Schöne Aussichten, doch die Sonne sorgt auch für Probleme. Foto: Getty

Langläuferinnen in Dreiviertelhosen, Freeskier im T-Shirt, Fans in kurzen Hosen. Olympia in Sotschi erinnert derzeit wenig an Winterspiele – und das ist mitunter ein Problem.

Sotschi - Marit Björgen war bedient. Gut, das war kein Wunder, schließlich hatte die norwegische Langläuferin im Rennen über zehn Kilometer klassisch eine Medaille verpasst. Im Ziel war sie Fünfte – doch die Probleme hatten bereits viel früher begonnen. Bei der Einkleidung.

Die Langläufer sind – wie eigentlich alle Wintersportler – einiges gewöhnt. Schnee, Wind, Nebel – und vor allem Kälte. In Sotschi und auch in den Bergen rund um Krasnaja Poljana dagegen herrscht derzeit so eine Art Frühsommer, weshalb die Riege der Langläuferinnen am Donnerstag wirkte, als würden sie einen Sommer-Grand-Prix bestreiten. Die einen starteten kurzärmelig, bei anderen blieben die Arme gleich komplett blank, den Hang zu Knickerbockern gab es auch. Und Marit Björgen sagte: „Ich war so leicht bekleidet wie möglich.“ Und das auch nur quasi unter Protest: „Ich habe das nur getragen, weil man eben etwas anhaben muss.“

Kalt geworden wäre es der Olympiasiegerin wohl auch im Bikini nicht. Im Olympiapark an der Schwarzmeerküste herrschten beinahe 20 Grad, die Menschen nutzen ausgiebig die Liegestühle, auch Olympiabesucher in kurzen Hosen waren keine Seltenheit. Stolze 13 Grad Celsius – gefühlt waren es noch mehr – zeigte das Thermometer selbst in rund 1500 Metern Höhe, was einerseits zu eher kleineren Problemen führte, wie die britische Skirennläuferin Chemmy Alcott erklärte: „Ich fühle mich, als ob ich einen Sonnenbrand bekommen würde.“ Andererseits aber auch eine Herausforderung für Sportler und Organisatoren bedeutete. Der tiefe und nasse Schnee verlangt gerade den nordischen Athleten zusätzliche Kraftanstrengungen ab, vor allem eher schwere Athleten wie Biathlet Arnd Peiffer bekommen das zu spüren.

Zudem sind die sensiblen Herz-Kreislauf-Systeme der Ausdauerathleten diese Temperaturen um diese Jahreszeit einfach nicht gewöhnt, die Umstellung trifft zwar alle, fällt aber nicht leicht. „Der Schnee wurde zu Wasser“, klagte zudem die russische Läuferin Julia Tschekalewa nach dem Rennen am Donnerstag, das um 14 Uhr Ortszeit, also in der größten Hitze, gestartet worden war. Für die Skitechniker bedeuten die Temperaturen und der mit viel Salz behandelte Schnee eine „Mammutaufgabe“ (Kombinierer Tino Edelmann).

Das große Problem derzeit ist, das es auch nachts kaum mehr gefriert – aber immerhin: Drastisch an Substanz verloren haben zumindest die Langlauf- und Biathlonstrecken noch nicht. Und beim Organisationskomitee ist man stolz darauf, dass „bisher jeder Wettbewerb pünktlich stattgefunden hat“. Sollte die totale Schmelze doch noch einsetzen, sei man ebenfalls gewappnet. „Wir haben ein starkes Programm für die Lagerung und die Produktion von Schnee“, versicherte OK-Sprecherin Alexandra Kosterina. Vor vier Jahren in Vancouver gab es Probleme am Cypress Mountain. Um die Austragung der Snowboard- und Skicross-Wettbewerbe zu sichern, wurde damals Schnee per Hubschrauber an den Berg nahe der Küstenmetropole gebracht.

In Sotschi mussten bislang lediglich Trainings verschoben oder abgesagt werden, die an diesem Freitag stattfindende Kombinationsabfahrt Herren beginnt sogar überpünktlich. Um eine einigermaßen gleichbleibende und harte Piste zu gewährleisten, wurde der Start um eine Stunde auf 10 Uhr Ortszeit (7 Uhr MEZ) vorverlegt. „Wir müssen schauen, dass das Ganze noch nach Wintersport aussieht“, sagte Günther Hujara, der Alpin-Renndirektor des Ski-Weltverbands Fis, „im Zielbereich kann man ja fast schon Wasserski fahren.“

Ab dem Wochenende sollen die Temperaturen wieder ein wenig sinken, an diesem Freitag allerdings könnte auch das 15-Kilometer-Rennen der Langläufer zur Hitzeschlacht werden. Was da hilft? Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ein sonniges Gemüt. Hannes Dotzler, Langläufer aus dem Allgäu, setzt auf beides und sagt: „Lieber laufen wir in tiefem Geläuf, als dass wir bei Regen oder im Nebel durch die Gegend stapfen.“