Die Torten in der Goldenen Krone werden selbst gemacht. Werfen Sie mit uns einen Blick in die Küche und klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Warth

Die Bewohner eines Schwarzwalddorfes wollen gegen Landflucht vorgehen - mit einem Café.

St. Märgen - Die Goldene Krone im Schwarzwaldort St. Märgen ist kein normales Café. Es ist ein Versuch der dortigen Landfrauen, ihrem Dorf wieder eine Mitte zu geben. Doch das preisgekrönte Projekt funktioniert bisher nur im Kleinen.

Gewöhnlich ist es oft so: Auf dem wichtigsten Platz einer Stadt oder eines Dorfes steht ein Denkmal. Meist sind es Könige oder Kaiser, manchmal Dichter oder Denker. Auf dem schönsten Platz in dem Schwarzwalddorf St. Märgen jedoch steht ein ganz anderes Monument - ein Gasthaus mit Zierfachwerk und sonnengelbem Putz. An die 250 Jahre ist die Goldene Krone alt, ein Denkmal im doppelten Sinn, denn mit dem geschützten Gemäuer betreibt das Dorf auch Denkmalpflege an sich selbst.

Alles ist handgemacht in der Goldenen Krone

Drinnen, in der heimeligen Stube des Cafés bekommt der Gast zum selbst gemachten Pfefferminzsprudel auch gleich die Geschichte des Hauses serviert. Sie liest sich ein bisschen wie die Schwarzwaldversion des amerikanischen Traums. Ein renommierter Gasthof, im vergangenen Jahrhundert noch als Luxushotel in Berlin und London beworben, verkommt. Ein totes, großes Haus in der Mitte eines Dorfes. Eine Bürgerinitiative gründet sich, nimmt Kredite in Höhe von 1,7 Millionen Euro auf, um alles möglichst originalgetreu wiederherzustellen. 2004 richten die Frauen im Ort ein Café ein. Ein Jahr später wird das Haus mit dem Denkmalschutzpreis ausgezeichnet.

Alles ist handgemacht. Die rot-weißen Kissen auf den Eckbänken, die Tische, die Speisekarte - und die Gerichte, die auf der Tageskarte aufgelistet sind. Die Zutaten kommen ausschließlich von den Höfen und Betrieben der Region. Wer eine Cola will, muss woanders hin. Stattdessen steht "Gemüsegratin" in Schnörkelschrift auf der Tafel. Es ist kurz nach elf Uhr und in der Küche steht die Frau, die den St. Märgenern das Café beschert hat: Beata Waldera-Kynast, 46 Jahre, eigentlich Fotodesignerin, vor zwölf Jahren als Frau des Försters von Tübingen in den Schwarzwald gekommen.

Während sie Zucchini schnippelt, erzählt Beata Waldera-Kynast von den Anfängen des Cafés, als die Gäste bei dem Wort "Landfrauen-Café" die Augenbrauen hoben und nach den Kälblein fragten, die doch jetzt im Stall nun ganz verlassen seien. Als seien Landfrauen nur ein anderes Wort für Bäuerinnen. "Im Klischee-Aufräumen sind wir inzwischen richtig gut", sagt sie dann und schnippelt noch ein bisschen schneller.

"Letztlich sind wir alle nur Hausfrauen"

Als Förstersfrau lässt sich Beata Waldera-Kynast ungern bezeichnen, heute nennt sie sich Unternehmerin. Seit fünf Jahren leitet sie das Café mit seinen 22 Mitarbeiterinnen und weiß, dass sie eigentlich niemanden mehr vom Erfolg ihres Projekts überzeugen müsste. Am Eingang hängt eingerahmt der Preis für die Firmengründung, den das Landwirtschaftsministerium 2005 dem Café und den Gesellschaftern der Krone verliehen hat - voll des Lobes für ein Konzept, das sowohl ein Dorf in seiner Attraktivität erhält und dabei Frauen auf dem Land zu mehr Anerkennung verhilft. "Letztlich sind wir alle nur Hausfrauen, manche haben nicht mal eine Ausbildung", sagt Beata Waldera-Kynast. Im Café können sie aber ihre Talente im Backen und Kochen unter Beweis stellen und werden dafür noch bezahlt: "Das schafft Selbstbewusstsein."

Es ist angerichtet. Draußen öffnet sich die Türe, lässt Wind und Wanderer in die Stube. Drinnen wird die Küche zum Dampfkochtopf. Es braucht viele Hände, um die Nudeln in 30 Liter Suppe zu schöpfen, 15 Salatköpfe zu waschen und Schokolade für sechs Schwarzwälder Kirschtorten zu raspeln. Fast ist man versucht zuzupacken, mitzuschnippeln - und merkt doch, dass fremde Hilfe stört. Hier funktioniert alles, weil jede weiß, was sie tun muss.

"Das Ganze funktioniert nur im Kleinen"

Es ist lebendig geworden in der Dorfmitte von St. Märgen. Reisebusse machen Station, Wanderer trinken auf dem Weg zum Titisee noch schnell einen Kaffee zu trinken. Manchmal finden sich unter den Gästen Delegationen aus anderen Dörfern, die das Projekt bei sich zu Hause umsetzen wollen - sozusagen als Mittel gegen die grassierende Abwanderung. Zuletzt saßen zwei Vertreter des norwegischen Landwirtschaftsministeriums an den Tischen der Krone.

Längst sind die Landfrauen der Vorreiterrolle überdrüssig geworden. Und doch werden sie nicht müde, Werbung in eigener Sache zu machen. Haben sie doch erfahren müssen, dass ihr Projekt für die Region nur nachhaltig sein kann, wenn mehr Dörfer mitziehen.

Selbst mehr machen geht nicht. Das weiß Beata Waldera-Kynast spätestens seit letztem Jahr, als sie beschwingt von den Lobreden der Presse den Betrieb vergrößern wollte - pünktlich zum fünften Jahrestag der Krone. Sechs neue Mitarbeiterinnen hatte sie eingestellt, von einer Backstube mit gläserner Produktion war die Rede. "Es hat sich nicht gerechnet", sagt sie. Wie hoch die Schulden sind, mit denen das Café immer noch zu kämpfen hat, will sie nicht sagen. Nur so viel: "Es läuft gut, aber noch lange nicht so, dass wir jubeln können."

In der Küche klingt die Schiffsglocke. Dampfende Teller wandern über die Theke zu den wartenden Gästen. Waldera-Kynast zupft Ranunkel-Blüten zurecht, mit denen die Teller garniert sind. Als sie aufblickt, sehen ihre Augen müde aus: "Wir haben hier einsehen müssen, dass das Ganze erst mal nur im Kleinen funktioniert."