Klebeaktionen von Klimaaktivisten beschäftigen Polizei und Politik. Foto: dpa/Peter Zschunke

Ursprünglich sollte eine Allgemeinverfügung, die für mehr als 150 Straßen in Stuttgart gilt, bis zum Jahresende greifen. Nun läuft sie gegen den Willen der CDU aus.

Die Landeshauptstadt lässt die von OB Frank Nopper (CDU) am 8. Juli erlassene Allgemeinverfügung gegen Straßenblockaden von Klimaaktivisten am Sonntag,17. September ,auslaufen. Die CDU im Gemeinderat hat beantragt, die Verfügung nach diesem Tag wiederkehrend zu verlängern. Das sei zur Gefahrenabwehr „zwingend erforderlich“. Rettungswagen dürften auf ihrer Fahrt nicht behindert und die Beschädigung des Straßenbelags durch Klimakleber müssten begrenzt werden, so die Christdemokraten. Dieser Forderung folgt das Ordnungsreferat von Bürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler) nicht. Es kommt zu einer anderen Einschätzung der Lage.

 

War Verfügung unverhältnismäßig?

Ursprünglich sollte die Verfügung, mit der vor allem Klebeaktionen unterbunden werden sollten, bis zum Jahresende gelten. Ob das rechtlich überhaupt zulässig gewesen wäre, war stark umstritten. Sechs Mitglieder des Linksbündnisses im Gemeinderat hatten schriftlich Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt, weil sie die Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt sahen.

Die Verfügung galt für mehr als 150 Straßen und nicht nur für die große Verkehrsachsen. Sie war am 19. Juli um weitere Straßenzüge und Plätze ergänzt worden. Bereits am 28. Juli, also nach nur rund drei Wochen Gültigkeit, hatte Ordnungsamtsleiterin Dorothea Koller die Wirkungsdauer der Verfügung ohne Begründung vom 31. Dezember auf den 17. September zurückgenommen.

Unterschiedliche Einschätzungen

Das Linksbündnis sieht sich durch die Rücknahme auf den 17. September und nun das Auslaufenlassen der Verfügung in seiner Einschätzung bestätigt. Der Widerspruch sei erfolgreich gewesen, weil die Verfügung wegen ihrer langen Dauer und der Pauschalität des präventiven Verbots nicht verhältnismäßig sei. Die Tatsache, dass sie nun nur 71 statt 176 Tage gelte „bewerte ich als großen Erfolg für die Versammlungsfreiheit“, so der Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch.

Die Stadtverwaltung sagt, die Begrenzung der Verfügung habe nichts mit einer inzwischen abweichenden juristischen Einschätzung zu tun, sondern mit der aktuellen Lage, die man gemeinsam mit dem Polizeipräsidium Stuttgart beurteile. Diese habe sich beruhigt. Es lägen derzeit „keine unmittelbaren Gefahren vor“. Die Allgemeinverfügung habe bei der zügigeren Auflösung von Straßenblockaden geholfen, weil Blockierer mit ihr unverzüglich und ohne mehrmalige Ansprache entfernt werden konnten. Die Auflösung einer Versammlung koste sonst einige Zeit. Ob sie abschreckend gewirkt und sich daher die Zahl der Versuche verringert habe, lasse sich nicht belegen. Man behalte sich den Neuerlass der Verfügung vor, falls Rettungsfahrzeuge wegen Klebeblockaden nicht rechtzeitig an ihr Ziel gelangen sollten, so die Verwaltung.

Scharfe Kritik an Noppers Umgang mit Rat

Nicht nur die Verfügung selbst, auch OB Nopper war vom ökosozialen Lager im Gemeinderat und der früheren FDP-Rätin Sibel Yüksel wegen seines Umgangs mit dem Hauptorgan kritisiert worden. Der Oberbürgermeister kann die Verfügung ohne den Rat erlassen. Die Information über den verschärften Umgang mit Klimaaktivisten erfuhren die Bürgervertreter in einer Sitzung der Vollversammlung, aber nicht von Nopper direkt, sondern über eine Pressemitteilung. Diese wurde in der Sitzung auf ihre Dienstlaptops gespielt. Im Februar hatte die Ordnungsamtsleiterin Koller dem Gemeinderat auf einen damaligen CDU-Antrag hin erklärt, dass eine derartige Allgemeinverfügung nahezu keinen Nutzen habe und Stuttgart daher darauf verzichte.

Bisher, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit, seien keine Bußgelder gegen Blockierer verhängt worden, weil Verfahren noch bei der Staatsanwaltschaft anhängig seien. Der Bußgeldrahmen gehe bis zu 500 Euro, der Regelsatz liege bei der Hälfte. Vor zwei Wochen wurde am Amtsgericht Bad Cannstatt ein 24 Jahre alter Klimaaktivisten zu einer Haftstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung habe eine Rolle gespielt, dass der Aktivist nach einer Klebeaktion in Bad Cannstatt eine Fernreise mit dem Flugzeug angetreten habe. Der Anwalt des Verurteilten kündigte Rechtsmittel an.