Trickbetrüger wollen den 77-jährigen Henry Füge um 22 000 Euro und ein paar Krügerrand-Goldmünzen prellen. Doch die Rechnung haben sie ohne den gewieften Böblinger gemacht: Er ruft die Polizei – und die nimmt den falschen Polizisten fest.
Es hört sich an wie im Film: Betrüger versuchen, einen alten Mann zu prellen – und werden am Ende selbst betrogen. Genau so hat es sich am Donnerstag zugetragen. Das hier ist die verrückte Geschichte des 77-jährigen Henry Füge.
Tatort: Böblingen. Gegen 10.30 Uhr rufen die Trickbetrüger bei Füge an. Eine Frau Brunner ist dran, vom „Sonderdezernat der Kriminalpolizei für Überfälle“. Der Blick auf die Nummer, die auf dem Display angezeigt wird, macht ihn stutzig: „Ich habe gleich gefragt, wieso sie nicht aus Böblingen anruft“, sagt der Dachdeckermeister. Die Antwort: Weil sie von der Sondereinheit sei.
Der Trick: die falsche Polizistin
Vielleicht habe er schon gehört, dass in Böblingen vier Leute unterwegs seien, die Überfälle verüben, sagt Frau Brunner. Zwei der Männer seien geschnappt, verhaftet und verhört worden – und haben zugegeben, dass er das nächste Opfer sein solle. „Sie hätte gehört, dass ich immer über 10 000 Euro Bargeld zuhause habe“, sagt Füge. Zwei Sonderermittler seien schon auf dem Weg nach Böblingen, so die vermeintliche Polizistin. Jemand hole das Geld ab, um es sicher zu verwahren.
„Die haben das alles schon richtig spannend gemacht“, sagt Füge. Trotzdem durchschaut er den Trick sofort. Schon die komische Nummer, sagt er. Und von der mit falschen Polizisten hatte er schon oft gehört. „Die Kunst war, die Leute stundenlang am Telefon zu halten, ohne dass die merken, dass ich was gemerkt habe“, sagt der 77-Jährige. „Beim kleinsten Fehler von mir hätten die mich durchschaut.“
Denn die Betrüger tun alles, um ihn am Telefon zu halten. So hat er keine Chance, die Polizei zu rufen – das ist zumindest die Idee. Er soll nachzählen, wie viel Geld er im Haus hat. „Da habe ich mich zwei Minuten lang ein bisschen erholt“, sagt er. Als er zurück ans Telefon kommt, hat er das vermeintliche Geld gezählt: 22 400 Euro hat er angeblich zuhause. Frau Brunner fragt nach der Stückelung, er antwortet schnell und präzise. Auch ein paar Krügerrand-Münzen erfindet er.
Als sie nach der Seriennummer von einem der 500-Euro-Scheine fragt, die er angeblich da hat, weigert er sich: „Ich hab gesagt: Die Seriennummer geb’ ich niemandem.“ Er habe erklärt, im Fernsehen habe er gesehen, wie anhand der Seriennummer die Herkunft der Scheine ermittelt wird. Womöglich sei das Geld einmal mit der Mafia in Berührung gekommen, am Ende werde er selbst in etwas mit hineingezogen. „Damit will ich nix zu tun haben“, sagt er Frau Brunner. „Ich habe richtig ängstlich getan.“
Der Sohn wohnt im Haus – ist aber vermeintlich nicht da
Er ist wirklich gewieft: Als die Betrügerin ihn fragt, ob seine Kinder im Haus leben, sagt er wahrheitsgemäß, der Sohn wohne unter ihm. „Aber der ist im Außendienst tätig“, fügt er hinzu – denn er will nicht, dass die Betrüger ihm von der Schippe springen, weil der Sohn gefährlich werden könnte. Er sei im Moment in Mannheim und komme erst am nächsten Tag wieder.
Henry Füge schafft es nach über einer Stunde, auf einem Handy die Polizei zu rufen. Die kommt vorbei, noch bevor der Kollege der Betrügerin seine Wohnung erreicht. Als er das schließlich tut, fragt Füge das Codewort ab, das er mit der falschen Polizistin am Telefon abgemacht hat. „Er kam rein und ich habe sofort die Tür hinter ihm zu gemacht“, erzählt er. Dann nimmt die Polizei den Täter fest. „Er hat sich gewehrt wie verrückt“, sagt er. Er habe ihn sogar mit runter gedrückt, damit die Polizisten ihm Handschellen anlegen und ihn mitnehmen konnten. „Ich habe ihn gefragt: Was hättest du jetzt gekriegt von dem Geld? Zehn Prozent?“. Die Antwort: Nein, für zehn Prozent hätte er das nicht gemacht.
Wie viel Geld er bekommen würde, erfährt er nie. Die Polizei vernimmt den Festgenommenen – und übergibt ihn wenig später seinen Eltern. Denn wie sich herausstellt, ist er gerade einmal 17 Jahre alt. Also kein fetter Fang. „Das Problem bei dem Deliktbereich ist, dass man nicht an die eigentlichen Betrüger kommt, sondern lediglich an die Geldabholer“, bestätigt Steffen Grabenstein, Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Ludwigsburg.
Es sei nicht unüblich, dass Jugendliche das Geld abholen, die mit den eigentlichen Betrügern nichts zu tun haben. Vielmehr bekommen sie den Auftrag, das Geld abzuholen, und geben es dann an weitere Komplizen der Betrüger weiter, die sie gar nicht kennen. Das in Verbindung mit dem jugendlichem Alter habe vermutlich dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft keinen Haftbefehl erlassen habe. Trotzdem wird weiter ermittelt.
Polizeisprecher: „Er hat die Betrüger betrogen“
„Der Herr hat natürlich perfekt reagiert“, sagt Grabenstein über Henry Füge. Nur durch sein Verhalten sei es möglich gewesen, dass man den jungen Mann erwischt hat. Das klappe nicht allzu oft. „Er hat die Betrüger betrogen“, sagt Grabenstein. „Das hat er schon richtig gut gemacht.“ Auch Füge selbst ist stolz. Geholfen hat ihm, dass er schon viele Abende auf Bühnen verbracht hat. „Sonst hätte ich das auch nicht hingekriegt.“