Erdogan und Merkel – die Türkei ist empört über die Abhöraktion des BND Foto: Getty Images Europe

Die Aufregung war riesengroß, als bekannt wurde, dass die USA das Kanzlerinnen-Handy abgehört hatten. Jetzt wird klar, dass wohl auch der BND Verbündete belauscht. Darunter mit der Türkei einen Nato-Partner – und als „Beifang“ zwei US-Außenminister.

Istanbul - Die Berichte über eine mutmaßliche Abhöraktion des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Türkei haben am Bosporus für großen Wirbel gesorgt. „Du hast uns gerade noch gefehlt“, titelte die Zeitung „Vatan“ am Sonntag, an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet: In den vergangenen Jahren waren in der Türkei mehrere Fälle von gezielten Telefonüberwachungen bekannt geworden, die der Regierung oder aber ihren Gegnern im Staatsapparat zugeschrieben wurden. Der BND soll sich besonders für den Kurdenkonflikt und den türkisch-israelischen Streit interessiert haben. Ankara will die Berichte über den BND untersuchen. Der BND lehnte eine Stellungnahme am Wochenende ab.

Nach einem Bericht der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ wurden Telefonate in der Türkei über Satelliten abgehört. Unter Berufung auf Geheimdienstexperten meldete das Blatt, es habe offenbar keine kontinuierliche Abhöraktion gegeben, vielmehr seien lediglich einzelne Gespräche abgefangen worden.

Medienberichten zufolge waren der Kurdenkonflikt und das Verhältnis der Türkei zu Israel unter den Schwerpunkten. Im Jahr 2009 – aus dem laut „Spiegel“ das aktuelle „Auftragsprofil“ des BND stammt – suchte die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Geheimgesprächen mit Vertretern der kurdischen Rebellengruppe PKK nach Wegen einer friedlichen Beilegung des Kurdenkonfliktes. Die Kontakte, die in der norwegischen Hauptstadt Oslo stattfanden, scheiterten schließlich, auch weil sie vorzeitig bekannt wurden. Der frühere Chef der Auslandsaufklärung des türkischen Geheimdienstes MIT, Kasif Kozinoglu, behauptete vor einigen Jahren, der BND habe die Oslo-Gespräche an die Öffentlichkeit gebracht.

Das Jahr 2009 markierte zudem einen Wendepunkt in den türkisch-israelischen Beziehungen. Damals lieferte sich Erdogan beim Weltwirtschaftsforum in Davos einen wütenden Schlagabtausch mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres, bei dem es um das israelische Vorgehen im Gazastreifen ging. Ein Jahr darauf wurden zehn türkische Aktivisten beim Versuch, mit dem Schiff „Mavi Marmara“ Hilfsgüter nach Gaza zu bringen, von israelischen Soldaten erschossen.

Türkische Regierungspolitiker hielten sich am Sonntag mit Kommentaren zurück. Ein Grund war, dass sich viele von ihnen, auch Erdogan selbst, im Urlaub befanden. Die deutsche Oppositionsparteien forderten die Regierung auf, Licht ins Dunkel zu bringen. „Es ist unfassbar, dass wir erst nach über einem Jahr intensiver Diskussion über die NSA-Affäre erfahren, dass auch unsere eigenen Nachrichtendienste aktives Ausspähen verbündeter Staaten betreiben“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter. Die Regierung müsse die Vorwürfe in den zuständigen Ausschüssen des Bundestags rasch aufklären. Zudem müsse sie ein Konzept vorlegen, wie das „undurchsichtige Eigenleben der Nachrichtendienste“ kontrolliert werden könne. Die Linkspartei pochte ebenfalls auf Aufklärung. „Der BND ist ein Staat im Staate“, sagte Parteichefin Katja Kipping Die Kontrolldefizite seien eklatant.

Sollten sich die Berichte bestätigen, wird auch die türkische Politik verärgert reagieren und von der Bundesregierung eine Erklärung und möglicherweise eine Entschuldigung verlangen. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden in den vergangenen Monaten unter anderem durch die rechtsterroristischen NSU-Morde an Türken in Deutschland sowie durch die Kritik von Bundespräsident Joachim Gauck an Demokratiedefiziten in der Türkei belastet. Der türkischstämmige Ex-Europaabgeordnete Ozan Ceyhun kritisierte auf Twitter, die deutschen Sicherheitsbehörden beteuerten, sie hätten dem NSU nicht beikommen können, hätten aber gleichzeitig die Türkei abgehört.