Unbändige Freude über einen kaum für möglich gehaltenen Erfolg: Sambias Kapitän Christopher Katongo, Felix Katongo, Davies Nkausu, Emmanuel Mayuka und Isaac Chansa Foto: dapd

Außenseiter Sambia schlägt die Elfenbeinküste im Finale des Afrika-Cups und vergießt Tränen.

Libreville - Sie knieten an der Eckfahne nieder; zuerst beteten sie, danach sangen sie Lieder des Triumphs für ihre verstorbenen Idole. Der Jubel und die Feier von Sambias Fußball-Nationalspielern nach dem Erfolg im Afrika-Cup hatte etwas Mystisches. Dieser Sieg war für eine gesamte Nation etwas ganz Besonderes, etwas Versöhnliches, etwas Tröstliches.Knapp 19 Jahre waren vergangen, nachdem eine Flugzeug-Katastrophe in Gabuns Hauptstadt Libreville die „goldene Fußball-Generation“ eines ganzen Landes ausgelöscht hatte. Und nun, am 12. Februar 2012, gelang der nächsten Generation der größte Erfolg, ein Sieg, der in die Sportgeschichte des Landes eingehen wird – und zwar nur wenige Kilometer von dem Ort des einstigen Unglücks entfernt.

„Das war ein Zeichen des Schicksals, es war in den Himmel geschrieben. Da war eine Kraft mit uns“, sagte Trainer Herve Renard ergriffen nach dem dramatischen 8:7-Sieg im Elfmeterschießen gegen den haushohen Favoriten Elfenbeinküste. Dann fiel der Franzose seinem Verbandspräsidenten Kalusha Bwalya um den Hals, und der Funktionär vergoss einen Strom von Tränen der Freude und von Tränen der traurigen Erinnerung. Denn Bwalya selbst war vor 20 Jahren einer der besten Fußballer Sambias, und es war lediglich eine Laune des Schicksals, dass er an jenem schrecklichen 27. April 1993 nicht im Flugzeug saß, als es zur Absturz-Katastrophe kam. Sein damaliger Arbeitgeber PSV Eindhoven hatte den heute 48 Jahre alten Bwalya nicht freigestellt fürs Nationalteam. Der Verbandschef war viel zu bewegt, um nach dem Finale den Reportern aus aller Welt Rede und Antwort zu stehen – er schwieg und ergab sich seinen Gefühlen.

Vom Putzmann zum Trainer-Fuchs

An Bwalyas Stelle sprachen andere – und fraglos hätte der Präsident etwas Ähnliches gesagt. „Wir wollten die Spieler ehren, die hier gestorben sind. Ich bin stolz darauf, dass wir das geschafft haben“, sagte Sambias Stürmer Rainford Kalaba bewegt. „Ich werde Kalusha diesen Titel widmen. Er weiß besser als jeder andere, was dieser Titel bedeutet“, sagte Renard ebenfalls sehr von Gefühlen überwältigt. Dabei ist auch die Geschichte des 43 Jahre alten Renard keine alltägliche. Nach dem Ende seiner wenig erfolgreichen Karriere als Profi – er kickte von 1983 bis 1990 zumeist für das Reserveteam von Erstligist AS Cannes und anschließend bis 1998 bei den Amateurclubs Stade de Vallauris und SC Draguignan – verdiente er sich als Putzmann, bevor er verschiedene Trainerjobs erhielt. Renard arbeitete in China, England, Ghana, Frankreich, Angola, Algerien und Sambia – Reisen bildet, und so entwickelte sich Monsieur Renard allmählich zu einem Trainer-Fuchs.

Die Früchte seiner Arbeit erntete er nun in diesen Wochen des Afrika-Cups – sein Team der Namenlosen dominierte das Turnier als funktionierende Einheit, die am Ende auch die scheinbar übermächtigen Ivorer mit deren millionenschweren Superstars Didier Drogba, Yaya Toure und Salomon Kalou in die Schranken wies. Niemand symbolisierte die Kluft, die sich zwischen den beiden Teams auftat, besser als Chris Katongo. Nach seinem wenig beachteten Abschied aus Deutschland von Arminia Bielefeld im Jahr 2010 versuchte sich der 29-Jährige noch bei Skoda Xanthi in Griechenland, bevor er nach China zu Henan Jianye wechselte.

Drogba verschießt Foulelfmeter

Ein Fußballer, der die besten Tage seiner Karriere längst hinter sich hatte, so könnte man daraus schließen. Von wegen. Am Sonntagabend stemmte er als Kapitän des neuen Afrika-Meisters den Siegerpokal in die Luft und schaute über diese erstaunliche Entwicklung in seinem Leben dabei etwas ungläubig drein – während seine Teamkollegen schon ein Spruchband zeigten, das ihnen die Fans gereicht hatten: „In Gedenken an 1993 – ihr spielt zu Hause.“ Wenige Meter daneben stand Joseph S. Blatter im Konfettiregen, und auch der Fifa-Boss war ziemlich beeindruckt. „19 Jahre nach der Katastrophe hat ein solcher Sieg etwas sehr Spezielles“, sagte er später.

Die Dramaturgie des Endspiels war der Größe des Ereignisses angemessen. Das ivorische Idol Drogba verschoss in der 70. Minute einen Foulelfmeter, nach 120 Minuten stand es 0:0 – und es kam zu einem Nervenspiel der besonderen Art. Nachdem zunächst 14 Spieler ihre Elfmeter versenkt hatten, verschossen drei nacheinander. Den Fehlschuss des England-Legionärs Gervinho vom FC Arsenal nutzte Stoppila Sunzu, ein Mittelfeldspieler vom kongolesischen Club TP Mazembe, und bescherte den Sambiern bei der dritten Final-Teilnahme den ersten Sieg. Für die Elfenbeinküste, die schon das Endspiel 2006 gegen Ägypten im Elfmeterschießen verloren hatte, brach eine Welt zusammen. Trainer Francois Zahoui sprach von einer „gewaltigen Enttäuschung“ und hielt eine simple Begründung für die Niederlage parat: „Sambia hat begonnen, an sich zu glauben. Das ist Fußball.“ Und manchmal bestimmt im Fußball das Schicksal.