Loretta Petti in ihrer Trattoria in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Das Amtsgericht Stuttgart hat Loretta Petti verurteilt, weil sie verdorbene Lebensmittel in der Küche gehabt habe. Die Trattoria-Inhaberin findet dies hanebüchen, denn Käse und Schinken müssten reifen.

Stuttgart - Das Urteil des Stuttgarter Amtsgerichts war eindeutig. Mitte März verurteilte es Loretta Petti, die Inhaberin der Trattoria Alimentari da Loretta, zu einer Geldstrafe von 170 Tagessätze zu je 45 Euro. Die Anklage hatte ihr unter anderem vorgeworfen, in vier Fällen Lebensmittel in ihrer Küche vorgehalten zu haben, die nicht mehr verzehrfähig gewesen seien, nämlich entweder verdorben oder sogar verschimmelt.

Für Petti selbst stellt sich der Fall anders dar. Ob sie in Berufung geht, weiß die 67-jährige Italienerin zwar noch nicht. In der Sache selbst jedoch hat sie klare Ansichten. Ihre Küche sei frisch und transparent, jeder, der sie kenne, wisse das. „Die Auseinandersetzung betrifft in meinem Fall Lebensmittel wie Schinken, Salami und Käse, die lange Reifungszeiten haben“, so Petti.

Mindesthaltbarkeit ist kein Verbrauchsdatum

Nach Ansicht des Gerichts gilt ein Lebensmittel bereits einen Tag nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) für verdorben. Doch das kann nicht richtig sein, findet Petti. „Wie könnten nach dieser Definition die Tafelläden arbeiten?“ Was sie meint: Die Tafelläden sind auf Spenden von Lebensmitteln angewiesen, von denen viele das MHD bereits überschritten haben.

Mit ihrer Kritik steht Petti nicht alleine. Seit Langem gibt es darüber eine öffentliche Diskussion über die Verschwendung von Lebensmitteln. Selbst Bundesernährungsministerin Klöckner hat bereits dafür plädiert, das Mindesthaltbarkeitsdatum abzuschaffen und durch sogenannte intelligente Verpackungen zu ersetzen, die – mit Hilfe digitaler Elemente – in mehreren Stufen anzeigen, wie gut ein Produkt noch ist. Obwohl längst bekannt ist, dass das MHD kein Verbrauchsdatum ist und lediglich angibt, bis zu welchem Zeitpunkt ein Lebensmittel seine spezifischen Eigenschaften behält – Geruch, Farbe, Geschmack – werden nach wie vor viele Lebensmittel zu früh weggeworfen.

„Man bräuchte eine Verordnung, die den Umgang mit dem MHD anders regelt“, sagt Petti. Auch im Bezug auf die Beurteilung von Schimmel wirft die Gastronomin den Kontrolleuren der Lebensmittelüberwachung mangelnde Sachkenntnis vor. So habe ein Mitarbeiter Anfang März bei einer Kontrolle einen Taleggio-Käse beschlagnahmt. Begründung: Schimmel. „Dabei muss dieser Käse schimmeln“, sagt Loretta Petti.

Loretta Petti wünscht sich mehr Entgegenkommen bei der Kontrolle

Zwei Arten von Schimmel, einer rötlich, einer grün-grau, seien beim Taleggio ganz normal. Für Petti steht fest: „Der Käse war nicht verdorben.“ Der Kontrolleur hingegen habe den Käse schlicht mit einem Limburger verwechselt. Ohnehin wünscht sich Petti ein größeres Entgegenkommen der Lebensmittelüberwachung. „Ein Kontrolleur kann natürlich nicht alle Lebensmittel kennen, aber er muss bereit sein, sich mit Leuten vom Fach auseinanderzusetzen“, sagt Petti, die aber zugibt, dass die Beanstandungen der Behörde in manchen Fällen auch zutrafen.

Bestimmte Käsesorten – darunter der Taleggio – will die Gastronomin vorerst nicht mehr verwenden, weil es die Behörde ihr unmöglich mache, sie sachgerecht aufzubewahren. Die Italienerin, die aus Montepulciano stammt und ihre Trattoria seit 1996 betreibt, macht auch kulturelle Unterschiede in der Bewertung von Lebensmitteln aus. So könne man beispielsweise in Italien und Frankreich Hähnchen mitsamt Krallen und Innereien im Handel erwerben – in Deutschland undenkbar.

Ranziger Speck als Reifeprozess

Ähnlich sei es um das Fett eines Schinkens bestellt und um die Frage, ob dieser ranzig sein darf oder nicht. Nach Auffassung von Lebensmittelüberwachung, Staatsanwaltschaft und Richterin sind ranzige Fettstücke sofort abzuschneiden und zu entsorgen. Nach Auffassung Pettis gehört dies zum Reifeprozess. Sie sieht sich in einem Kampf, den sie vorerst nicht aufgeben will und der sich im Kern um das richtige Verständnis vom Umgang mit Lebensmitteln dreht.

Die Bemerkung der Richterin, die Italienerin sei unbelehrbar und müsse umdenken, weil „es hier nicht um ihre persönliche Einschätzung oder die ihrer ihnen gewogenen Stammkundschaft geht, sondern darum, was der durchschnittliche Verbraucher noch verzehren würde“, stört Petti nicht. Für einen vernünftigen, also vor allem umweltverträglichen Umgang mit Lebensmitteln will sie sich weiter einsetzen.

Das einzige, was sie irgendwann stoppen könnte, ist das Geld. denn, so sagt sie, „ich kann es mir nicht leisten, endlos zu prozessieren.“