Über die A 81 bei Sindelfingen rollen täglich mehr als 100 000 Fahrzeuge. Foto: factum/Weise

Die Auseinandersetzung um den Ausbau der A81 bei Böblingen geht weiter. Nun weist die Bürgerinitiative „Leise A 81“ darauf hin, dass an mehr als 100 Häusern Grenzwerte beim Lärm überschritten werden.

Böblingen - Die Bürgerinitiative Leise A 81 lässt beim Lärmschutz im Zuge des Ausbaus der Autobahn 81 zwischen Böblingen-Hulb und Sindelfingen-Ost nicht locker. „Wir sind enttäuscht, dass nun letztlich doch kein offenporiger Belag verwendet werden soll, obwohl dieser uns in Aussicht gestellt worden ist“, sagt Hans Ambros, der Sprecher der Initiative. Der Belag würde vier Dezibel des Lärms schlucken, den die Autos auf der A 81 verursachten. Die Folge davon sei nun, dass an rund hundert Gebäuden entlang der 7,1 Kilometer langen Ausbaustrecke die zulässigen Grenzwerte überschritten werden würden. Hans Ambros und seine Mitstreiter wollen zu gegebener Zeit beim Regierungspräsidium (RP) in Stuttgart Widerspruch einlegen.

„Wir haben dem RP jüngst einen Höflichkeitsbesuch abgestattet und den verantwortlichen Planern unser Anliegen noch einmal unterbreitet“, berichtet Ambros. Schließlich wolle man das bisher gute Einvernehmen mit dem RP nicht aufs Spiel setzen und den Ausbau nicht noch weiter verzögern. Aber beim Austausch von Nettigkeiten ist es während des Gesprächs nicht geblieben. Die Vertreter der Initiative, welche die Interessen von insgesamt 10 000 Anwohnern an der A 81 im Bereich des Streckenausbaus vertritt, wiesen darauf hin, „dass die versprochenen Lärmschutzfenster für viele keine ideale Lösung sind“.

RP will Lärmgrenzwerte einhalten

„Viele der betroffenen Familien wollen nachts, besonders im Sommer, ihr Schlafzimmerfenster öffnen“, erläuterte Ambros, „damit sie sich nicht zu Tode schwitzen.“ Das gehe aber nicht, wenn der Verkehr vorbeirausche. An Schlaf sei bei offenen Fenstern aber wohl kaum zu denken. Für den Einbau einer Klimaanlage fehle den meisten das Geld, außerdem sei ein solche ziemlich teuer. „Der Lärm ist erwiesenermaßen gesundheitsschädigend“, fügt Ambros hinzu. Deshalb hofft er, dass das RP vielleicht doch noch einen Belag verwendet, der den Schall noch besser schluckt.

Das RP räumte stets ein, dass es alles tun möchte, damit die Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Allerdings würden an manchen Gebäuden die geltenden Limits von 59 Dezibel während des Tages und von 49 Dezibel in der Nacht erreicht und teilweise überschritten, räumten die Planer im RP ein – und verwiesen auf die Schallschutzfenster, die die betroffenen Bürger beantragen könnten.

Tatsächlich rückte das RP von dem Vorhaben ab, den lärmschluckenden, so genannten Flüsterasphalt zu verwenden. Der Bundesrechnungshof habe den teuren und verschleißträchtigen Belag moniert, verlautete aus der Behörde. Das RP versicherte vor einiger Zeit jedoch, einen anderen, ebenfalls geeigneten Asphalt aufbringen zu lassen, der zwar etwas weniger Lärm schlucke, dafür aber länger halte.

Bereits an Klage gedacht

Bis jetzt prüft das RP noch die Einwände, die im Planfeststellungsverfahren eingegangen sind. Das seien mehr als hundert gewesen, hatte Katja Lumpp, die RP-Sprecherin, bekannt gegeben. Ursprünglich sollte die Erörterungsverhandlung noch im Jahr 2016 stattfinden, zuletzt war ein Termin in diesem Frühjahr anvisiert worden, und nun ist zu hören, dass sie vielleicht noch im Juni sein könnte. Lumpp bat um Nachsicht, dass die Bearbeitung sämtlicher Einwände und Stellungnahmen eben Zeit brauche. Viele von ihnen beziehen sich auf die befürchtete Lärmbelästigung.

Sollte das RP keine andere Lösung für den Lärmschutz finden, „wollen wir nach dem Erörterungstermin unseren Widerspruch formulieren“, sagte Ambros. Auch an eine Klage vor Gericht habe die Leise A 81 gedacht. Doch sei das wohl mit viel zu hohen Kosten verbunden. „So viel Geld bekommen wir nicht zusammen“, erklärte der Sprecher der Initiative. „Einige Bürger verlangen zusätzliche Lärmschutzwände und Wälle“, sagte Lumpp. Zudem fordere die Stadt Sindelfingen ein Lärmschutzkonzept für die Bauphase. Ein umfangreiches Paket an Einwänden und Vorschlägen betrifft auch den Naturschutz und die Ausgleichsmaßnahmen. Der Landesnaturschutzverband fordert etwa einen geeigneten Wildtierkorridor unter der Autobahn.

Baubeginn voraussichtlich im Jahr 2020

Bauvorhaben: Die Autobahn zwischen Böblingen-Hulb und Sindelfingen soll sechsspurig ausgebaut werden. Neu hinzugekommen ist nach den aktuellen Planungen ein Standstreifen auf der 7,1 Kilometer langen Ausbaustrecke, der in beiden Richtungen als vierte Fahrspur genutzt werden kann. Die Kosten für das gesamte Bauvorhaben inklusive eines Deckels wird auf rund 226 Millionen Euro beziffert.

Lärmschutz: Das Kernstück ist ein Lärmschutzdeckel, der 850 Meter lang werden soll und rund 69 Millionen Euro kostet. Seit dem Jahr 2009 liegt eine mündliche Vereinbarung zur Finanzierung vor, einen schriftlichen Vertrag gibt es noch nicht. Demnach tragen die Städte Böblingen und Sindelfingen sowie der Landkreis Böblingen jeweils rund 7,5 Millionen Euro an den Deckelkosten, das Land übernimmt 14,5 Millionen Euro, und der Bund finanziert den Rest. Zudem sind auch Lärmschutzwände geplant: Die Kosten dafür wie auch für den Ausbau trägt der Bund.

Zeitfenster: Vor einiger Zeit noch war die Rede von einem Baubeginn am Ende des Jahres 2017 oder am Anfang des Jahres 2018. Die langen Planungen und das etwas länger dauernde Planfeststellungsverfahren verzögern nun das Vorhaben. Der Baubeginn ist voraussichtlich 2020, der Ausbau dauert wohl vier Jahre