Das Amtsgericht hat eine Bewährungsstrafe ausgesprochen. Foto: Pascal Thiel

Ein 28-jähriger Mann wird zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, weil er die Notsituation einer Frau ausgenutzt hat.

Waiblingen - Offenkundig an die Falsche geraten ist ein 28 Jahre alter Mann, der einer 39-jährigen Frau beim Backnanger Bahnhof die Handtasche stehlen wollte. Die Überfallene wehrte sich heftig und verfolgte dann den Täter. Der konnte zwar entkommen, ließ aber die Handtasche der Frau zurück. Weil er zudem seine Jacke am Tatort vergaß und DNA-Spuren hinterließ, konnte der bereits wegen Diebstahls und Körperverletzung Vorbestrafte entlarvt werden. Nun hat er sich wegen Raubes vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Backnang verantworten müssen.

Täter will mit Opfer „anbandeln“

In mehrerlei Hinsicht war es am Tatabend für das Opfer und den Täter dumm gelaufen: Die 39-jährige Frau, die aus dem Kosovo stammt, war am 14. August 2014 gerade erst in Stuttgart angekommen und wollte mit ihrem Koffer nach Ludwigsburg reisen. Weil sie eine falsche Auskunft erhalten hatte, landete sie in der S-Bahn nach Backnang, irrte ziemlich orientierungslos herum und sprach schließlich den Täter an – mit der Bitte, ob er ihr nicht den Weg zurück zum Bahnhof zeigen könne.

Der heute 28-Jährige war einverstanden und trug der Gestrandeten den Koffer, überlegte es sich auf dem Weg zum Bahnhof dann aber anders. Der Mann habe wohl versucht „mit dem Opfer anzubändeln“, so formulierte es der Staatsanwalt. Nach den Schilderungen der 39-Jährigen stellte der Mann den Koffer nach einer kurzen Wegstrecke plötzlich ab und teilte ihr mit, es fahre an diesem Abend keine S-Bahn mehr. Seine Idee, stattdessen den Abend gemeinsam zu verbringen, kam nicht gut an.

Die Frau forderte ihren Koffer zurück – vergeblich – und musste dann erleben, wie der Beschuldigte begann, an der Handtasche zu zerren, die über ihrer Schulter hing. Die Frau verteidigte ihre Tasche vehement, der Räuber aber ließ nicht locker, bis sein Opfer das Gleichgewicht verlor und einige Stufen einer Treppe hinunterfiel. Als die Frau ihre Tasche selbst dann nicht losließ, nachdem sie zu Boden gegangen war, zerrte der Beschuldigte sie noch ein Stück weit hinter sich her, wobei die Frau Schürfwunden an den Händen und Knien erlitt.

Raub hat sich „entwickelt“

Als zwei Männer der Überfallenen zu Hilfe kamen, ergriff der 28-Jährige die Flucht. Er legte gleich zu Beginn der Verhandlung ein Geständnis ab, gab jedoch an, er könne sich kaum noch an den Vorfall erinnern, da er zuvor eine Flasche Wodka getrunken habe. „Mein Mandant bedauert sein schlechtes Verhalten, er weiß nicht, warum er die Tasche genommen hat“, sagte die Verteidigerin. Er sei zum Zeitpunkt der Tat in einer schwierigen Situation gewesen, habe viel getrunken, sei ohne Job gewesen und habe ein strukturloses Leben geführt. Inzwischen aber habe er einen festen Job und trinke keinen Alkohol mehr: „Er hat sich gefangen.“ Auch habe der Beschuldigte, so argumentierte die Anwältin, nicht von Anfang an geplant, die Frau zu überfallen, sondern „da hat sich was entwickelt“.

Der Staatsanwalt wertete das Geständnis des Angeklagten und dessen Werdegang in der Zeit seit dem Vorfall positiv, betonte aber auch, dass er die Notsituation seines Opfers ausgenutzt habe. Dass die Frau noch immer unter der Tat leide, zeige ihre emotionale Aussage. Er forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle.

Das Schöffengericht verurteilte den 28-Jährigen wegen Raubes zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Zudem muss er 1200 Euro an die Staatskasse abstottern. Was passiert, wenn der Mann dieser Auflage nicht nachkommt oder sich während der Bewährungszeit etwas zuschulden kommen lässt, verdeutlichte der Richter mit zwei Worten: „Dann scheppert’s.“