Bosporus-Brücke: Die Fahrtrichtung der Hauptspuren kann wechseln, wegen des Berufsverkehrs führen an Werktagen morgens vier von Ost nach West, abends vier in umgekehrter Richtung. Foto: Imago/Benis Arapovic

Am 29. Oktober 1973 feierte Istanbul die Eröffnung der Bosporus-Brücke – die erste Verbindung von Europa nach Asien über die Meerenge Bosporus. Über das imposante Bauwerk schieben sich heute täglich rund 180 000 Fahrzeuge.

Über die Kontinente hinweg: Vor 50 Jahren verband die Bosporus-Brücke den europäischen mit dem asiatischen Teil der Stadt Istanbul. Der lange fehlende innerstädtische Anschluss über die Autobahn zwischen den Stadtteilen Beşiktas und Üsküdar wurde mit Begeisterung aufgenommen. Bereits Ende der 1950er Jahre hatte es Planungen für den Bau gegeben, die Arbeiten für eine Straße über die Meerenge, die das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbindet, begannen jedoch erst 1970.

Die Hängebrücke verfügt über sechs Fahr- und zwei Notspuren. Die Fahrtrichtung der Hauptspuren kann wechseln, wegen des Berufsverkehrs führen an Werktagen morgens vier von Ost nach West, abends vier in umgekehrter Richtung. Von den Ankerblöcken der Hochufer überspannt die Brücke eine Länge von 1560 Metern, sie ist 33 Meter breit, ihre lichte Höhe – der Abstand zwischen Fahrbahnträger und Meeresspiegel – beträgt 64 Meter.

Mehr als einen Kilometer Spannweite zwischen den Pfeilern

So wird auch großen Schiffen wie Flugzeugträgern und Öltankern die Durchfahrt ermöglicht. Allein die Spannweite zwischen den 165 Meter hohen Pfeilern misst mehr als einen Kilometer. Das fast horizontal verlaufende Brückendeck ist an 58 Zentimeter starken Tragkabeln aufgehängt, die diagonal angebracht sind. Flache Hohlkästen aus Stahlblechen minimieren Schwingungen und bieten dem Wind wenig Widerstand.

Die Baukosten betrugen 23,2 Millionen US-Dollar (22 Millionen Euro), mit der Ausführung wurden britische und türkische Firmen sowie eine deutsche beauftragt. Eröffnet wurde die Brücke zum 50. Jahrestag der türkischen Republik vom damaligen Präsidenten Fahri Korotürk – an die 100 000 Schaulustige drängten von Kontinent zu Kontinent.

Heute wird die Brücke täglich von rund 180 000 Fahrzeugen benutzt. Sie ist nur in Richtung asiatische Seite mautpflichtig, umgekehrt kostet die Passage nichts. Die Gebühr beträgt 8,25 Türkische Lira (knapp 0,30 Euro), Fahrzeuge mit mehr als drei Achsen müssen 23,25 Türkische Lira (etwa 0,80 Euro) zahlen. Seit 2004 ist nur noch eine Zahlung per Mautkarte oder Funkempfänger möglich, das Bezahlen mit Münzen und Scheinen wurde abgeschafft.

Seit 2016 heißt sie „Brücke der Märtyrer des 15. Juli“

Ab 1979 gehörte die Brücke auch zur Route des Istanbul-Marathons. Am 15. und 16. Juli 2016 kam es zu einem Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs. Dabei wurde die strategisch wichtige Brücke zum Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen zwischen Militärangehörigen und Unterstützern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie der türkischen Polizei. Am 25. Juli 2016 verkündete Ministerpräsident Binali Yıldırım den Beschluss des türkischen Kabinetts, das Bauwerk von „Bosporus-Brücke“ in „Brücke der Märtyrer des 15. Juli“ umzubenennen.

Bereits am 3. Juli 1988 wurde fünf Kilometer weiter nördlich eine zweite Überquerung des Bosporus eröffnet, die Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke. Die im Zuge der Autobahn O-2 liegende und nur für Kraftfahrzeuge freigegebene Brücke dient auch als Bindeglied der Autobahnverbindung von Edirne nach Ankara. Die Kosten für dieses Projekt lagen bereits bei etwa 130 Millionen US-Dollar (123 Mio. Euro).

Inzwischen gibt es drei Bosporus-Brücken

Im Mai 2013 begannen noch weiter nördlich der beiden schon vorhandenen Brücken die Bauarbeiten an einer dritten Brücke, sie ist nach Yavuz-Sultan-Selim benannt. Er herrschte im 16. Jahrhundert über das Osmanenreich. Das eigentliche Stadtgebiet von Istanbul wird dabei in großem Bogen umfahren. Offiziell für den Verkehr freigegeben wurde die 1,4 Kilometer lange, achtspurige Hängebrücke am 26. August 2016. Daneben entstanden zwei Trassen für Hochgeschwindigkeitszüge. Die Umsetzung war lange umstritten – nicht nur wegen der Kosten, die sich auf bis zu 3,5 Milliarden Dollar (3,3 Mio. Euro) aufgetürmt hatten.

Gegner des Projekts kritisierten, durch die mit dem Bau einhergehende Verstädterung werde der Verkehr zu- und nicht abnehmen. Außerdem protestierten Parlamentarier und Umweltschützer gegen den Bau, weil dafür Wälder und Grünflächen am Stadtrand zerstört worden seien. Im Istanbuler Parlament warnte die damalige Oppositionspartei CHP, die Brücke werde die grüne Lunge der Bosporus-Metropole „wie ein Dolch“ durchbohren. Ministerpräsident Erdoğan sah und sieht sie jedoch als wichtiges Prestigeprojekt.

Neue Tunnel-Verbindungen sollen das Verkehrschaos lindern

Der rasante Wirtschaftsaufschwung der Türkei seit der weltweiten Finanzkrise 2008/09 brachte ein stetig wachsendes Verkehrsaufkommen im gesamten Stadtgebiet Istanbuls. Seit Jahresende 2018 ist das Land aber in eine Rezession gerutscht. 1973 hatte Istanbul 2,3 Millionen Einwohner, vor allem durch die zunehmende Landflucht ist die Bevölkerungszahl stark angestiegen. Inzwischen leben hier mehr als 15,8 Millionen Menschen. Auch die dritte Brücke konnte das Verkehrschaos in der Megacity nicht beseitigen. Deshalb wurden in den letzten Jahren zusätzlich mehrere Tunnel realisiert. Der Eurasien-Tunnel ist ein doppelstöckiger, 5400 Meter langer Tunnel mit jeweils zwei Richtungsfahrbahnen, der nur für Pkw und Kleinbusse zugelassen ist. Er wurde am 20. Dezember 2016 für den Verkehr freigegeben und verbindet als erster Straßentunnel den europäischen Westteil (Stadtteil Fatih) mit dem asiatischen Ostteil (Üsküdar).