Künftig soll es am Abend und in der Nacht in Baden-Württemberg noch schwieriger sein, an Alkohol zu kommen. Foto: dpa

Nach Tankstellen und Supermärkten soll es künftig in Baden-Württemberg auch keinen Alkohol mehr zwischen 22 und 5 Uhr per telefonischer Bestellung etwa beim Pizzaservice geben. Das hat die grün-rote Landesregierung am Dienstag beschlossen.

Stuttgart - Beim Zankapfel Alkoholgelage auf öffentlichen Plätzen weitet Grün-Rot das nächtliche Verkaufsverbot im Südwesten aus. Das Kabinett verständigte sich am Dienstag in Stuttgart darauf, dass künftig auch Bringdienste keinen Alkohol zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr verkaufen dürfen. Der Landtag muss das Gesetz noch beschließen, wie das Innenministerium mitteilte. Zudem soll es nachts auch nicht mehr möglich sein, an Automaten alkoholische Getränke zu kaufen. Kritik kam von der grünen und der SPD-Parteibasis, von der Opposition, dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband sowie dem Städtetag. Seit Jahren ringt die Landesregierung um eine Lösung.

„Mit solchen Maßnahmen soll wohl der Eindruck erweckt werden, dass damit alles erledigt ist, dass damit den Anwohnern und den anderen Passanten Hilfe geleistet wird“, sagte der zuständige Dezernent des Städtetags, Gerhard Mauch. „Das sehen wir in diesem Umfang überhaupt nicht.“ Der Städtetag fordere nach wie vor die Möglichkeit für Kommunen, ein zeitlich befristetes und auf bestimmte Plätze begrenztes Alkoholkonsumverbot zu erlassen. Die CDU schloss sich der Forderung am Dienstag erneut an.

Auch Pizzadienste fallen unter das Verbot

Ein Alkoholbringdienst ist ein Lieferservice ohne Laden. Die Getränke werden dort üblicherweise telefonisch bestellt. Das Innenministerium konnte am Dienstag weder sagen, wie viele solcher Bringdienste es gibt, noch wie viele entsprechende Automaten. Seit März 2010 dürfen Tankstellen und Supermärkte in Baden-Württemberg nach 22.00 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen. Allerdings fallen auch sogenannte Pizzadienste unter das Verbot, denn in der Regel haben diese keine Gaststättenlizenz, auch "Gassenschank" genannt, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Der Südwesten ist mit dieser Regelung bundesweit einzigartig.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatten zwar in der Vergangenheit ebenfalls für ein Alkoholkonsumverbot plädiert, konnten sich aber nicht gegen ihre Parteien durchsetzen. Ein von Kretschmann initiierter Runder Tisch mit dem Titel „Lebenswerter öffentlichen Raum“ prüfte den Vorschlag. Als das Gremium im vergangenen Sommer seine Abschlussempfehlungen vorlegte, wurde zwar das Verkaufsverbot für Bringdienste gefordert, das Alkoholkonsumverbot war allerdings vom Tisch.

Trotzdem kam am Dienstag harsche Kritik von den Regierungsparteien. „Für uns Jusos bleibt klar, wir wollen keine schwäbische Prohibition“, sagte der Landesvorsitzende Markus Herrera Torrez. „Die Freiheitsrechte des Einzelnen sind wichtiger, als eine Politik die rein auf Verbote abzielt.“ Es sei sinnvoller, Alkoholmissbrauch mit Präventionsangeboten zu unterbinden. „Ein Sprecher des SPD-Landesverbandes nannte die neue Vorschrift „lediglich eine Ergänzung der bestehenden Regelung“.

Dehoga kritisiert die Regelung grundsätzlich

„Dass die grün-rote Landesregierung das Alkoholverkaufsverbot weiter verschärfen will, geht an der Realität vor Ort vorbei“, sagte die Landessprecherin der Grünen Jugend Baden-Württemberg, Lena Schwelling. „Die meisten Städte und Gemeinden werden schlicht nicht in der Lage sein, die Einhaltung zu kontrollieren.“

Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand sagte: „Es ist kein Geheimnis, dass ich das Alkoholverkaufsverbot für unsinnig halte.“ Allerdings sei es nur schwer zu erklären, warum Bringdienste anders behandelt werden sollten als Tankstellen. Die FDP forderte ebenfalls eine stärkere Aufklärung der Menschen in Bezug auf das Thema Alkoholkonsum und lehnte die Regelung ab. „Die Liste der grün-roten Einmischungen in das Privatleben der Menschen reißt nicht ab“, sagte der Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sieht zwar nur einen kleinen Teil der Branche betroffen, kritisiert aber die Regelung grundsätzlich. „Wir glauben nicht, dass sich gesellschaftliche Probleme durch eine Weiterdrehen der Verbotsspirale lösen lassen“, sagte ein Sprecher des Landesverbandes.

In den kommenden Wochen werden nun die Interessensverbände dazu angehört. Das Innenministerium geht davon aus, dass das Gesetz letztlich zum Jahreswechsel in Kraft treten wird. Gaststätten bleiben von dem Verkaufsverbot ausgenommen.