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Erfindungen wie Klettverschluss, Taschenrechner und Gefriertrocknung wurden fürs Weltall entwickelt.

München - Der Platz an Bord eines Raumschiffs ist kostbar und will gut genutzt sein. Daher werden für Flüge ins All ständig neue Dinge entwickelt - allesamt platzsparend, besonders leicht, effektiv oder hitzebeständig. Manches davon kann man auch auf der Erde ganz gut brauchen.

Die Teflonpfanne gehört übrigens nicht zu den Abfallprodukten der Weltraumforschung. Der hitzebeständige Kunststoff namens Polytetrafluorethylen wurde 1938 von der Firma Dupont entwickelt, lange vor Beginn der Raumfahrt. Das Gerücht hält sich dennoch hartnäckig. "Vielleicht, weil Teflon als Kabelisoliermaterial bei den Apolloflügen benutzt wurde", sagt Ulrich Walter.

Der ehemalige Wissenschaftsastronaut und Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München kennt jedoch viele andere Erfindungen für den Weltraum, die nun auch den Erdlingen zugutekommen - und auch die eine oder andere Anekdote zur Entstehungsgeschichte dieser sogenannten Spin-offs. Wir stellen eine Auswahl vor:

  • Der Klettverschluss wurde entwickelt, um das tägliche Leben an Bord zu erleichtern. "In der Schwerelosigkeit bleibt nichts liegen, alle losen Teile schweben durch die Gegend. Deshalb hat jeder Stift, jeder Teller und jedes Teil in einem Raumschiff ein Stück Klettverschluss aufgeklebt, mit dem man es an die überall im Shuttle angebrachten Gegenstücke heften kann", erklärt Ulrich Walter. Falls diese Ende der fünfziger Jahre gemachte Erfindung mal nicht funktioniert, haben Astronauten einen guten Trick: Einfach beim Abluftfilter schauen. "Dort landet früher oder später alles", erzählt der promovierte Physiker.
  • Der Taschenrechner: Die dafür notwendigen Chips wurden Ende der sechziger Jahre entwickelt. "Damals bestand 93 Prozent einer Saturnrakete aus den Tanks. Für Elektronik war nicht viel Platz", erzählt Ulrich Walter. So wurde von der Firma Fairchild Semiconductor ein Speicherelement konstruiert, die zuständigen Mitarbeiter gründeten später die für ihre Computerprozessoren bekannte Firma Intel. 1967 bastelte Texas Instruments aus der neuen Technologie den ersten Taschenrechner. Das erste wissenschaftliche Modell wiederum brachte Hewlett-Packard (HP) 1972 auf den Markt.
  • Die Gefriertrocknung: "In einem Raumschiff gibt es keine Küche. Alles wird auf der Erde vorgekocht und dann gefriergetrocknet", so Ulrich Walter, "das spart Gewicht, und das Essen ist lange haltbar." Bei dieser Konservierungsmethode werden Lebensmitteln erst eingefroren. Dann entzieht man ihnen unter Vakuum das Wasser, indem die Eiskristalle direkt verdampft werden, ohne dass sie erst in den flüssigen Zustand übergehen. Das Verfahren gilt als sehr schonend. Es wird nicht nur bei Lebensmitteln angewendet, sondern auch zum Beispiel bei der Restaurierung von Dokumenten, die durch Wasser beschädigt wurden. Vor jeder Mahlzeit im All muss das Wasser hinzugefügt werden. Das funktioniert mit einer kleinen Spritze, die in die Plastikverpackung der Speisen hineingestochen wird - wie ein Strohhalm in einen Getränke-Tetrapack. Ob das schmeckt? "Als Astronaut muss man eben einiges aushalten", sagt Walter und lacht verschmitzt.
  • Die Brennstoffzelle: Nicht das gesamte Wasser für ihre Mahlzeiten und auch für die körperliche Reinigung nehmen Astronauten auf einer Reise ins All nicht mit - es wird unterwegs selbst produziert. Das funktioniert mit Hilfe von Brennstoffzellen. Sie erzeugen Energie durch die Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Strom und reinem Wasser. Es ist die einzige Energiequelle an Bord. "Die Idee gab es schon lange. Aber die Umsetzung wurde wesentlich von der Raumfahrt beeinflusst", sagt Ex-Astronaut Walter. Seit den 50er Jahren diente sie als zuverlässiger Stromlieferant. Als eine Brennstoffzelle am Raumschiff Apollo 13 am 11. April 1970 nach der Explosion eines Sauerstofftanks ausfiel, wurde der berühmte Satz gesprochen: "Houston, wir haben ein Problem." Heute wird die umweltfreundliche Technik auch in Autos eingebaut. In Stuttgart gibt es seit Juni die erste Wasserstofftankstelle Baden-Württembergs.
  • Der Strichcode: Die amerikanische Weltraumbehörde Nasa hatte Probleme beim Verwalten der unglaublich großen Anzahl von Teilen, aus dem ein Shuttle besteht. "Die Techniker dachten sich einen besonderen Barcode aus, der sich heute an allen verpackten Waren befindet und die Kassenabrechnung oder die Warenlogistik entscheidend erleichtert", sagt Walter. Die Grundidee zu dem schwarz-weißen Streifensystem hatten zwei amerikanische Ingenieurstudenten schon lang zuvor. Doch 1948 interessierte sich niemand dafür. Die Nasa griff den Gedanken auf und trieb die Weiterentwicklung entscheidend voran. In Deutschland wurde der Strichcode am 1. Juli 1977 eingeführt. Das erste damit versehene Produkt war übrigens eine Gewürzmischung der Firma Wichartz aus Wuppertal.
  • Medizinische Geräte: Aus einem Experiment, das Ursachen und Verlauf des Augenüberdrucks im Weltraum messen sollte, wurde ein handliches Gerät zur Prüfung des Augendrucks. "Wir haben es im Laufe unserer Mission benutzt. Man hatte damals Sorge, dass Astronauten durch den hohen Druck im Weltall Augenschäden davontragen könnten", so Walter. Heute können Patienten mit grauem Star damit ihren Augendruck ganz einfach zu Hause selbst messen. Auch ein Babyanzug gegen plötzlichen Kindstod hat seine Wurzeln in Walters Ausflug ins All. 1993 trugen er und sein deutscher Kollege Hans Schlegel Raumanzüge mit speziellen Sensoren, mit denen Kreislauf, Atmung und Herzschlag überwacht wurden. Das System findet heute auf Geburtsstationen Verwendung. Neugeborene Risiko-Babys werden so überwacht. "Den Anzug habe ich noch heute als Erinnerung im Schrank", erzählt Ulrich Walter.
  • Neue Werkstoffe: Carbon-Keramik, ein mit Kohlenstofffasern verstärkter, keramischer Siliziumcarbid-Verbundwerkstoff, fand Anwendung für die Raumschiff-Außenkacheln. Sie schützen die Landekapseln beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vor der großen Hitze. Heute wird der Werkstoff auch für Bremsbeläge in Luxusautos verwendet. Kevlar gehört zu den aromatischen Polyamiden, das sind extrem feste Kunststofffasern, aus denen schusssichere Westen, Schutzhelme oder Schnittschutzhandschuhe hergestellt werden. "Mit Kevlar sind die Außenanzüge der Astronauten beschichtet. Bei einem Weltraumspaziergang sind sie so vor Mikrometeoriteneinschlägen geschützt, die eine ähnliche Wirkung haben können wie eine Revolverkugel", erklärt Walter.
  • Kommunikation via Satellit: Fernsehen, Navigationssysteme oder weltweites Telefonieren wären ohne Satelliten undenkbar. Auch für die Wettervorhersage ist diese Technik entscheidend. 1977 startete der erste geostationäre Wettersatellit namens Meteosat 1 ins All. "Jörg Kachelmann hat mir einmal gesagt, dass sich die Vorhersagegenauigkeit seitdem von 60 auf 90 Prozent verbessert hat", erzählt Ulrich Walter.
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