Powerfrau Andrea Petkovic ist heiß auf die Fedcup-Partie gegen Australien Foto: Getty

Das Ziel ist klar: Andrea Petkovic will an diesem Wochenende in Stuttgart das Fedcup-Halbfinale erreichen. Vor der Erstrundenpartie gegen Australien gibt die deutsche Nummer zwei noch einige Einblicke in ihr Seelenleben.

Stuttgart - Frau Petkovic, was haben Sie heute Morgen gefrühstückt?
Da muss ich überlegen: Birchermüesli mit Obst und Dinkelbrot. Warum fragen Sie das?
Weil es zuletzt hieß, Sie seien unter die Veganer gegangen.
Das stimmt nicht. Ich habe nur versucht, weniger Fleisch zu essen und meinen Konsum an Milchprodukten zu reduzieren. Eigentlich esse ich kaum noch rotes Fleisch.
Fehlt in Ihren als Tennisprofi bei dieser Art der Ernährung dann nicht ein wichtiger Eiweiß- und Eisenlieferant?
Gar nicht. 100 Gramm Brokkoli haben zum Beispiel elf Gramm Eiweiß, 100 Gramm Steak aber nur drei. Es kommt also darauf an, was man zu sich nimmt. Das mit dem Fleisch hat noch eine andere Bewandtnis. Es ist von seinem PH-Wert sauer, und dann ist mein Säure-Basen-Haushalt – vor allem wenn ich trainiere und die Muskulatur übersäuert – nicht mehr im Gleichgewicht.
Neuerdings gehören deshalb auch giftgrüne Smoothies zu Ihrem Speiseplan.
Ja, meine Physiotherapeutin Petra Winzenhöller, sie ist übrigens Veganerin, macht die für mich. Früher habe ich wie viele Profisportler Proteinshakes zu mir genommen, um die Regeneration voranzutreiben. Doch die sind oft chemisch und haben Zusätze. In den Smoothies sind dagegen nur natürliche Substanzen wie Spinat, Sojamilch, Datteln.
Das klingt nicht so lecker.
Kommt drauf an, manchmal kommt noch Agavensirup rein. Dann geht’s. Aber Sie haben schon recht, es ist kein Genussding. Doch mein Körper ist ein Sensibelchen. In den letzten Jahren bin ich deshalb sehr aufmerksam geworden, was meinen Körper anbelangt. Ich höre sehr stark in mich rein. Analysiere genau, wie viel Schmerzen im Training oder im Spiel noch normal sind oder ob ich dagegensteuern muss.
Eine Erkenntnis aus Ihren vielen Verletzungen?
Sicher, ich muss mich gutfühlen, um erfolgreich zu sein. Das gelingt mir nicht immer – in Australien zum Beispiel selten. Das liegt aber daran, dass ich mir drei Viertel meiner Verletzungen dort zugezogen habe. 2008 einen Kreuzbandriss, Ende 2011 einen Ermüdungsbruch im Rücken, 2013 einen Meniskusriss. Ich merke einfach, dass ich – sobald ich in Australien bin – ein ungutes Gefühl habe. Das hat sich bei mir eingebrannt, deswegen bin ich dann irgendwie gehemmter. Mittlerweile habe ich es aber im Griff.
Apropos Australien: An diesem Wochenende treffen Sie mit der deutschen Mannschaft im Fedcup-Erstrundenspiel auf das Team aus Down Under. Wie sehen Sie die Chancen auf einen Sieg?
Unsere Teamchefin Barbara Rittner hat gesagt, dass wir in der leichten Favoritenrolle sind. Das sehe ich ähnlich. Allerdings haben die Australierinnen in Samantha Stosur eine – ich möchte mal sagen – eventabhängige Spielerin. Wenn sie ihre zwei, drei Tage erwischt, an denen sie unglaublich spielt, holt sie zwei Punkte. Einfach wird es für uns nicht.
Zumal das Team mit nicht so guten Voraussetzungen nach Stuttgart kommt.
Ja, aber dass in Angelique Kerber, Sabine Lisicki und mir die drei besten deutschen Spielerinnen bei den Australian Open in der ersten Runde ausgeschieden sind, war ein blöder Zufall. Mehr nicht. Ich habe das schon längst aufgearbeitet, bin gleich wieder auf den Trainingsplatz gegangen und habe an meinen Fehlern gearbeitet. Und jetzt merke ich schon, wie ich wieder in den Rhythmus finde. Das wird bei den anderen beiden ähnlich sein. Außerdem bin ich auch glücklich, dass ich wieder eine Fedcup-Woche mit den Mädels verbringen kann. Das ist immer eine willkommene Abwechslung.
Was bedeutet Glück noch für Sie?
Etwas ganz Banales: Wenn ich zum Beispiel wie vergangene Woche mit meiner zwei Jahre jüngeren Schwester Anja bei uns zu Hause in Darmstadt Trash-TV gucke und wir uns dann darüber lustig machen, ist das herrlich.
Was haben Sie denn angeschaut?
„Der Bachelor“ auf RTL. Eine Sendung, die ich alleine nie schauen würde, aber zusammen mit meiner Schwester oder mit Leuten, die ich gut kenne, geht das. Da kann ich mich schlapp lachen.
Sie haben sich selbst mal als „Gute-Laune-Monster“ beschrieben. Doch es gibt auch die andere Andrea Petkovic: Im Herbst hatten Sie bei einer Pressekonferenz in Luxemburg einen Weinkrampf.
Das war eine Phase, in der ich mental extreme Schwierigkeiten hatte. Das hatte viele Gründe. Vielleicht war es am Ende einer anstrengenden Saison mit dem Fedcup-Finale gegen Tschechien vor Augen sowie privaten Sachen einfach zu viel. Der Fedcup war in dem Sinne wie ein Katalysator. Ich habe gemerkt, dass es mir nicht gutgeht, und ich wusste, dass ich in Prag 14 Tage später aber in Topform sein sollte. Das hat meinen Stress noch erhöht.
Haben Sie sich für Ihre Tränen geschämt?
So würde ich das nicht sagen. Im Nachhinein hätte ich lieber wie eine Woche zuvor beim WTA-Turnier in Linz eine Strafe bezahlt und wäre in Luxemburg ebenfalls nicht zur Pressekonferenz erschienen. Ich hatte mich ja danach drei Tage abgeschottet, und als ich dann erstmals wieder in den Supermarkt gegangen bin, haben mich die Leute angesprochen, mir alles Gute gewünscht und gesagt: „Hoffentlich wird’s wieder gut!“ Da habe ich erst wirklich mitgekriegt, welche hohen Wellen das geschlagen hatte.
Das zeigt aber auch, dass das öffentliche Interesse in den vergangenen vier Jahren am Damentennis und an Ihrer Person stark gestiegen ist. Haben Sie sich mal eine Strategie zurechtgelegt, wie Sie in der Öffentlichkeit auftreten?
Nein. Ich habe aber alles versucht. Ich bin mal mit vorgemusterten Antworten in Pressekonferenzen gegangen, um nichts preiszugeben. Aber dabei habe ich mich nicht wohlgefühlt. Es geht mir am besten, wenn ich das sage, was ich denke. Und wenn ich über manche Dinge nicht sprechen will, versuche ich sie galant zu umschiffen. Grundsätzlich habe ich ja auch nicht so viel zu verstecken. Ich teile meine Emotionen, um den Leuten klarzumachen, was uns Sportler bewegt.
Wie weh tut es dann, dass das Fedcup-Duell an diesem Wochenende nur auf dem Spartensender Sat.1 Gold und nicht wie das Finale in Prag auf Sat.1 übertragen wird?
(Lacht) Es ist doch Gold, was will man denn mehr? Aber Spaß beiseite: Wir dürfen uns nicht über die mediale Aufmerksamkeit beklagen. Man darf nicht vergessen, dass Boris Becker und Steffi Graf das Tennis in Deutschland auf ein nie da gewesenes Niveau gehoben haben. Das ist für uns unglaublich schwer zu toppen, deshalb sind wir über jeden kleinen Schritt froh, den wir gehen. Wenn wir da dranbleiben, wird es auch für die TV-Sender interessanter. Denn ich glaube, dass Sportarten immer abhängig vom Erfolg sind.
Viele Tennisprofis werden nach ihrer Karriere Trainer, Fernsehexperte oder sind einfach nur Privatiers. Haben Sie schon einen Plan?
Ich will erst mal fünf Jahre nichts mit Tennis zu tun haben. Und ich habe vor, mich mehr für meine Charity-Stiftung „Du musst kämpfen“ einzusetzen. Ich will etwas zurückgeben, denn seit zehn Jahren dreht sich auf der Tour ja alles um mich. Und ich würde gerne noch mal ein Studium aufnehmen.
Welche Richtung?
Biologie (lacht). Das kann sich bei mir aber in drei Wochen ändern. So was geht immer ganz schnell bei mir.
Sie studieren doch schon Philosophie und Literaturwissenschaften im Fernstudium.
Ja, aber es läuft schlecht. Denn die Klausuren sind immer in der ersten Woche der US  Open, das ist mein Problem: Ich lese zwar die Materialien und Bücher, aber weil ich ja kein Ziel habe, schaffe ich es nicht.
Noch mal zurück zum Tennis: Der ehemalige Weltranglistenerste Mats Wilander hat kürzlich gesagt, dass er keiner deutschen Spielerin einen Grand-Slam-Titel zutraut. Ärgert Sie das?
Wenn es jemand anderes sagen würde, würde es mich stören. Bei ihm aber nicht. Denn er hat ja auch vor acht Jahren gesagt, dass Novak Djokovic nie die Nummer eins der Welt werden würde. Und jetzt ist er es. Mats hat also nicht recht behalten: Und wenn ich mir das so überlege, ist seine Aussage vielleicht ja auch ein gutes Omen.