Was fängt man mit einem Preisgeld von 25 000 Euro an?

Was fängt man mit einem Preisgeld von 25 000 Euro an? Einzig diese Frage ist noch offen, als Ilija Trojanow am Freitagabend nach einigen Reden aus Händen von Reinhold Würth, Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrates der Würth-Gruppe, den siebten Würth-Preis für europäische Literatur entgegennimmt.

Von Thomas Morawitzky

Michael Krüger, Trojanows Verleger, spricht zuvor lange über die Arbeit dieses ¸¸genuinen Reisenden'. Und dass Trojanow von ihm in einem Atemzug genannt wird mit Claude Lévi-Strauss, dem jüngst verstorbenen großen Ethnologen - das allein dürfte für Trojanow, der 1965, zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung von Levi-Strauss' ¸¸Traurigen Tropen', geboren wurde, eine Auszeichnung der besonderen Art sein. Krüger, Verleger bei Carl Hanser, Herausgeber der Literaturzeitschrift ¸¸Akzente', nähert sich dem diesjährigen Würth-Preisträger auf dem Umweg über seinen großen Vorgänger: Lévi-Strauss war es, der in seinem berühmten Reisebericht den Abscheu zum Ausdruck brachte, vor dem ¸¸falschen Exotismus und der Effekthascherei' der modischen Reiseliteratur. Seither, das merkt Krüger mit geschliffenem Sarkasmus an, ¸¸hat die Welt im Rausch ihr Gesicht völlig verändert, wenn nicht gar verloren'. Keinen bekannten Kulturpessimismus, sagt Krüger, möchte er verbreiten - dennoch spricht er von der ¸¸Respektlosigkeit, mit der wir fremde Kulturen heuschreckenhaft heimsuchen', seit der ¸¸Tourismus die Lufthoheit errungen hat'.

Ilija Trojanow ist für den Laudator, ganz so wie der britische Reisende Sir Richard Francis Burton (1821-1890), dem der Würth-Preisträger in seinem bekanntesten Roman ein Denkmal setzte, ein Beispiel für ein anderes Reisen, eines, das in die Fremde eintauchen will, anstatt sie zu unterwerfen. Einer, der die Gabe hat, aus der medial und touristisch eingeschrumpften Welt wieder einen Ort der Begegnung zu machen. Der Titel von Trojanows erstem, 1996 veröffentlichtem Roman, an diesem Abend im Neuen Schloss Stuttgarts mehr als nur einmal zitiert, sagt es ganz deutlich: ¸¸Die Welt ist groß, und Rettung lauert überall.'

Dass Ilija Trojanow für den Würth-Preis des Jahres 2010 nominiert wurde, gab die Würth-Stiftung bereits im Sommer des Vorjahres bekannt. Die Reaktionen hierauf fielen gemischt aus, wie Harald Unkelbach, Vorsitzender der Jury und erster Redner des Abends, verlauten ließ. Ablehnende Zuschriften sprechen im Hinblick auf Trojanow von einer ¸¸schleichenden Islamisierung der Gesellschaft', bezeichnen den Autor als einen ¸¸Muslim, der uns glauben machen will, der Islam sei eine Bereicherung unserer Gesellschaft'. Unkelbach: ¸¸Dieser Denkweise möchten wir widersprechen.' Es ist die Mailänder Literaturwissenschaftlerin Anna Maria Carpi, die dieses Thema später am Abend, in der Begründung der Jury, wieder aufgreift: Für sie ist Trojanow ein Schriftsteller, der sich ¸¸gegen den Versuch' stellt, ¸¸die europäische Tradition als eine christliche zu verkaufen' und damit eine ¸¸stolze Tradition religiöser Toleranz aufzugeben'. Carpi: ¸¸Die Demokratie ist heute in Gefahr. Leider muss ich dabei an Italien denken.'

Ilija Trojanow allerdings denkt dabei an seine eigene Heimat, an Bulgarien. Er betritt zuletzt das Podium, um von Reinhold Würth seine Auszeichnung entgegenzunehmen, und er nützt diesen Auftritt für einen Exkurs über die ¸¸Dankesrede als merkwürdiges Genre'. Frisch und mit viel Ironie lässt der Preisträger eine ganze Reihe illustrer Vorgänger auftreten. Aber nein, sagt er, er wolle nicht wie Hemingway auf Großwildjagd gehen oder wie Goethe auf Kur in Marienbad. Morphium wie Hans Fallada habe er nicht nötig: ¸¸Ich habe keine Schmerzen.' Auch einen Sportwagen, wie einst Thomas Bernhard, will er sich von seinem Preisgeld nicht kaufen. Autos bewunderte Trojanow, als er noch Kind war, als sie ihm ein Symbol waren, das in die Fremde führen konnte. Den Weg in die Fremde hat er längst gefunden, und für Kraftfahrzeuge, die keinen Platz in einer Spielzeugkiste finden, hat er nicht wirklich viel übrig: ¸¸Sie verunsichern mich eher.'

Der nächste Aufbruch in die Fremde, von dem Ilija Trojanow träumt, soll in die Vergangenheit führen. Nach Bulgarien eben, in dem die Untaten des kommunistischen Regimes noch längst nicht aufgearbeitet wurden. Dorthin will er nun reisen, um sich in Recherchen zu stürzen, und das Preisgeld der Würth-Stiftung soll im helfen: ¸¸Alles, was Geduld verlangt', das weiß Ilija Trojanow, ¸¸verlangt auch Geld'.