Zum Wohl: Mit erhobenem Glas grüßt die Fellbacher Landjugend vom Erntewagen die Zuschauer. Foto: Patricia Sigerist

Tausende Menschen stehen bei sommerlichen Temperaturen am Straßenrand und winken den Fußgruppen und prächtig geschmückten Festwagen zu, die durch Fellbachs Straßen ziehen. Ganz klar: Das war erneut ein Bilderbuch-Herbst!

Fellbach - Das gibt’s doch nicht, was wir Fellbacher – meistens – bei unserem großen Stadtfest für einen Dusel mit dem Wetter haben. Vor ein paar Tagen noch hat man die Heizung hochgedreht, und punktgenau strahlt die Sonne über dem schönsten Weinfest Württembergs. Wie schon im vergangenen Jahr plustert sich pünktlich zum Wochenende der Herbst zum Sommer auf. Wer seine neue Herbstgarderobe vorführen will, schwitzt im neuen Wollkostüm, und wem die Mode egal ist, der greift ein letztes Mal zur gerade schon weg geräumten Sommergarderobe.

Die Percheron-Pferde Schorsch und Marion hingegen bleiben vergleichsweise cool

Vor der neuen Kelter herrscht am Samstag zur Mittagszeit erwartungsvolle Spannung. Jung und Alt, Fußgruppen und prächtig geschmückte Wagen reihen sich zum Umzug auf. Den fünf jungen Männern von der Landjugend, die abwechselnd die knapp 100 Kilo schwere Pracht-Traube durch Fellbachs Straßen tragen werden, steht schon beim kurzen Festakt der Schweiß auf der Stirn. Die Percheron-Pferde Schorsch und Marion hingegen bleiben vergleichsweise cool. Die beiden französischen Kaltblüter ziehen seit 16 Jahren den Traubenwagen durch Fellbach. Etwas nervös tänzeln die Rösser der jungen Damen im Herold-Kostüm, die traditionell den Festzug anführen.

Oberbürgermeisterin Gabriele Zull gibt nach einer kurzen Ansprache mit traditionellen Worten das Kommando zum Abmarsch

Pfarrer Wolfgang Maier von der evangelischen Kirchengemeinde hält eine sehr politische Ansprache. Ausgehend vom Herbstmotto „Unendlicher Garten! Das Remstal erblüht, dank unserer Weine blühen auch Herz und Gemüt“, fragt er, was den Menschen denn wirklich an Gutem oder Schlechtem blühen könnte. „Nicht jede schöne Blüte bringt auch eine gute Frucht, nicht alles ist machbar, vieles ist ein Geschenk Gottes“, sagt Maier und fügt an: „Erntedank und Hass schließen sich aus!“ Oberbürgermeisterin Gabriele Zull gibt nach einer kurzen Ansprache mit traditionellen Worten das Kommando zum Abmarsch, und nach drei Böllerschüssen setzen sich die 58 Gruppen des Umzugs in Bewegung.

Italienische Mitbürger zeigen, dass in einen Fiat 500 neben drei Menschen auch noch jede Menge Musik passt

Zehntausende Menschen warten an den Straßenrändern, und Gerhard Bürkert, der bei der Lutherkirche den Umzug kommentiert, sorgt mit Witz und kurzweiligen Infos für gute Stimmung: „Jetzt batschet halt amol“, lockt er das Publikum aus der Reserve. Die zu Ende gehende Remstal-Gartenschau und das diesjährige Motto des Fellbacher Herbstes hatten die teilnehmenden Gruppen bestens inspiriert. Prächtige Blumen in „echt“ oder aus Krepp-Papier, bunte Farben und gesegnete Fülle beherrschen das Bild. Vor allem die Schulen haben das blumige Thema aufgegriffen und schicken Bienen- und Blütenkinder durch die Straßen.

Die Stadtkapelle erinnert an 50 Jahre Mondlandung

Die Lehrer und Schüler der Silcherschule schmettern ihr extra gedichtetes Fellbacher-Herbst-Lied. Italienische Mitbürger zeigen, dass in einen Fiat 500 neben drei Menschen auch noch jede Menge Musik passt, der Griechische Elternverein hat die Akropolis im Gepäck, und der Albanische und der Portugiesische Verein führen ihre bunten Trachten und ihre Folkloremusik vor. Die Stadtkapelle erinnert an 50 Jahre Mondlandung. Aber auch Protestrufe à la „Fridays for future“ sind zu hören. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, skandieren die Schüler der Wichernschule. Zum 41. Mal marschiert der Musikverein Ruppertshofen beim Umzug mit. „Also denne muss es doch g’falla“, kommentiert Bürkert trocken. Auch die Waiblinger Stadtkapelle mit ihrem Vizedirigenten und Oberbürgermeister Andreas Hesky zeigt sich aus ganz einfachem Grund seit Jahren beim Umzug: „’s goht emmer bergab“, hätten die Musiker ihm den Grund für ihr stetes Dabeisein verraten, witzelt Gerhard Bürkert.