Die Flakhelfer vor dem Eingang der Filderschule mit Rolf Armbruster (hinten vor Türmitte), Werner Fuchs (ganz rechts) und Artur Stark (erste Reihe, Vierter von links). Foto: privat

Der Bildhauer Markus Wolf hat zwei Denkmäler geschaffen, die auf dem Alten Friedhof in Stuttgart-Degerloch an den sinnlosen Tod zweier damals 15-jähriger Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg erinnern sollen.

Degerloch - Werner Fuchs und Artur Stark sind nicht vergessen. Die Namen der beiden Degerlocher Jungen, die am 29. Juli 1944 im Alter von 15 und 16 Jahren als Flakhelfer ihr Leben ließen, sollen vielmehr auch künftige Generationen daran erinnern, wie grausam der Zweite Weltkrieg war. Und wie selbst Jugendliche im Dritten Reich zu den Waffen gerufen wurden, um beispielsweise Luftangriffe der Alliierten auf Stuttgart mit schwerem Flak abzuwehren. Am Sonntag werden zwei Denkmale auf dem Alten Degerlocher Friedhof enthüllt, die das Andenken an Fuchs und Stark bewahren sollen. Die Initiative dafür ging insbesondere von Rolf Armbruster aus. Der heute 90-jährige Degerlocher hat seinen Einsatz als Flakhelfer überlebt, weil er am 29. Juli 1944 nicht im Dienst war. Er war aber einer der ersten, der nach der Explosion einer Luftmine am Ort des Schreckens war und seine Kameraden tot vorfand. Laut Armbruster war es „ein Bild des Schreckens“.

Von der Schulbank in den Tod

Armbruster hat es sich seit den 1990er Jahren zur Aufgabe gemacht, an jene Kameraden zu erinnern, die von der Schulbank in den Tod gingen – so wie Werner Fuchs und Artur Stark. In Familiengräbern waren seine beiden Mitschüler aus dem Wilhelms-Gymnasium einst beigesetzt worden, nachdem eine Luftmine über der Flakstellung explodiert und insgesamt 18 Soldaten und Flakhelfer in den Tod gerissen hatte. „Ich erinnere mich noch gut an die Beisetzungen“, sagt Rolf Armbruster, der wie Fuchs und Stark zeitweise in der schweren Flak-Batterie im Gebiet Tränke eingesetzt war. „Die Mutter von Werner Fuchs hat sehr geweint, hat minutenlang meine Hand gedrückt und nicht losgelassen“, erzählt er von dem traurigen Moment. Ganz anders sei Artur Starks Mutter mit dem Tod ihres Sohnes umgegangen. Sie habe eher reagiert, als habe sie mit dem Jungen etwas für Deutschland gegeben. Das sei eine befremdliche Art gewesen, beschreibt er die gefasste, fast stolze Haltung dieser Frau.

Immer wieder hat Rolf Armbruster, mit dessen Unterstützung 1996 am ehemaligen Standort der Flak-Batterie auf der Tränke ein Denkmal enthüllt worden ist, an den Gräbern der einstigen Kameraden vorbeigeschaut. Bei seinem letzten Besuch auf dem Alten Degerlocher Friedhof traute er seinen Augen nicht. „Die Gräber waren verschwunden“, schildert er den ersten Moment der Irritation. Weil von den Familien Fuchs und Stark keine Angehörigen mehr lebten, waren die Gräber offengelassen, die Grabsteine entfernt worden – „obwohl es sich eigentlich um Kriegsgräber handelte, für die der Bund zuständig wäre“.

Einsicht in Unterlagen wurde aus Gründen des Datenschutzes verwehrt

Beim Garten- und Friedhofsamt der Stadt Stuttgart machte Rolf Armbruster auf den Umstand aufmerksam, dass es sich bei den verschwundenen Gräbern um Kriegsgräber handelte und ein Erhalt aus seiner Sicht daher zwingend sei. Der Protest verhallte laut Armbruster zu seiner Verärgerung aber ungehört. „Ich wollte daraufhin in unserem Büro einen genauen Plan mit allen ehemaligen Gräbern erstellen“, sagt der Architekt. Die Stadt verwehrte ihm aber den Zugang zu den Daten. „Als Grund wurde Datenschutz angegeben“, sagt Armbruster kopfschüttelnd. Weil Aufgeben aber nicht sein Ding ist, suchte er nach einer anderen Möglichkeit, an die Daten zu kommen. Im Gespräch mit einem befreundeten Professor regte er an, dieser solle mit Studierenden ein Projekt machen. Armbrusters Rechnung ging auf: Die Stadt stellte der Projektgruppe die ihm verwehrten Daten zur Verfügung, die exakten Positionen der Grabfelder von Stark und Fuchs konnten ermittelt werden. Auf ihren Gräbern werden am Sonntag, 12. August, von 15 Uhr an zwei Denk- als Mahnmale enthüllt, die der Bildhauer Markus Wolf geschaffen hat.

Stadt wollte Denkmal eher an der Friedhofsmauer

„Diese sollten unbedingt dort stehen, wo die Gebeine unserer gefallenen Kameraden liegen“, sagt Armbruster. Die Stadt hatte stattdessen angeregt, den beiden ein Denkmal an der Friedhofsmauer zu setzen. „Das kam für mich aber nicht in Frage“, sagt Armbruster. Die Finanzierung der beiden Mahnmale wurde über Spenden gestemmt – „obwohl eigentlich der Bund dafür zuständig wäre“, erklärt der Degerlocher Architekt. Wäre man aber den offiziellen Weg gegangen, „hätte es wohl noch einmal zwei Jahre gedauert, bis etwas passiert wäre. Und wer weiss denn schon, wie lange wir noch leben“, sagt er achselzuckend. Immer am letzten September-Sonntag treffen sich Armbruster und die einstigen Kameraden, die als Flakhelfer tätig waren, zum Gedenken an dem seit 1996 bestehenden Mahnmal. „Wir werden aber jedes Jahr weniger.“

Pfarrer aus Rottweil kommt zur Einweihung

Zur Enthüllung der neuen Mahnmale wird auch der in Rottweil lebende katholische Pfarrer Alfons Miller kommen, der erst vor wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag gefeiert hat. „Er war damals einer unserer Kameraden als Flakhelfer und die heftigen Kriegserlebnisse haben ihn dazu bewogen, Pfarrer zu werden“, erzählt Armbruster. Miller wird wie Armbruster zu den Teilnehmern der Feierlichkeit sprechen, ein Bläser der Bundeswehr wird die Feier zudem musikalisch umrahmen.