Zumindest das beim VVS gelöste Handy-Ticket zeigt dem Busfahrer klar und deutlich, ob ein Fahrschein gültig ist oder nicht – auch ohne QR-Code Foto: StN

Fast drei Jahre nach der Einführung hat der Verkehrsverbund Stuttgart seine Ziele für das Handy-Ticket locker übertroffen. Einem Umsatz von über fünf Millionen Euro im Jahr stehen aber auch Anlaufprobleme gegenüber.

Stuttgart - Elisabeth Kallmann hat schon Hunderte Handy-Tickets für den Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) gekauft – immer über das bundesweite System von Handy-Ticket Deutschland. Dass sich Kallmann jetzt ärgert, hängt mit wiederholten Problemen bei Kontrollen in Linienbussen zusammen. „Dass man aus dem Bus gewiesen wird, obwohl man einen gültigen Fahrschein hat, regt mich total auf“, sagt Kallmann. Jüngst geschehen in Leonberg.

Elisabeth Kallmann steigt an der Haltestelle Goethestraße in Gerlingen in einen Linienbus des Weissacher Unternehmens Wöhr. Ziel: Das Krankenhaus in Leonberg, wo sie ihre Mutter besuchen will. Der Fahrer bittet sie, ihr Handy-Ticket gegen einen Scanner zu halten. Dieser kann den Fahrschein nicht lesen. Die 59-Jährige bittet den Mann, das Handy in Augenschein zu nehmen. Nach ihrer Schilderung lehnt er ab. Kallmann kann auf einen Briefwechsel mit dem VVS vom Sommer verweisen, als es ihr in einem Ludwigsburger Bus genauso ging. Der Verbund bescheinigte ihr, dass auch die Busfahrer im Zweifel zur Sichtkontrolle angehalten seien. Damals wie heute kann Kallmann den Fahrer von der Echtheit des Fahrscheins überzeugen und darf mitfahren. Am S-Bahnhof in Leonberg muss sie umsteigen – in einen anderen Bus desselben Unternehmens. Doch diesmal läuft es nicht so glimpflich für sie ab. Wieder soll sie das Handy gegen den Scanner halten, wieder wird es nicht erkannt, wieder die Sichtkontrolle verweigert – diesmal von einer Fahrerin. „Sie sagte, ich müsse wieder aussteigen“, berichtet die 59-Jährige. Elisabeth Kallmann steigt aus – und kauft sich letztlich doch ein zweites Ticket aus Papier, um zu ihrer Mutter gelangen zu können.

Die Gerlingerin ist eigentlich ein Fan des Handytickets, nutzt es regelmäßig für die vier Stationen mit der Stadtbahn zur Arbeit in Weilimdorf. Hier seien die Fahrschein-Kontrollen noch nie ein Problem gewesen. „Die Kontrolleure schauen sich das Ticket immer an“, berichtet die Verkäuferin, „sie haben es noch nie auslesen wollen.“ Das sei ihr nur in Linienbussen passiert. Immerhin erstattete ihr der VVS die 1,20 Euro für das Kurzstreckenticket. Nun will sie in Bussen wieder Fahrscheine lösen – was nicht im Sinne des Erfinders ist. Jörn Meier-Berberich, kaufmännischer Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen AG, sagte vor Jahresfrist, als der einmillionste Handy-Fahrschein verkauft worden war: „Mit dem günstigen Handy-Ticket werden auch die Busfahrer vom Verkaufsgeschäft entlastet. Je mehr Kunden ihr Ticket schon vorher gekauft haben, desto schneller kommt der Bus ans Ziel.“ Ein Schritt auf dem Weg zum pünktlichen Verkehrsmittel.

VVS-Geschäftsführer Horst Stammler sagt jetzt, dass dieses Ziel nach wie vor gelte, räumt aber Probleme mit dem Handy-Ticket Deutschland ein, über das rund zehn Prozent der Handy-Tickets in Stuttgart verkauft werden. „Das ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit, weil es in 20 Verbünden gilt und deshalb unter anderem sogar mit zwei Barcodes ausgestattet ist“, sagt Stammler unserer Zeitung. Er bestätigt, dass das Internet-Angebot Ende 2015 eingestellt wird. „Wir sind daran, unsere Apps deutschlandweit im Hintergrundsystem zu verknüpfen“, erklärt Stammler, „so dass man Ende 2015, Anfang 2016 mit der VVS-mobil-App auch Fahrkarten etwa in Hamburg lösen kann.“ Spätestens dann sollen die Probleme, die hiesige Barcode-Lesegeräte mit Handy-Ticket Deutschland haben, Geschichte sein. Der VVS-Geschäftsführer kündigt aber an, die Busunternehmen noch einmal schriftlich darauf hinzuweisen, „dass bei Handy-Ticket Deutschland die Sichtkontrolle ausreicht“.

Diesen Hinweis will Wöhr seinen Busfahrern schon jetzt weitergeben. „Wir werden die Mitarbeiter informieren, dass Fahrgäste mit Handy-Ticket im Zweifelsfall nach Sichtkontrolle zu befördern sind“, sagt Mario Graunke. Der Verkehrsplaner erfährt von Kallmanns Fall durch unsere Zeitung und kann sich vorstellen, „dass die Kollegen da falsch reagiert haben“. Die immer vielfältigeren Tarifangebote und technischen Anforderungen an die Busfahrer drohten deren Kräfte allmählich zu übersteigen, sagt Graunke: „Außerdem ist das Handyticket bei uns immer noch ein Sonderfall, das bei einem Fahrer ein- bis maximal zweimal am Tag vorkommt.“ Da fehlt’s an Übung.

Im VVS landeten 2014 immerhin knapp fünf Prozent aller 33,7 Millionen Einzel- und Tagestickets auf Smartphones. „Das ist ein Riesen-Erfolg für uns“, sagt eine Sprecherin, „und übertrifft unsere Erwartungen.“ Laut Horst Stammler wird zurzeit geprüft, ob demnächst auch das Monatsticket als Handy-Ticket angeboten wird.