endlich mal unter professionellen Rahmenbedingungen im Rampenlicht steht.

Info

Spielplan Die Halbfinalpaarungen lauten HSG Blomberg-Lippe – Handball-Luchse Buchholz 08-Rosengarten (Samstag, 12 Uhr) und TuS MetzingenSG BBM Bietigheim (Samstag, 14.30 Uhr). Das Finale beginnt am Sonntag um 17.15 Uhr. Alle Partien werden live im Free-TV auf Sport 1 übertragen.

Favoriten Titelverteidiger Thüringer HC fehlt beim Final Four genauso wie der deutsche Meister Borussia Dortmund. Deshalb geht die SG BBM Bietigheim, die noch nie in ihrer Vereinsgeschichte den DHB-Pokal gewonnen hat, als Favorit in die Spiele in der Porsche-Arena. „Wir nehmen die Rolle an, die hat sich der Verein erarbeitet“, sagt SG-Trainer Markus Gaugisch. Andreas Thiel, der Vorstandsvorsitzende der Handball-Bundesliga Frauen (HBF), hat den Bundesliga-Dritten HSG Blomberg-Lippe auf der Rechnung: „Sie spielen eine überragende Saison und sind mein Geheimfavorit.“