Ammerbuchs Bürgermeister hält die einzige weiterführende Schule für verzichtbar.

Ammerbuch - Viele Gemeinden im Land wollen ihre Hauptschulen um jeden Preis erhalten. Anders in Ammerbuch. Seit einigen Wochen fürchten Lehrer, Eltern und Schüler, dass der Bürgermeister ihre preisgekrönte Werkrealschule aufgeben will.

Auf eine Grund- und Werkrealschule wie die im Ammerbucher Ortsteil Altingen wären viele Bürgermeister stolz. 2008 erhielt die Schule den mit 25000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis, davor und danach gab es weitere Auszeichnungen. Doch derzeit bangen Lehrer, Eltern und Schüler um die Zukunft der Werkrealschule - die einzige weiterführende Schule in Ammerbuch.

Anlass für ihre Sorge ist eine Aussage ihres Bürgermeisters im Gemeinderat. Bei einer Sitzung im Mai hatte Friedrich von Ow-Wachendorf erklärt, dass man angesichts der Schülerzahlen und der knappen Finanzen auch darüber nachdenken könnte, ob es sinnvoll sei, die Schule aufrechtzuerhalten. Die Gemeinde wolle sich in den nächsten Jahren auf die Betreuung und Bildung der Null- bis Zehnjährigen konzentrieren. Ältere Schüler könnten ja notfalls auch mit Bus oder Bahn in umliegende Gemeinden wie Tübingen, Rottenburg oder Herrenberg fahren - wie es für die Realschüler und Gymnasiasten selbstverständlich ist. Seitdem ist der Friede in Ammerbuch gestört.

Der Bürgermeister fühlt sich falsch verstanden. Das seien rein hypothetische Überlegungen gewesen, sagte von Ow-Wachendorf auf Anfrage unserer Zeitung. Er stehe jedoch vor schwierigen Entscheidungen. In den nächsten zehn Jahren stünden in der 11400-Einwohner-Gemeinde mit ihren sechs Ortsteilen jährlich 100 bis 120 Viertklässler vor dem Übergang in eine weiterführende Schule. Derzeit wechselten mehr als die Hälfte der Grundschüler in ein Gymnasium, nur knapp 20 Prozent besuchten die Hauptschule beziehungsweise Werkrealschule, das entspreche im Schnitt 22 Kindern. Damit sei die Altinger Schule auf Dauer zu klein, so der Bürgermeister.

Hohe Schülerzahlen

In diesem und im nächsten Schuljahr liegen die Schülerzahlen allerdings deutlich höher, so dass zwei Klassen pro Jahrgang gebildet werden können. Denn auch auswärtige Schüler kommen nach Altingen. "Unser Konzept überzeugt viele Eltern", sagt Schulleiter Ulrich Scheufele. Der Wechsel von Frontal- und Projektunterricht, individuelle Förderung, Berufsorientierung zum Beispiel durch die Schülerfirma gehören seit langem zum Angebot der Hauptschule, die im vergangenen Jahr vom Kultusministerium als neue Werkrealschule genehmigt wurde. Damit müssen die Schüler nach der neunten Klasse nicht mehr an eine andere Werkrealschule oder an eine zweijährige Berufsfachschule wechseln. Das Lehrerkollegium und die Eltern haben klare Vorstellungen, wie sie ihre Schule weiterentwickeln und auch für mögliche Realschüler attraktiv machen können.

Die könnten aber nur umgesetzt werden, wenn die Schule auf Dauer zweizügig bleibe, sagte Scheufelen. "An Interessenten mangelt es nicht, aber an den entsprechenden Räumen." Ein erster Schritt wäre der Ausbau zur Ganztagsschule. "Es käme vielen Eltern entgegen, wenn die Kinder über Mittag in der Schule blieben und ihre Hausaufgaben erledigt hätten, wenn sie nach Hause kommen", sagt die Elternbeiratsvorsitzende Manuela Sailer. Doch seit Jahren würden Investitionen hinausgeschoben. Nötig seien zusätzliche Fachräume und Aufenthaltsräume, in denen die Schüler auch essen können. Aus Stuttgart bekämen die Altinger vermutlich schnell grünes Licht für eine Ganztagsschule. Vor einer Woche hat Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) der Musterschule kurzfristig einen Besuch abgestattet und das Konzept gelobt - als Vorbild für die von der grün-roten Landesregierung angestrebte Gemeinschaftsschule. Die Einladung durch den Elternbeirat tags zuvor lehnte der Bürgermeister ab. Er habe einen unaufschiebbaren Termin gehabt, sagte von Ow-Wachendorf. Von der Verwaltung habe niemand teilgenommen, weil "das Ministerium den Besuch nicht mit uns abgesprochen hat".

Am Montag will der Bürgermeister mit dem Gemeinderat noch einmal über die Schulsituation und die finanzielle Lage der Kommune sprechen. Außerdem will er sich bald mit der Schulleitung und der Schulverwaltung zusammensetzen. "Wir hoffen, dass sich Bürgermeister und Gemeinderat klar zu unserer Schule bekennen", sagt Elternbeirätin Sailer. "Wir wollen endlich wissen, woran wir sind."