Die Ammertalbahn feiert ein Doppeljubiläum. Vor 100 Jahren ging der erste Abschnitt der Strecke Herrenberg-Tübingen in Betrieb, und vor zehn Jahren wurde sie reaktiviert.

HERRENBERG/TÜBINGEN. Die Ammertalbahn feiert ein Doppeljubiläum. Vor 100 Jahren ging der erste Abschnitt der Strecke Herrenberg-Tübingen in Betrieb, und vor zehn Jahren wurde sie nach zwischenzeitlichem Stillstand reaktiviert. Eine Erfolgsgeschichte, die freilich ihre Tücken hat und zudem zur Legendenbildung neigt.

Die Ammertalbahn ist ausgelastet, die Ammertalbahn wird vom Erfolg überrollt. Solche Schlagzeilen waren zuletzt zu lesen. Garniert mit Zahlen wie diesen: 700 Fahrgäste am Tag wurden prognostiziert, fast 8000 sind es heute. Letztere ist richtig, doch die erste kann nicht stimmen. Für 700 Zugfahrer wären niemals gut 18 Millionen Euro für den Wiederaufbau der 21 Kilometer langen Strecken ausgegeben worden. Andreas Wiedmann, der Verkehrsdezernent im Böblinger Landratsamt, ahnt, wo die Zahl herkommt. Aus einer Untersuchung von 1991 für den "Rumpfbetrieb Tübingen bis Entringen".

Tatsächlich wurden zum Start der neuen Ammertalbahn am 1. August 1999 ganz andere Erwartungen geäußert. Etwa 11 000 Fahrgäste am Tag, hieß es damals in offiziellen Mitteilungen für Journalisten. Dieter Braun, der Leiter der Verkehrsbetriebe im Tübinger Landratsamt und Geschäftsführer des Zweckverbands ÖPNV Ammertal, ist überrascht. Er ist erst später dazugestoßen, er hat von dieser Zahl noch nichts gehört. Seine Recherchen ergeben: 10 800 und 11 200 tauchen in Gutachten des gesamten öffentlichen Nahverkehrs in diesem Bereich auf, also inklusive der Busse.

Sei's drum. Fest steht, dass in der Ammertalbahn Ende 1999 am Tag 5150 Fahrgäste gezählt wurden, es Jahr für Jahr mehr wurden und dass die Züge mit heute rund 8000 ausgelastet, teils sogar überlastet sind. 24 Minuten sind für die Fahrt kalkuliert, doch in Spitzenzeiten, im Berufs- und Schülerverkehr, wird es im 30-Minuten-Takt eng. Das führt dazu, dass Pendler in Herrenberg die S-Bahn Richtung Stuttgart verpassen. Kommt es auf dem Heimweg im S-Bahn-Netz zu Verzögerungen, stehen sie sich im Herrenberger Bahnhof die Füße in den Bauch.

Das Problem ist längst erkannt: "Wir müssen die Anbindung in Herrenberg sicherer machen", sagt Braun. Untersucht werden soll unter anderem, ob ein Umstieg von Dieselfahrzeugen auf schnellere Elektrozüge sinnvoll ist. Auch ein zweispuriger Ausbau bei Entringen auf etwa drei Kilometer Länge ist laut Braun ein Thema.

Der offizielle Akt des Doppeljubiläums der Ammertalbahn findet an diesem Samstag, 11. Juli, auf dem Bahnhof Entringen statt. Er beginnt um 11.30 Uhr mit Reden der Landräte Joachim Walter (Tübingen) und Roland Bernhard (Böblingen). Ein Festzelt ist aufgebaut und bewirtschaftet. Der örtliche Musikverein sorgt für Unterhaltung, für Kinder gibt es Spielangebote. Vorgestellt wird auch ein neues Buch zur Bahngeschichte.Besucher von außerhalb reisen am besten mit der Ammertalbahn an. Die Fahrten sind an diesem Tag auf der gesamten Strecke kostenlos. Der Zweckverband ÖPNV Ammertal kündigt an, mehr Fahrzeuge als sonst einzusetzen. Es gilt der übliche Fahrplan, doch zwischen 17 und 19 Uhr fahren die Züge wie werktags im Halbstundentakt.

Gefeiert wird auch am Bahnhof in Herrenberg. Nach Mitteilung der Stadt gibt es dort Essen und Trinken ab 10.30 Uhr. Mehrere Infostände sind aufgebaut.

Im Foyer des Landratsamts Tübingen ist ab 13.30 Uhr die Ausstellung "angeLoKT" geöffnet. Sie informiert über 100 Jahre Ammertalbahn. Der Modelleisenbahnclub Tübingen präsentiert die Bahn und ihre Landschaft als 20 Meter große Modellanlage.