Im Süden von Äthiopien leben noch viele Naturvölker. Foto: Keller

Unsere Leserin Ute Keller hat schon viel von der Welt gesehen. Äthiopien fasziniert sie besonders.

Unsere Leserin Ute Keller hat schon viel von der Welt gesehen. Äthiopien fasziniert sie jedoch ganz besonders, dorthin ist sie bereits dreimal gereist: Unterwegs zu leuchtenden Schwefelteppichen und ins Museum der Völker.

Der heiße Wüstensand sticht wie tausend Nadeln auf meiner Haut. Ein Sandsturm tobt. Ich bin in Nordost-Äthiopien, in der Danakil-Wüste: ein ausgetrockneter Seitenarm des Roten Meeres, bis zu 150 Meter unter dem Meeresspiegel tief, eine der heißesten Wüsten unserer Erde und eine der vulkanisch aktivsten Gegenden der Welt.

Wir durchfahren das Gebiet der Afar, Halbnomaden. Sie erheben Anspruch auf diese Region. Vereinzelt wurden Touristen entführt, um Lösegeld zu fordern. Um unsere Sicherheit zu gewährleisten, begleiten uns je zwei Staats- und zwei Militärpolizisten. Übernachtet wird in einem kleinen namenlosen Dorf mit ärmlichen Rundhütten, ohne jegliche Vegetation, ohne Toiletten. Unsere Wasser- und Essensvorräte haben wir im Auto deponiert. Die Kinder des Dorfes sind glücklich, dass sie unsere leeren Plastikwasserflaschen bekommen.

In der Salzpfanne von Dallol fühle ich mich wie auf einem fremden Planeten: grelle, brodelnde Schwefelteppiche in leuchtenden Farben, Gelb, Rot, Orange, Grün, Weiß, kleine, sogar mannshohe Salztürme, unzählige muschelartige Strukturen, aus denen Mini-Geysire sprudeln. Die leuchtenden Farben werden von Mikroorganismen verursacht, deren Lebensraum die Salzlake ist.

Die Wüstensonne brennt gnadenlos. Wir messen 50 Grad um 12 Uhr mittags! Arbeiter, meistens ohne Kopfbedeckung und ohne Augenschutz, klopfen mit langen Holzstangen das im Licht gleißende Salz. Die ausgetrockneten Salzseen bilden seit Jahrhunderten den Salzvorrat für das Hochland. Die Salzplatten werden in quadratische Barren geschlagen und auf Kamele gebunden. Aufgereiht wie auf einer Perlenschnur treten sie die bis zu 14Tage dauernde Reise ins Hochland an. In Mekele genießen wir nach drei Tagen wieder eine Dusche. Zum Abendessen lassen wir uns Injera schmecken: ein Fladen aus hirseähnlichem Getreide mit ein wenig Gemüse und einer scharfen Paprikasoße, gewürzt mit Muskat. Ein Stück des Fladens wird mit der rechten Hand abgerissen und in die Soße getunkt, das Gemüse wird darin eingewickelt und gegessen. Pizza und Spaghetti sind das kulinarische Erbe der italienischen Besatzung unter Mussolini von 1936 bis 1941.

Mekele liegt in einer grandiosen Landschaft: bizarre Berge, atemberaubende Felsendome aus rotem Sandstein, vergleichbar mit dem Grand Canyon, haushohe Euphorbien mit knallroten Blüten, fruchtbare Felder.

In einem Bus für Einheimische führt die Weiterreise nach Axum: Weltkulturerbe, einstige Königsstadt und Heimat der legendären Königin von Saba. Axum ist berühmt wegen der geheimnisvollen Stelen. Die bis zu 23 Meter hohen Obelisken stammen wahrscheinlich aus dem 4. und 5. Jahrhundert. Dem Volksglauben nach wird in der Kathedrale die Bundeslade aufbewahrt, die Gesetzestafeln von Mose.

In Addis Abeba beginnt mit Geländewagen und Fahrer die Reise in den Süden. In diesem "Museum der Völker " leben keine Christen, sondern Anhänger verschiedener Naturreligionen mit Ahnenkult. Ich sehe Landschaften von aufregender Schönheit: unzählige kaminartige, rote Termitenhügel bis Arba Minch. Die Stadt liegt vor zerklüfteten Bergen an zwei Seen: Lake Abaya führt dunkelrotes Wasser, Lake Chamo blaues Wasser. Während einer Bootsfahrt bewundern wir Pelikane, Flamingos, Nilpferde, Krokodile.

Die Konso gedenken ihrer Toten durch das Aufstellen von geschnitzten Holzfiguren, manche sind mannshoch. Die Frauen der Mursi tragen als Schönheitsideal große Lippenscheiben, bei den Männern zeigen in die Haut eingeritzte Narben die Zahl der erlegten Tiere an. Das Haar der Hamer Frauen wird mit Butter und Ockererde zu vielen kleinen Korkenzieherlocken geformt, sie tragen mehrere Ketten von Kaurischnecken, Metallreifen an Armen und Beinen und Lederröcke.

Der Stamm der Karos ist bekannt für die kunstvolle, ausgeprägte Körperbemalung aus weißem Kalk. Wir überqueren bei mindestens 40 Grad tropischer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit in einem Einbaumboot den Omoriver. Hier sind die Männer geschmückt mit einem Elfenbeinpflock im Ohrläppchen und in der Unterlippe.

Während der siebentägigen Trekkingtour im Bale-Mountain-Nationalpark mit Gipfelziel Tullu Deemtu (4377 Meter) übernachten wir in Zelten. Wacholder- und Nadelbäume, Riesenlobelien, Erikasträucher und silberfarbene Strohblumen bedecken ganze Hänge. Vereinzelt stehen Hütten der Viehnomaden. Alle Menschen, mehr als ärmlich gekleidet, freuen sich, wenn Fremde vorbeikommen, laden uns ein. Zum Kochen und Wärmen suchen wir für unser Lagerfeuer trockenes Gestrüpp. In der Nacht herrscht klirrender Frost, aber ein unvergesslicher Sternenhimmel leuchtet.

Äthiopien – Naturvölkerund Nationalparks

Die Leserin
Ute Keller (61) aus Trippstadt ist Steuergehilfin und reist viel: Sie war schon in Nepal, Indien, Laos, China, Tibet, Südafrika, Ägypten und La Réunion.

Die Reise
Die Äthiopientour war privat organisiert und dauerte sechs Wochen. Von Addis Abeba ging es mit Mietwagen inklusive Fahrer in den Süden. Mit dem Bus zurück nach Addis, von dort nach Axum mit dem Flugzeug. Wieder mit dem Bus nach Mekele, mit Allradwagen inklusive Fahrer in die Danakil-Wüste. Eine Äthiopienreise ist keine Komfortreise, die hygienischen Verhältnisse sind nicht vergleichbar mit europäischem Standard, oft herrscht Wassermangel. Vor der starken Sonnenstrahlung muss man sich schützen. Die Straßen sind meistens staubig und schlecht. Die unglaubliche Armut mancher Menschen ist bedrückend. Im Bale-Nationalpark wird es nachts unter null Grad kalt, tagsüber herrschen 25 Grad. Die Trekkingtour dort erfordert eine sehr gute Kondition. Vorbereitung zu Hause: joggen mehrmals in der Woche und Ausdauertraining. Die beste Reisezeit ist zwischen Oktober und Mai.

Veranstalter
Airlines, die nach Addis fliegen: Ethiopian Airlines, Direktflug. Jeweils ein Zwischenstopp: Turkish Airlines, Emirates, Egyptair. Äthiopienreisen bieten viele Veranstalter an, u. a. Diamir Erlebnisreisen, Nomad und Hauser Exkursionen. www.diamir.de; www.nomad-reisen.de; www.hauser-exkursionen.de