Mancher Regierungsrat rechnet 20 Räppli ab für eine Banane ab. Foto: IMAGO/Bridgeman Images/IMAGO/© Stefano Bianchetti

Regierungsräte im Kanton Bern erhalten fast 300 000 Euro jährlich plus Spesenpauschale, rechnen aber trotzdem jede Petitesse ab.

Ist das Verhalten einiger ihrer Politiker gierig, kleinlich oder einfach nur dümmlich? Über diese Frage streiten die Menschen im Schweizer Kanton Bern, seitdem ein Finanzskandal die Regierung in arge Verlegenheit stürzte. Dreht es sich normalerweise bei Affären in dem Bankenland Schweiz um Millionen Franken, geht es bei der Berner Posse nur um Kleinstbeträge bis hin zu ein paar Rappen für eine Banane, die Berner Regierungsmitglieder als Spesen in Rechnung stellen.

Frappanter Geiz

„Es ist eine Frechheit, dass man es überhaupt wagt, solche Beiträge einzufordern“, schimpft Thomas Fuchs, Abgeordneter der konservativen Schweizerischen Volkspartei im Kantonsparlament und Präsident des Berner Bundes der Steuerzahler gemäß Sender SRF. Die sozialdemokratische Abgeordnete Andrea Rüfenacht stößt ins gleiche Horn: „Diese Kleinbeträge sind peinlich. So etwas geht nicht.“ Was war passiert?

Das SRF-Magazin Kassensturz hatte das Spesengebaren der Berner Regierungsmitglieder durchleuchtet, die ohnehin üppig verdienen. Jede Rätin, jeder Rat, erhält knapp 280 000 Franken Jahresgehalt, was 294 000 Euro entspricht. Zudem beziehen die sieben Räte jährlich jeweils 8000 Franken als Spesenpauschale. Nun aber fand der Kassensturz heraus, dass einzelne der Politiker Ausgaben für „Ein Bio-Mehrkornbrötli für 95 Rappen, eine Banane für 20 Rappen, ein Parkticket von 20 Franken“ auf ihre Spesenrechnung setzten. Besonders heftiges Kopfschütteln löste die modische Extravaganz des Berner Regierungsrates Christoph Ammann aus. Der Sozialdemokrat soll 2019, bekleidet mit einem eleganten Eden-Hut und einem Schal in Crème Seide, den Neujahrsempfang des Schweizer Bundespräsidenten aufgesucht haben. Beide Kleidungsstücke waren laut Schweizer Medien ausgeliehen, beim Kostümfundus des Stadttheaters Bern, Gebühr: 30 Franken.

Eigentlich sollten die Politiker aus ihrer generös bemessenen Spesenpauschale kleine, alltägliche Ausgaben begleichen, ohne die Quittungen bei der Verwaltung einzureichen. Die Bürokratie muss sich dann nicht mit jedem Minibetrag der Spesenritter herumschlagen. In den Mittelpunkt des unwürdigen Berner Treibens schlitterte Sicherheitsdirektor Philippe Müller, der besonders gerne die sogenannte Einzelfallentschädigung in Anspruch genommen haben soll. „So rechnete Müller beispielsweise die Banane und die beiden Laugenbrezel ab“, ätzt die Berner Zeitung. Über einen „Repräsentationskredit“ habe Müller von seiner Direktion sogar zehn Rappen für ein „Plastiksäckli“ aus dem Migros-Supermarkt verlangt.

Politisches Vertrauen verprasst

Sicherheitsdirektor Müller verteidigte sich auf dem Internetportal X: Es habe bis 2019 zwei Brezel und eine Banane gegeben, die falsch verbucht worden seien. „Seither wurden von mir keine Kleinstspesen abgerechnet.“ Der Kassensturz zeichne „ein falsches Bild“ der Spesenwirtschaft. Die Medienstelle der Regierung sekundiert Müller und spricht von Fehlbuchungen: „Es dürfte sich um einen Irrtum handeln, aber es ist zu lange her, um dazu noch etwas sagen zu können.“

Immerhin wollen die politisch Verantwortlichen nun die Spesenverordnung ändern, um die Raffke-Mentalität bestimmter Regierungsräte besser unter Kontrolle zu halten. Vor allem aber wollen sie die Berner Wähler besänftigen – von ihren Stimmen hängen schließlich ihre schönen Gehälter und Extrabudgets ab. Doch kann die Exekutive das verspielte Vertrauen im Kanton noch einmal zurückgewinnen? Das scheint angesichts des angerichteten Schadens eher fraglich zu sein. Kuno Schedler, Professor für Public Management an der Universität St. Gallen, bringt die Zweifel auf den Punkt: „Die Frage stellt sich: Wenn jemand 20 Rappen ausreizt, was reizt er sonst noch aus?“