Der Cellist Alban Gerhardt Foto: PR

Alban Gerhardt hat in Stuttgart Antonin Dvoráks Cellokonzert gespielt. Das Publikum war hingerissen – mit gutem Grund.

Stuttgart - Der Anfang ist schwierig. Der mittlerweile 74-jährige Walter Weller, seit elf Jahren Ehrendirigent der Stuttgarter Philharmoniker, braucht lange, bis er am Dienstag im Beethovensaal am Pult angekommen ist. Dann leitet er Alexander Glasunows Fragment gebliebene neunte Sinfonie mit so spärlichen Bewegungen, dass man leicht Gefahr läuft, ihn zu unterschätzen. Das sollte man allerdings nicht tun: Der langjährige Konzertmeister der Wiener Philharmoniker ist ein verlässlicher, routinierter Vertreter der alten, soliden Kapellmeister-Tradition; ein Orchestererzieher ist er nicht, aber eine Idee zur Musik hat er immer.

Dass dies für Glasunows einsätzig gebliebenen Torso nicht gilt, liegt vor allem daran, dass dieser selbst auf handwerklich hohem Niveau nichts zu sagen weiß. Ein bisschen wirkt die Musik wie das Einatmen vor einem Lied, das dann nicht gesungen wird.

Doch die Stunde des Sängers naht. Und mit dem Cellisten Alban Gerhardt, Jahrgang 1969, beherrschen Klugheit, Präzision, Sinnlichkeit und ein immer geschmackvoll dosierter Hauch von virtuosem Understatement die Bühne. Dies wiederum liegt zwar abermals auch an der Musik, aber nicht nur: Alban Gerhardt gibt Antonín Dvoráks Cellokonzert mit hoch kultiviertem Ton, der von sonorer Tiefe bis zu flirrender Höhe reicht, der sich auf magische Weise in den Orchesterklang hineinschleichen kann und der selbst im finalen Gewitter der kleinen, schnellen Noten nie an Rundheit und Genauigkeit verliert. Das Adagio ist, auch wenn die Bläsereinsätze im Orchester nicht immer ganz sauber wirken, zum Dahinschmelzen schön: ein Gesang der Sehnsucht, dessen Aura der Cellist im zerbrechlich zarten Epilog des Finales nochmals aufleben lässt.

Als Gerhardt beim Applaus das Kostüm des introvertierten Cellisten der Herzen mit jenem des bühnenerprobten Sonnyboys tauscht, der dem Orchester ebenfalls Beifall gönnen will, rundet sich das Bild. Das Publikum ist berührt: Der Cellist der Herzen soll bald wiederkommen! Und die Stuttgarter Philharmoniker sollen vollenden, was jetzt nur in Teilen glückte: Von Smetanas „Mein Vaterland“ spielte man bloß drei der sechs Teile, in „Vysehrad“ gab sich die Soloharfe im Bass verstimmt, und neben schön aufgezogenen Streicher-Momenten standen leider auch Momente des Zerfaserns, denen die letzte Konzentration fehlte. Immerhin galt dies auch für die Zuhörer: In den Pausen zwischen den Sätzen wähnte man sich im Lungensanatorium. Wie man von Thomas Mann weiß, kann das Ende ziemlich schwierig sein.