Messi stellt Barcelona mal wieder auf den Kopf. Foto: Getty Images

Der kleine Argentinier schafft es wieder einmal, selbst das nicht als Hexenkessel bekannte Camp Nou in einen Tempel zu verwandeln. Da ist auch Liverpool-Coach Jürgen Klopp beeindruckt.

Barcelona - Wie es seine Gewohnheit ist, drehte Jürgen Klopp nach dem Abpfiff noch eine Runde über den Platz. Nachdem er die eigene Mannschaft abgeklatscht hatte, schüttelte er die Hand der Schiedsrichter, dann die der Barça-Spieler. Natürlich achtete er ganz besonders darauf, dass er dabei auch Lionel Messi begegnete.

Klopp ist Messi-Fan, das hatte er schon vor dem Champions-League-Halbfinale seines FC Liverpool in Barcelona betont. Im Telefon habe er nur ein einziges Selfie, das er bei einer Gala mit dem kleinen Argentinier geschossen habe („Cristiano Ronaldo war auch im Raum“). Und als dieser Messi dann kurz vor Spielende einen sagenhaften Freistoß zum 3:0-Endstand und zu seinem 600. Tor für Barça verwandelte (auf den Tag genau 14 Jahre nach dem ersten), gab sich Klopp geschlagen. Da schüttelte er grinsend den Kopf.

Zwischen Bewunderung und Fatalismus schwankte der Deutsche später auch, als er über die eigene Mannschaft sprach. „Als Trainer kann ich nur komplett happy sein, wie wir gespielt haben. Ich glaube, meine Jungs verdienen eine Menge Respekt.“ Das taten sie, denn Liverpool zwang den Gastgebern seinen energetischen Spielstil auf, dominierte lange Phasen der Partie und gewann im Mekka des Ballbesitzfußballs sogar dieses statistische Kapitel, mit 52:48 Prozent. Aber es vergab in beiden Hälften durch seine Stars Sadio Mané und Mohamed Salah jeweils eine hundertprozentige Torchance, und so musste Klopp letztlich alle Komplimente zurückweisen: „Okay, es ist schwer, gegen uns zu spielen. Aber wir haben trotzdem 0:3 verloren.“

Keine kessen Parolen

Wie immer in solchen Fällen stellte sich die Frage, ob die Umstände der Niederlage sie erträglicher machen oder nur noch schlimmer? Ob also eine Mannschaft, die „viel besser nicht spielen kann“ (Klopp), daraus Hoffnung ziehen soll oder Ernüchterung, weil das alles nicht gereicht hat. Bei Liverpool schienen sie nach Spielschluss zu Letzterem zu neigen. „Ich bin froh, dass ich nicht jede Saison gegen ihn spielen muss“, sagte Abwehrchef Virgil van Dijk über Messi. Zumal die Reds bei einem Punkt Rückstand auf Manchester City die englische Meisterschaft knapp zu verpassen drohen, zeigte auch Klopp wenig Lust auf kesse Parolen: „Es ist jetzt nicht der Abend, um den Mund aufzureißen und zu sagen, wir sind genau in der Situation, in der wir sein wollten, und wenn wir im Rückspiel ein frühes Tor schießen und so weiter . . .“

Man darf allerdings davon ausgehen, dass er bis zum zweiten Treffen am Dienstag zumindest mal an dieses frühe Tor denken wird. Schon in der Analyse des Hinspiels landet man mit ein bisschen Abstand unweigerlich bei der Mystik des Europapokals. Just bei dem Aspekt also, den Klopp mit seinem im Vorfeld viel zitierten Ausspruch, das Camp Nou sei „kein Tempel“, minimieren wollte. Doch wenn es mit 98 299 Menschen randvoll ist, wenn diese in ausgesuchten Momenten einen höllischen Lärm produzieren, wenn noch dazu ein Spieler wie Messi mit all seiner Klasse und einem besonderen Furor agiert, dann geht es auffällig oft so aus wie am Mittwoch. 32 Heimspiele am Stück hat Barça in der Champions League nicht verloren, nur dreimal währenddessen remis gespielt, und Liverpool ist bei Weitem nicht die erste Mannschaft, die sich unter Wert geschlagen sieht. Letztes Jahr reiste beispielsweise der AS Rom mit einem 1:4 ab, obwohl er eine durchaus ansprechende Partie geliefert hatte.

AS Rom dient als Warnung

Im Rückspiel überrollten die Italiener dann Barça vor eigenem Publikum und eliminierten es mit 3:0. Bei den Katalanen produzierte die Partie eine Clubkrise, während der Mannschaft und Trainer Ernesto Valverde heftig infrage gestellt wurden. Die Gefahr, den Gegner zu unterschätzen wie damals die Römer, sollte sich also nicht wiederholen. Die Anfälligkeit gegen Rivalen, die technisches Niveau und die magische Kraft von Europapokalnächten mit physischer Überlegenheit verbinden, hat jedoch eher noch zugenommen.

Barças fortschreitendes Alter – 29 Jahre im Schnitt gegen Liverpool – ist die Achillesferse dieser Mannschaft, und ein extrem hochmotoriger Rhythmus sowieso nicht ihr Ding. „Ein bisschen erstickt“ habe man sich von Liverpool gefühlt, erklärte Messi nun nach Schlusspfiff: „Sie haben ein physisches Spiel vorgegeben, und wir sind darauf eingegangen, obwohl wir das nicht gewohnt sind.“

Das machte den mit Routine, Klasse, Leidenschaft und Strategie errungenen Sieg umso größer – öffnet Liverpool aber auch eine kleine Tür für das Treffen an der Anfield Road, wenn die Elemente des Europacups die Seite wechseln. „Wir sind noch nicht weiter“, erklärte Barça-Trainer Ernesto Valverde: „Längst noch nicht.“

Ein Teil von Messis Rekorden finden Sie in unserer Bildergalerie.