Viele Paare kleiden sich nicht nur gleich, sondern werden sich im Lauf der Jahre in Aussehen und Verhalten scheinbar immer ähnlicher. Forscher haben herausgefunden, was es damit auf sich hat.
Das Ehepaar ist wild entschlossen, es tritt in die Pedale, als ginge es um Leben und Tod, verpackt im gleichen Modell der Freizeitturnschuhe, in der gleichen atmungsaktiven türkisen Funktionskleidung, sitzt auf E-Bikes, die sich nur in der Größe unterscheiden. Das Bild eines Paares, wie man es jetzt, da der Frühling begonnen hat, fast überall zu sehen bekommt: auf hiesigen Radwegen, in den Bergen. Für Paare, die sich gleich kleiden, ist das gruselige Wort Partnerlook erfunden worden.
Und als wäre damit nicht genug der Zumutungen für die Restwelt, scheinen sich manche Ehepaare im Lauf der Jahre auch im Gesicht immer ähnlicher zu sehen und sogar ähnlicher zu werden im Verhalten. Eine Kollegin erzählt vom grellen Lachen einer Bekannten, deren Partner angeblich zunehmend genauso laut lache.
Die gleiche, mit den Jahren immer spitzer werdende Nase, die Schlupflider, diese schrägen Falten um den Mund, diese ganz geraden Augenbrauen – fast jedem fällt ein Paar in seinem Freundeskreis ein, das aussieht, als wäre es Bruder und Schwester. Oder dann die Art, etwas beinahe zu behutsam auf den Tisch zu stellen, die Angewohnheit, im Café die Jacke hinten an den Stuhl zu hängen, die Sonnenbrille bei Schatten in die Haare hoch zu schieben, immer eine Viertelstunde zu früh zu Verabredungen zu erscheinen – es gibt auch vieles im Alltagsverhalten, bei dem sich Paare angleichen.
Die Erscheinungskonvergenz wurde oft untersucht
Es heißt oft, man erkenne Ähnlichkeiten zwischen Hunden und ihren Besitzern. Und während dieser Anblick bei den meisten Beobachtern noch auf ein amüsiertes Interesse stößt, löst das Doppelgängertum von Liebes- oder Ehepaaren meist Reaktionen zwischen Unbehagen und süffisantem Spott aus. Ein Anklang jener Unerträglichkeitsschauer, die auch das Gehabe von Verliebten Außenstehenden bisweilen einflößen.
Mit dem Phänomen der optischen Ähnlichkeit von Liebespaaren, der sogenannten Erscheinungskonvergenz, befasste sich wissenschaftlich der amerikanische Sozialpsychologe Robert Zajonc schon 1987 in einer Studie, aus der heute noch oft zitiert wird. Zajonc kam dabei zu dem Schluss, dass die gleichen Gewohnheiten über viele Jahre hinweg bei Paaren zu den gleichen Spuren im Gesicht führen: sie lachen und weinen zusammen und über die gleichen Dinge, ernähren sich oft ähnlich und sind meist ähnlich sportlich aktiv. Das sehe man ihnen dann im Gesicht und am Körper und der Haltung an. Hinzu komme die Angewohnheit, den Partner oder die Partnerin zu imitieren, bestimmte Ausdrücke und Gepflogenheiten vom anderen zu übernehmen.
Zajoncs Teilnehmerschaft bestand damals allerdings gerade mal aus zwölf verheirateten heterosexuellen Paaren – das ist nicht besonders aussagekräftig. Aus diesem Grund haben Forscher der amerikanischen Stanford Universität 2020 ein neues Experiment gestartet, um die Ähnlichkeit von Paaren zu untersuchen. Sie sammelten Tausende im Netz veröffentlichte Bilder von insgesamt 517 Ehepaaren, die einmal zu Beginn ihrer Beziehung und nach 20 bis 69 Jahren aufgenommen worden waren. Die Gesichter wurden von 153 Personen angeschaut sowie von einer Gesichtserkennungssoftware. Und man kam zu einem erstaunlichen Ergebnis: Paare gleichen sich über die Jahre hinweg überhaupt nicht an, die Forscher konnten keine Hinweise auf Konvergenz finden. Vielmehr ist es offenbar so, dass sich die meisten Menschen von Anfang an einen Partner aussuchen, der ihnen ähnlich ist.
Das nennen Evolutionspsychologen assortative Paarung: Man bevorzugt Partner mit ähnlichem Bildungsgrad, Attraktivität und ähnlicher Intelligenz. Dieses Verhalten ist Dutzenden Studien zufolge weithin verbreitet und erklärt, weshalb Paare oft äußerlich ähnlich attraktiv und intelligent wirken. An der schottischen Universität St. Andrews stellten Forscher fest, dass Teilnehmer in Studien besonders jene Gesichter als attraktiv einstuften, die ihnen selbst ähnlich sahen. Das ging so weit, dass die Teilnehmer in Fotoreihen, in denen ihr eigenes Gesicht digital in eine Version des anderen Geschlechts umgewandelt worden war, sich selbst nicht mehr erkannten und am attraktivsten im Vergleich zu anderen einstuften.
Die Partnerin soll der Mutter ähnlich sein?
Manche interpretierten diese Ergebnisse aus der Studie des schottischen Attraktivitätsforschers David Perrett auch in Bezug auf die durch die Eltern geprägte Wahrnehmung. Männer hieß es, bevorzugten Frauen, die der eigenen Mutter ähnelten und Frauen Männergesichter, die ihrem Vater glichen. Die Probanden, so die Theorie, erkannten in dem eigenen verfremdeten Gesicht den gegengeschlechtlichen Elternteil wieder, und zwar so, wie dieser ausgesehen hatte, als die Teilnehmer noch sehr klein waren – ein Hinweis auf eine mögliche frühkindliche Prägung. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen 2010 ungarische Forscher der Universität Pécs, die bei 312 Erwachsenen aus 52 Familien jeweils 14 unterschiedliche Gesichtsabschnitte ausgemessen und später miteinander verglichen hatten. So erkannten sie angeblich, dass Töchter Männer als Partner bevorzugen, deren zentraler Gesichtsbereich dem der Väter ähnelt, Söhne fanden Frauen als Partnerinnen gut, deren unterer Teil des Gesichts dem der Mutter ähnlich sah.
Ein Faible für Ähnlichkeiten und Bekanntes
Die Schlüsse, die hier aus manchen Studien gezogen wurden, wirken heute aus der Zeit gefallen – man denke nur an die begrenzte Aussagekraft für homosexuelle Paare. Aber eines immerhin bestätigt sich in allen Untersuchungen: Der Mensch hat ein Faible für Ähnlichkeiten und Bekanntes, was ihn eben auch bei der Partnersuche anleitet. Das Credo „Gegensätze ziehen sich an“ kann nicht bestätigt werden.
Die gemeinsamen Aktivitäten, Kleidungsstile und Angewohnheiten von Paaren wirken vor allem selbstbestärkend. Die gleiche Funktionskleidung, die vom anderen übernommenen flapsigen Formulierungen, sie alle signalisieren der Außenwelt: Hier gehören zwei zusammen.