Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht keinen Sinn in der homöopathischen Behandlung und will, dass gesetzliche Krankenkassen die Leistung nicht mehr erstatten. Ein Kinder- und ein Hausarzt aus Stuttgart können darüber nur den Kopf schütteln.
Hans-Georg Spannagel winkt ab. „Das regt mich nicht mehr auf“, sagt der erfahrene Stuttgarter Kinderarzt über die jüngste Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass die Finanzierung von homöopathischen Behandlungen durch gesetzliche Kassen gestrichen werden soll. Nicht zum ersten Mal. „Bis jetzt ist nichts passiert“, stellt der Pädiater nüchtern fest.
Leistungen, so Lauterbachs Argumentation, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen hätten, dürften nicht mehr aus Beitragsmitteln finanziert werden. Schon die Einschätzung, Homöopathie sei „vermeintlich nicht wissenschaftlich“ und deshalb unwirksam, will Hans-Georg Spannagel so nicht stehen lassen. Er biete seinen kleinen Patienten beziehungsweise deren Eltern neben einer schulmedizinischen Behandlung auch eine homöopathische an. Mit dem Ergebnis, dass die meisten dieses Angebot auch annehmen und aufgrund ihrer Erfahrungen dabei bleiben.
Homöopathie bei Asthma oder „Reizdarm“
Mit homöopathischer Medizin habe er schon manchem kleinen Patienten aus einer „misslichen Lage“ helfen können. Gerade bei chronischen Krankheiten, wenn man mit der Schulmedizin nicht weiterkomme, weshalb die Betroffenen oft verzweifelt seien, nutzten diese die Homöopathie. Spannagel nennt etwa die Behandlung eines „Reizdarms“als Beispiel, aber auch asthmatische Erkrankungen oder eine starke Infektanfälligkeit.
Homöopathika sind in Deutschland stark gefragt: Jedes Jahr beläuft sich der Umsatz mit solchen Arzneimitteln in deutschen Apotheken auf rund 300 Millionen Euro. Aus einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2023 geht hervor, dass 55 Prozent der Bevölkerung auf den Begriff Homöopathie positiv reagieren. 60 Prozent geben an, schon mal homöopathische Arzneimittel eingenommen zu haben. In Westdeutschland sind es sogar 63 Prozent, in Ostdeutschland nur 44 Prozent. Mit 48 Prozent spricht sich auch eine relative Mehrheit der Befragten dafür aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen homöopathische Behandlungen weiter als Satzungsleistungen finanzieren sollten – obwohl ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.
Hausarzt befürchtet, dass sich Homöopathie nicht mehr jeder leisten kann
Mangels handfester Belege sahen sich die gesetzlichen Krankenkassen bislang im Zwiespalt: Homöopathie gehört nicht zu ihrem Leistungskatalog. Stattdessen erstatten viele von ihnen den Versicherten einen Teil der Kosten als freiwillige Leistung. Dass dies nun aufhören soll, könnte dazu führen, dass homöopathische Behandlungen nur noch Menschen vorbehalten sei, die sich die Präparate auch leisten könnten, befürchtet etwa Jürgen de Laporte, Bezirksvorsitzender von Nordwürttemberg im Hausärzteverband Baden-Württemberg und niedergelassener Internist in Esslingen mit Zusatzausbildung Homöopathie.
„Als homöopathische Ärzte sind wir doch längst in der modernen Medizin angekommen“, betont er. Behandelt werde integrativ, nicht ausschließlich homöopathisch. „Gerade weil wir einer fundierten medizinischen Anamnese und einer individuellen Einschätzung jedes Krankheitsbildes und jedes Patienten so viel Bedeutung beimessen, sagen wir: Die Homöopathie gehört in ärztliche Hand.“
Patienten von Homöopathie-Bashing nicht beeindruckt
Dem stimmt auch sein Kollege Spannagel zu: Mit homöopathischen Präparaten könne man immer wieder „erstaunliche Erfolge“ erzielen, beschreibt der Kinderarzt seine Erfahrungen. Auch wenn das oft „etwas länger dauert“. Wichtig ist aus seiner ärztlichen Sicht, dass die Grenze zwischen Schulmedizin und Homöopathie gesehen und eingehalten werde. Das sehen offenbar auch seine Patienten so. Diese ließen sich von dem seit Jahren andauernden Homöopathie-Bashing „nicht beeindrucken“ .
Was die Studienlage angeht, werde vielen Untersuchungen zur Homöopathie grundsätzlich Fehlerhaftigkeit unterstellt, diese würden zum Teil „nicht mal richtig angeschaut“, kritisiert Spannagel. Er sieht die Homöopathie als eine Form individualisierter Medizin an.
Auch was die Kosten und die möglichen Einsparungen angeht, hält der Kinderarzt die jüngste Offensive von Karl Lauterbach für „Theater“. Viele Kassen zahlen diese Leistungen ohnehin nicht. In seiner Praxis bekämen „etwa 50 Prozent der Patienten“ die Ausgaben erstattet. Die Kosten seien auch insgesamt „verschwindend gering“, betont Spannagel. Das räumt selbst Karl Lauterbach ein. Das Magazin „Spiegel“ hat errechnet, dass durch die Streichung höchstens zehn Millionen Euro eingespart würden.