Die Pius-Bruderschaft sieht sich als „Bewahrer unverfälschter katholischer Glaubenslehre“ und ist in mehr als 60 Ländern aktiv. Foto: dpa/picture alliance

Die traditionalistische Piusbruderschaft steht im Fokus einer umfangreichen Recherche einer Schweizer Zeitung. Demnach soll es Dutzende Missbrauchtäter unter den Piusbrüdern geben, die lange nur unzureichend belangt worden sind.

Die Schweizer Zeitung „Le Temps“ hat Fälle von sexueller, körperlicher und seelischer Gewalt bei der erzkonservativen katholischen Pius-Bruderschaft in mehreren Ländern aufgedeckt („Hinter den Glockentürmen von Econe verbergen sich Einfluss, sexuelle Gewalt und große Geheimnisse“).

Der Priesterbruderschaft St. Pius X. würden auch sektenähnliche Strukturen wie Kontrolle der Gläubigen vorgeworfen, schrieb die französischsprachige Zeitungin ihrer aktuellen Ausgabe. Eine Selbsthilfegruppe von Missbrauchsopfern habe von rund 60 „problematischen Priestern“ berichtet.

In mehr als 60 Ländern aktiv

Der Gründer, Ex-Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), im Jahr 1984 beim Besuch eines katholischem Jungeninternats der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Die Pius-Bruderschaft ist eine Priestervereinigung, der 1970 aus Protest gegen die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils von dem umstrittenen französischen Erzbischof Marcel Lefebvre in der Schweiz gegründet wurde.

Die Pius-Bruderschaft, die sich selbst als „Bewahrer unverfälschter katholischer Glaubenslehre“ bezeichnet, ist nach eigenen Angaben in mehr als 60 Ländern aktiv. Ihre mehr als 590 Priestern sind unter anderem in Priesterseminaren und Schulen der Bruderschaft tätig.

Zeitung berichtet über missbrauchte Internats-Schüler

Die Zeitung „Le Temps“ hatte nach eigenen Angaben mehrere Monate lang in der Schweiz, Belgien und Frankreich zu den Missbrauchsvorwürfen gegen die Pius-Bruderschaft recherchiert und zahlreiche Zeugenaussagen gesammelt. Die Reporter sprachen mit Eltern, ehemaligen Schülern und Selbsthilfegruppen.

Der 41-jährige François de Riedmatten aus der Schweiz schilderte der Zeitung etwa Übergriffe, die er als Kind in einem Internat in Frankreich erlitten hatte. Der Täter sei ein Betreuer gewesen, der Freude am Leid anderer gehabt und ihn oft nach dem Duschen missbraucht habe. „Er hat mich verprügelt und mich direkt danach geküsst“, berichtete der Betroffene.

Die Recherche stützt sich zudem auf Gerichtsverfahren gegen verurteilte Täter und mehr als 20 interne Dokumente der Pius-Bruderschaft, darunter Briefe und Auszüge aus internen Untersuchungen. Die Vorwürfe betreffen laut „Le Temps“ den Zeitraum von der Gründung der Pius-Bruderschaft bis zum Jahr 2020 und auch Länder außerhalb Europas.

Info: Priesterbruderschaft St. Pius X.

Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. (lateinisch: Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X, Kürzel FSSPX), umgangssprachlich oft Piusbruderschaft oder Piusbrüder genannt, ist eine Priestervereinigung katholischer Traditionalisten. Sie wurde 1970 von dem französischen Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet, um sich vor allem der Ausbildung römisch-katholischer Priester zu widmen.

Seelsorge
Mit der wachsenden Zahl an Priestern gründete die Priesterbruderschaft weltweit sogenannte Seelsorgezentren. Dort leben jeweils mehrere Priester in einer Gemeinschaft und betreuen die Gläubigen in den Kirchen des Priorats. Sie verwenden die Liturgie von 1962.

Traditionalismus
Die ultrakonservative Priesterbruderschaft St. Pius X. wendet sich gegen eine Modernisierung der katholischen Kirche. Sie lehnt die Ökumene ab und beharrt auf einem absoluten Wahrheitsbegriff des eigenen Glaubens. Kritiker sprechen von einem antidemokratischen, mittelalterlichen Denken.

Messfeier
Die Hauptstreitpunkt mit dem Vatikan ist der Ablauf der Heiligen Messe. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hatte die Form des Gottesdienstes überarbeitet. Seitdem dürfen Hauptgebete auch in der Landessprache statt wie zuvor nur in Latein und mit dem Rücken zu den Gläubigen gehalten werden. Die 1970 gegründete Pius-Bruderschaft fordert eine Rückkehr zu dem alten Ritus.

Distrikt Deutschland
Nach eigenen Angaben zählt die Bruderschaft etwa 680 Priester, davon drei Bischöfe. Im „Distrikt“ Deutschland betreiben die Pius-Brüder unter anderem Schulen, ein Altenheim und ein Priesterseminar im bayerischen Schierling bei Regensburg.