Der Ukraine-Krieg hat die Heizkosten in Deutschland auf ein ganz neues Niveau gehoben. Das zeigt eine Auswertung von einer Viertelmillion Abrechnungen. Auffällig ist auch die Preisentwicklung bei der Fernwärme.
Die Verwerfungen infolge des Ukraine-Kriegs haben die Heizkosten in Deutschland je nach Energieträger um bis zu 80 Prozent teurer gemacht. 2023 sinken die Werte nicht einmal ansatzweise auf das alte Vorkriegsniveau. Das ergibt eine Auswertung von 250 000 Heizkostenabrechnungen durch CO2online, einen gemeinnützigen Anbieter für Energieberatung.
Laut dem am Dienstag veröffentlichten „Heizspiegel“ werden die Heizkosten für eine 70-Quadratmeter-Wohnung im laufenden Jahr noch zwischen 16 und 60 Prozent über denen im Jahr 2021 liegen. Am geringsten fällt das Preisplus bei Fernwärme, Wärmepumpe und Heizöl aus, am stärksten bei Holzpellets und Erdgas. Für die 70-Quadratmeter-Wohnung bedeute das Mehrkosten von 150 bis 490 Euro im Jahr, rechnet CO2online vor. „Die Heizkosten sind im vergangenen Jahr für die Mehrheit der Verbraucher enorm gestiegen“, sagt die Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, Melanie Weber-Moritz. Wegen der anhaltend hohen Kosten lohne sich „jede Einsparung mehr denn je“.
Analysen zur Entwicklung der Heizkosten betrachten vielfach nur Neukunden- oder Grundversorgertarife. Wie viel die Kunden tatsächlich bezahlen, wird nirgends zentral erfasst. Die „Heizspiegel“-Daten beruhen dagegen auf realen Abrechnungen. Sie zeigen auch, dass bei Gebäuden mit Baujahr nach 2001 die Heizkosten halb so hoch sind wie in vor 1977 errichteten Gebäuden. Haushalte in solchen Häusern „können kaum gegen den hohen Energieverbrauch angehen“, sagt ein Sprecher von Co2online. Neben sparsamem Verbrauch seien Investitionen in Heizung und Dämmung wichtig.
Preisprognose: 13 Cent je kWh Gas
Jeder zweite Haushalt in Deutschland heizt derzeit mit Gas. Co2online geht davon aus, dass der mittlere Gaspreis für Endkunden dieses Jahr bei rund 13 Cent je Kilowattstunde (kWh) liegt. Der Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechnet mit rund 14 Cent. Das ist deutlich mehr als jene neun Cent, die laut dem Vergleichsportal Verivox derzeit bei Neukundentarifen verlangt werden. Der Grund ist, dass nicht alle Verbraucher kurzfristig in einen günstigen Tarif wechseln.
Selbst wenn alle Kunden das täten, würden sie deutlich mehr bezahlen als vor der Energiekrise. Vor zwei Jahren lag der mittlere Neukundenpreis noch bei fünf bis sechs Cent je kWh. Auch die Börsenpreise lassen keine Entspannung erwarten: Laut Angaben der Leipziger Börse Energy Exchange kostet kurzfristig verfügbares Erdgas im Einkauf derzeit mehr als doppelt so viel wie noch im März 2021.
Genug gespart?
Die anhaltend hohen Preise dürften dazu führen, dass die Haushalte auch im Winter 2023/24 sparsam mit Energie umgehen werden. Vergangene Woche hatte eine Befragung der Beratungsfirma PwC gezeigt, dass vor allem finanzielle Anreize zu einem verringerten Verbrauch führen – und zu Investitionen in die Gebäudesubstanz.
Tatsächlich liegt der Gasverbrauch in Deutschland im laufenden Jahr rund 17 Prozent unter dem Mittel der vier Jahre vor dem Ukraine-Krieg – obwohl die Preisbremse der Bundesregierung die Haushalte finanziell entlastet und damit auch den Spardruck gemindert hat. Außerdem half der milde Winter, den Verbrauch zu drücken.
Darauf kann man wieder hoffen, damit rechnen sollte man nicht. Die Gasmangellage ist aktuell zwar kein Thema, und die deutschen Gasspeicher sind mit 95 Prozent Füllstand aktuell voller als vor einem Jahr. Weiter sinkende Preise sind dennoch nicht in Sicht. Zum Jahreswechsel steigt die Mehrwertsteuer auf Erdgas wieder auf den alten Satz von 19 Prozent; Heizöl ist um gut die Hälfte teurer als vor zwei Jahren. Hinzu kommt der CO2-Preis für fossile Energieträger, der kurzfristig aber recht schwach wirkt: Verglichen mit 2021 verteuert er übernächstes Jahr das Heizen eines typischen Einfamilienhauses um rund 100 Euro jährlich.
Fernwärme wird auch 2023 teurer
Ein politisches Signal geht auch von den Preisen für Fernwärme aus. Sie sind die einzigen, die laut Prognose von Co2online auch 2023 steigen. Heizen mit Fernwärme ist demnach ähnlich teuer wie mit einer vielfach klimaschädlicheren Ölheizung. Wie attraktiv ist diese Heizform, der in verdichteten Innenstädten die Zukunft gehören soll?
„Mit Ausnahme 2022 ist Fernwärme für Verbraucher stets die teuerste Energiequelle gewesen“, sagt der Co2online-Sprecher. Zu den Gründen zählten eine undurchsichtige Zusammensetzung der Preise, die meist zu hohe Anschlussleistung und die monopolartige Stellung der Anbieter. Eine Alternative sei diese Heizform nur, wenn sie mit erneuerbaren Energien betrieben werde. Dann würde anders als bei Öl und Gas auch kein CO2-Preis fällig, was die Preise zumindest im Vergleich zu den fossilen Energieträgern attraktiver machen könnte.