Ein Blick in den Kinosaal von damals. Foto: privat

Noch sind die Tage des alten Marbacher Kinos nicht gezählt – jetzt wird es erst einmal Corona-Testzentrum.

Marbach - Kino, Supermarkt, Drogerie, Kulturstätte, Beinahe-Parkhaus . . . und nun Corona-Testzentrum. Was hat das alte Kino in Marbach nicht schon alles erlebt. Ein – sicher nicht vollständiger – Rückblick:

1955 Das Gebäude Güntterstraße 6 wird gebaut, Architekt ist August Offergeld. Im früheren Gasthaus Krone nebenan hatten zuvor schon Filmvorführungen stattgefunden. Die Kammer-Lichtspiele waren ein Besuchermagnet. Betreiber war jeweils Werner Feigion, der auch die Krone leitete. Das neue Kino – die Oase Lichtspiele – wird bei der Eröffnung Ende 1956 freudig begrüßt: Werner Feigion habe „nicht nur sich, sondern auch der Bevölkerung Marbachs und seines Hinterlandes eine wirkliche Weihnachtsfreude bereitet“. Das Bewegtbild sei ein „kulturelles Instrument geworden, welche der ganzen Menschheit eine umwälzende Neuerung von allergrößter Bedeutung brachte“. Wert legte der Laudator darauf, dass der Betreiber, „solche Filme zeigt, die von besonderem Wert sind und die geeignet sind, dem Beschauer in seiner sittlichen und ethischen Weltanschauung Förderungen zuteil werden zu lassen, die er auf eine bequemere und einfacher Art sonst nicht zu erwerben in der Lage ist“. Das Kino möge „eine Oase der Bildung, der Erholung und des Wissens sein“.

„Bedeutende Einrichtung“

1969 Am 8. April wird in der Oase der letzte Film gezeigt. Das Kino schließt. Jörg Mühlemeier, der Enkel des Architekts, vermutet heute, dass schlicht der Bedarf nicht mehr so groß war. Viele hatten nun einen eigenen Fernseher. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Einrichtung in der Güntterstraße aber eine „bedeutende Einrichtung“ gewesen. „Wann man ins Kino ist, dann in die Oase.“ Er selbst habe etwa die Winnetou-Filme dort gesehen. Auch der Sohn des Betreibers, Bernd Feigion, kann sich noch gut erinnern. „Hinten, ganz oben war die Loge mit drei Sitzreihen“, berichtet er. Die Familie Feigion zog Anfang der 1960er Jahre allerdings weg, der Filmvorführer übernahm die Oase.

Eine der Platzanweiserinnen war die inzwischen verstorbene Marbacherin Hedi Döhner. Freitags habe es immer eine Spätvorstellung gegeben, erinnerte sie sich vor einigen Jahren. Mittwochs wurden immer die 300 hölzernen Sessel abgestaubt. „Dabei haben wir oftmals Feuerzeuge und Gebisse gefunden, die die Leute verloren haben.“ 1970 Das Kino in der Güntterstraße 6 ist zu und wird neu genutzt: Zunächst als Supermarkt, später zieht die Drogerie Schlecker dort ein. Es folgt ein langer Leerstand.

Die Wiederbelebung des Kinos gestaltete sich schwierig

2006 „Im alten Kino sollen die Lichter wieder angehen“ titelt die Marbacher Zeitung am 14.  Februar. Ein Arbeitskreis um Dieter Marcello entwickelt Pläne, um in der Oase wieder Filme zeigen zu können. Die Initiative Kino, Kunst und Kultur im Centrum wird gegründet. 38 Jahre nach dem letzten Film im Marbacher Kino läuft im Juli erstmals wieder ein Streifen – bei der Mitgliederversammlung der Initiative. Allerdings gestaltet sich die Wiederbelebung des Kinos schwieriger als erwartet. Letztlich scheitert das Projekt. 2012 meldet der Kinoverein Insolvenz an.

2015 Die Stadt Marbach kauft das Gebäude in der Güntterstraße 6. Damals ist im Gespräch, dort ein Kulturzentrum zu erreichten – oder auch Parkplätze. 60 Stück könnten auf zwei Ebenen entstehen, heißt es damals. Die Parkplätze blieben weiter Thema, auch ein multifunktionales Gebäude an der Stelle kommt ins Spiel.

Zwischenzeitlich wird die ehemalige Oase für verschiedene Kulturprojekte interimsweise genutzt. Schüler nutzen es beispielsweise für verschiedene Kunstprojekte und auch die Nachtschicht Kunst macht im alten Kino Jahr für Jahr Station.

2019 Die Diskussion, was mit dem Gebäude geschehen soll, geht weiter. Ein Abriss des Kinos zugunsten von Parkplätzen scheint zunächst wahrscheinlich. Letztlich wird der Abriss aber erst einmal ausgebremst. Die zulässige Nutzung soll geprüft werden und wird es aktuell noch.

2021 Am 6. September eröffnet das Corona-Testzentrum im alten Kino. Wie lang es dort bleibt? „Wir müssen auf Sicht fahren“, sagt der Bürgermeister Jan Trost. Was danach letztendlich mit dem Gebäude geschehe, müsse noch entschieden werden.