Das Schnitzen ist Helmut Hoeschles ganze Leidenschaft – sein Hobby wird ihm nach 60 Jahren Berufsleben den Ruhestand. Foto: Max Kovalenko

Helmut Hoeschle hatte sieben Arbeitgeber seit der Lehre mit 14 – Immer pünktlich und nie krank.

Esslingen - Sein Pflichtgefühl und sein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein haben Helmut Hoeschle 60 Jahre bei der Stange gehalten: Von der Lehre, die er mit 14 begann, bis jetzt mit 74 war er ununterbrochen berufstätig. Ein sehr seltenes Arbeitsjubiläum. Dafür überreichte ihm Hilde Cost, Leitende Geschäftsführerin der IHK Bezirkskammer Esslingen, jetzt eine Ehrenurkunde: „Wir brauchen Menschen wie Sie. Sie haben auf Ihre Weise die wechselvolle Esslinger Wirtschaftsgeschichte von der Nachkriegszeit bis heute mitgetragen.“

Hoeschle selbst ist Pragmatiker. Er hat versucht, im Beruf das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Seine Begeisterung für Holzarbeiten führte ihn 1952 in die Lehre in der Bau- und Möbelwerkstätte Karl Eckert in Esslingen. Er lernte Schreiner, „aber mehr noch das Putzen“, sagt er rückblickend ohne Gram. 1956 wechselte er zur Möbelwerkstatt Schüch in Oberesslingen. Ein Jahr später heiratete er seine Frau Elisabeth, der erste Sohn Ulrich kam auf die Welt. Die krasse Wohnungsnot der Nachkriegsjahre bekam die Familie zu spüren: „Wir wohnten zwei Jahre lang zu dritt in einem Zimmer bei den Schwiegereltern“, sagt Hoeschle. Das wollte er ändern. Das Hoch- und Tiefbauunternehmen Bruno Messerer bot ihm eine Drei-Zimmer-Wohnung: „Aber Sie müssen bei mir anfangen“, hörte Hoeschle als Bedingung. Also wechselte er ins Baufach: „Mit den Augen hab’ ich täglich gestohlen“, schmunzelt er. Bald war er so fit, dass er sich sein eigenes Haus baute. Bei einem Gehalt von damals 3,15 bis 3,60 Mark pro Stunde (rund 1,70 Euro) brachte ihn der Grundstückskauf in Esslingen-Berkheim fast an den Ruin. Doch dann baute sich Hoeschle innerhalb von neun Monaten sein eigenes Refugium – zweigeschossig mit 140 Quadratmetern auf jedem Stock. Nur für die Elektrik und den Heizungsbau holte er sich Unterstützung. „Mit 70 habe ich dieses Haus noch allein isoliert und verputzt“, berichtet er stolz.

Wenn Hoeschle erzählt, kommt immer wieder sein Pflichtbewusstsein zum Ausdruck

Kaum war das Haus fertig, stand auch beruflich wieder ein Wechsel an: Hoeschle ging als Betriebsschreiner zur Präzisions-Werkzeugfabrik Fahrion in Mettingen, dann zu den Index-Werken in Esslingen. 1973, im Jahr der Ölkrise, begann er seine Laufbahn bei den Zweirädern. Bei der Firma Dietrich an seinem Wohnort Berkheim startete er durch: „Das war mein Fußballkamerad aus Mettingen.“ Neun Jahre später wurde der Betrieb von Gerhard Walcher übernommen. Hoeschle blieb, auch als das Unternehmen nach Deizisau umzog. Seit der Rente hat er die handwerklichen Tätigkeiten aufgegeben, arbeitet aber weiterhin sechs Tage die Woche im Auf- und Abbau und fährt einen Sprinter mit Hebebühne.

Wenn Hoeschle erzählt, kommt immer wieder sein Pflichtbewusstsein zum Ausdruck: Nicht ein einziges Mal sei er in 60 Jahren zu spät zur Arbeit gekommen. „Meistens ist er zu früh da“, ergänzt seine Frau – obwohl Hoeschle bereits um 5 Uhr früh beginnt. Bis zur Rente hat die IKK auch keinen einzigen Krankheitstag verzeichnet. Erst danach musste sich Hoeschle zwei schweren Operationen unterziehen: Gerade einmal 14 Tage – insgesamt – fiel er dafür aus.

Der 74-Jährige fühlt sich topfit: Zigaretten hat er nie angerührt, Alkohol trinkt er nur, wenn seine Frau mal ein Schlückchen Bier möchte – „vielleicht zwei Flaschen die Woche, wir beide zusammen“. Und nach der „Tagesschau“ ist Ende der Vorstellung: Hoeschle geht ins Bett: „Ich brauche viel Schlaf.“ Wenn er dann doch einmal Fußball schauen will, widmet er sich parallel dazu seiner Lieblingsbeschäftigung, um nicht einzuschlafen: Hoeschle schnitzt Figuren. Er ist ein Meister seines Fachs, verkauft Figuren und Krippen seit 31 Jahren auf dem Esslinger Weihnachtsmarkt. Und sogar weltweit: Vier Jahre bot er sie in den Vaihinger Patch Barracks an, seither gibt es Bestellungen aus den USA, Kanada und sogar Neuseeland.

Das Schnitzen wird Hoeschle auch in den Ruhestand helfen. Doch nun tritt er noch einmal einen neuen Job an: Seit einer Schulteroperation ist der rechte Arm seiner Frau gelähmt – Hoeschle wird Hausmann. „Das ist eindeutig der bisher schwerste Job meines Lebens“, hat er beim Nähen und Wäscheaufhängen bereits festgestellt.