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Bambi Kino spielt im Club Indra auf St. Pauli das erste Deutschlandkonzert der Beatles.

Hamburg - 50 Jahre ist es her: Zum Jubiläum der ersten Beatles-Konzerte in Deutschland spielt die Band Bambi Kino im Club Indra noch einmal die Lieder, mit denen die britischen Buben vor 50 Jahren nach Hamburg kamen.

Es scheppert, es blechert, es knallt. Ein bisschen. So zwischendurch. Und ganz bestimmt nicht so heftig wie vor genau 50 Jahren, als auf dieser Bühne im Club Indra auf St. Pauli fünf Jungs aus Liverpool durch ihren ersten Auftritt in Hamburg rumpelten.

Bambi Kino sind eine Art Indierock-Allstarband. Mark Rozzo von Maplewood, Ira Elliot von Nada Surf, Erik Paparazzi von Cat Power und Doug Gillard von Guided By Voices, sämtlich Beatles-vernarrt, stehen auf der Indra-Bühne, in kleinen schwarzen Lederjäckchen, schmalen schwarzen Hosen, spitzen schwarzen Schuhen. Benannt hat sich die Tribute-Band nach dem Kino in der Paul-Roosen-Straße, in dem die Beatles während ihrer Hamburger Zeit hausten.

Ranzig, eng und generell unerfreulich soll das Stübchen hinter der Leinwand im Bambi Kino gewesen sein. Das Lichtspielhaus, in dem keine putzigen Tierfilme, sondern Schmuddelstreifen gezeigt wurden, gehörte Bruno Koschmider, einem kriegsversehrten Zirkusclown, der auch den Club Indra besaß. Die Beatles hatten eventuell kein ungetrübtes Verhältnis zu ihm: Während ihrer Hamburger Zeit kauften sie einmal frühmorgens auf dem Fischmarkt ein lebendiges Schwein, das sie Bruno nannten und dann johlend über die Reeperbahn trieben.

Als sie schließlich aus dem Bambi Kino auscheckten und anderweitig unterkamen, sollen Paul McCartney und der damalige Schlagzeuger Pete Best als Gruß an Koschmider ein Kondom an die Wand genagelt und angezündet haben. Es entstand kein größerer Schaden, aber Koschmider wollte sie dennoch wegen Brandstiftung belangen, was für die Kondomfackler in mehreren Stunden Kittchen resultierte. Am Ende wurden die Zündler vorübergehend ausgewiesen. Doch bald kehrten die Beatles nach Hamburg zurück. Insgesamt gaben sie bis Ende 1962 vier längere Gastspiele - vom Indra über den Kaiserkeller und das Top Ten bis hin zum Star-Club.

Zwei Prostituierte und eine Klofrau sollen am 17. August 1960 das erste Hamburger Publikum der Beatles gewesen sein. Heute ist der Laden mit ungefähr 300 Menschen ausverkauft, viele mittleren oder fortgeschrittenen Alters, die sich die vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden des Clubs besehen: "Hier, Schimi Hendrix hat auch hier gespielt." Ob jemand von ihnen denn damals die Beatles hier gesehen hätte, fragt Bambi-Kino-Sänger Mark Rozzo zu Beginn, von hinten quietscht ein dünnes Muttchen-Stimmchen: "Ja!". Dann geht es los, ein bisschen scheppernd, ein bisschen rumpelnd, ein Mix aus Rock'n'Roll-Klassikern, Rockabilly und Schrulligkeiten wie "Besame mucho", Chuck Berrys "I'm Talking About You", Sachen von Buddy Holly, Ricky Nelson, Elvis. Pete Bests Audition-Nummer "Shakin' All Over" von Johnny Kidd and the Pirates. Dazu Beatles-Eigenkompositionen wie das Instrumental "Cry For A Shadow", "I saw Her Standing There" und John Lennons "One After 909". Die wilde Mischung also, die die Beatles Anfang der sechziger Jahre spielten, als sie noch zu fünft waren, mit Stuart Sutcliffe am Bass und Pete Best am Schlagzeug.

Keine Imitation - dafür mit viel Gefühl

Zwei Jahre später, am Silvesterabend 1962, spielte Paul McCartney im Hamburger Star-Club den Bass, hinter dem Schlagzeug saß Ringo Starr - und der raue "Hamburg Sound" hatte die Beatles zwar sicherlich nicht geschaffen, doch ordentlich an ihnen herumgeschmirgelt und sie grob in Form gebracht für die ganz große Karriere. Und vernünftige Haarschnitte bekamen sie hier auch.

Angenehm dezent sind die Interpretationen von Bambi Kino, die kein Kostümfest aus ihrem Tribute-Auftritt machen, bei denen die richtigen Schuhe und Frisuren nicht wichtiger sind als das richtige Gefühl. Manierierte Imitationen sowie allzu penible Ton-für-Ton-Kopien vermeiden sie komplett. Auch die legendären Spaßeinlagen der Beatles - Indra-Chef Koschmider soll sie immer wieder mit "Mach Schau!"-Rufen dazu animiert haben - werden nur in lustigem Ansagegeplänkel angedeutet. Zu ihren behämmertsten Zeiten traten die Beatles immerhin auch schon mal mit Klobrillen um den Hals auf die Indra-Bühne oder dehnten Lieder albern auf Halbstundenlänge aus.

Bambi Kino reißen dagegen über 50 Songs in drei Stunden herunter und schwitzen dabei mächtig. So lange ächzen und stöhnen und tropfen sie von der Bühne, bis sich doch jemand aus dem Publikum erbarmt und hochruft, sie sollten doch ihre Lederjacken ausziehen. "Dürfen wir nicht, steht im Vertrag", ruft Sänger Mark zurück und schält sich doch mühsam aus dem knallengen Ding.

Es macht viel Spaß, wie sehr dieser Konzertabend von Stunde zu Stunde mehr Fahrt aufnimmt, wie man immer mehr in die Vorstellung abgleitet, wie das damals ungefähr gewesen sein mag, als sich die Hamburger in die Beatles verknallten. Und es macht Spaß, sich zwischendurch nicht die euphorischen Musiker, sondern das strahlende Publikum anzuschauen, den alten Mann, der begeistert auf zwei Fingern pfeift, die Lady mit dem verwegenen Lidstrich, die twistet, als gebe es kein Morgen. Nach über 50 Liedern fordern sie tatsächlich noch Zugaben. Aber was ist mit dem Curfew, der Sperrstunde also, sagt Sänger Mark Rozzo, es sei ja auch schon spät. "Curfew, schmurfew", sagt Schlagzeuger Ira Elliott, und weiter geht es.

Am Ende fehlen vielleicht nur ein paar Klitzigkeiten, um mit dem rauen Charme der Beatles von seinerzeit gleichzuziehen. Es ist ja auch immer tröstlich für nostalgische Herzen, wenn das auf ewig verlorene Original nicht ganz genau rekonstruiert werden kann. Es muss ja immer etwas fehlen. So ist es dann auch an diesem Abend gegen Mitternacht, als man aus dem Indra heraustritt und über die Große Freiheit zur Reeperbahn geht. Leichte Mädchen, schwere Touristen, angeschrappte Trinker und Indiebuben mit schwarzen Lederjacken und spitzen Schuhen. Aber kein Schwein, nirgends.