Wenn die Verkehrswende gelingen soll, wird der Anteil von Fuß- und Radverkehr deutlich zunehmen müssen. Die Stadt Esslingen hat in Sachen Radinfrastruktur noch Nachholbedarf. Nun hat der Mobilitätsausschuss die 17 aktuellen Projekte begutachtet.
Fahrradverbände monieren seit Jahren, dass die Stadt Esslingen Nachholbedarf bei der Radverkehrsinfrastruktur habe. Erst am Wochenende haben Radler bei einer Demonstration der Initiative Kidical Mass „kindersichere Kreuzungen und Querungen, Radwege und echte Fahrradstraßen“ gefordert. Doch der Weg zu einem durchgängig flüssigen Radverkehr ist weit. Im Mobilitätsausschuss des Gemeinderats hat die Stadtverwaltung nun über den Stand bei der Verbesserung der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur in Esslingen informiert. Die Kassen sind jedoch knapp, die Konkurrenz um Zuschüsse ist groß. CDU-Fraktionschef Tim Hauser sieht ein weiteres Problem: „In Esslingen ist vieles noch Stückwerk. Wenn wir den Radverkehr attraktiver gestalten wollen, müssen wir uns um mehr Durchgängigkeit bemühen.“
Begehrte Zuschüsse
Die Stadtverwaltung hat diverse Maßnahmen zum Aus- und Umbau des Esslinger Verkehrsnetzes und zur Verbesserung seiner Ausstattung im Blick. Grüne und Linke hatten in den jüngsten Haushaltsplanberatungen beantragt, dass die Stadt ihr Bemühen um eine bessere Radverkehrsinfrastruktur weiter beschleunigen und dabei verstärkt auf Zuschüsse aus Förderprogrammen zurückgreifen soll – im Idealfall für beide Jahre jeweils 1,5 Millionen Euro. Die Stadt selbst will 2022 und 2023 jeweils weitere 250 000 Euro investieren. Allerdings sind die Mittel für das Sonderprogramm Stadt & Land stark ausgeschöpft, für weitere Maßnahmen gibt es allenfalls einen Platz auf der Warteliste.
17 Projekte hat Jasdeep Singh, der Leiter der Stabsstelle Mobilität im Rathaus, nun im Mobilitätsausschuss vorgestellt – die nötigen Investitionen summieren sich auf 3,7 Millionen Euro. Manches – wie die Einrichtung von zwei Stationen des Radverleihs Regiorad, Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr in der Matthäus-Hahn-Straße, die Querungshilfe zwischen Marktplatz und Augustinerbrücke oder die Radfahrstreifen an der Zollbergstraße – ist umgesetzt. Anderes – wie die Montage von Radabstellanlagen in verschiedenen Stadtteilen, der Lückenschluss zwischen Goerdelerstraße und Haldenstraße, ein Radschutzstreifen bergaufwärts in der Krummenackerstraße, die Verbesserung der Fuß- und Radwegsituation im Bereich der Schleyerbrücke oder die Aufwertung der Fuß- und Radwegsituation in der Rotenackerstraße – ist in Arbeit.
Verkehrsplaner geht
Dass die Stadt mit Jasdeep Singh, der nach Heidelberg wechselt, einen anerkannten Verkehrsplaner verliert, der ein besonderes Augenmerk auf den Radverkehr legte, wurde im Mobilitätsausschuss ebenso bedauert wie die Tatsache, dass die Fördertöpfe für dieses Jahr weitgehend ausgeschöpft sind. Für Jürgen Menzel (Grüne) ist jedoch klar, dass die Stadt am Ball bleiben muss. Er sieht in Sachen Radverkehr erheblichen Handlungsbedarf von der Kiesstraße über den Bahnhofplatz, die Berliner Straße und den Kronenhof bis hin zur Mittleren Beutau: „Aufgaben gibt es genug.“ Dabei müsse die Stadt „von innen nach außen denken“. Heidi Bär (SPD) fordert, auch nach dem Abschied des Leiters der Stabsstelle Mobilität müsse „der Schwung der letzten Jahre fortgeführt werden“. Dass die Stadt bei möglichen Zuschüssen nicht wie erhofft zum Zug gekommen sei, bedauert Bär: „Unübersichtlichkeit und Bürokratie dieser Programme erschweren die Fördermöglichkeiten.“ Eine Gesamtkonzeption für den Fuß- und Radverkehr bleibe eine wichtige Voraussetzung für weitere Planungen. Thomas Heubach (Freie Wähler) möchte „am Thema dranbleiben“ und begrüßt es, dass die Stadt auch den Fußverkehr berücksichtige.
Sven Kobbelt (FDP) setzt bei weiteren Maßnahmen auf Fördermittel. Tobias Hart (Linke) fordert schnellere Fortschritte und vermisst Pläne für die Weilstraße. Tim Hauser (CDU) erwartet eine Planung aus einem Guss. Dass das sogenannte bürgerliche Lager den Ausbau der Radinfrastruktur blockiere, sehe er nicht: „Es gibt eine klare Mehrheit auf der anderen Seite, mit der Sie alles durchsetzen könnten. Die Umweltspur am Ring wurde nicht eingerichtet, weil sie nicht funktioniert.“ Wenn man sich die Tagesordnungen anschaue, sei der Mobilitätsausschuss derzeit ein Fahrradausschuss. Für Andreas Koch (SPD) ist das nicht überraschend: „Wir haben dem Radverkehr früher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht im Kleinen verzetteln, sondern vom Großen ins Kleine planen.“ Für Baubürgermeister Hans-Georg Sigel hängt bei der Verkehrsplanung alles mit allem zusammen: „Wir wollen etwas Gutes für alle Verkehrsteilnehmer erreichen. Das geht nur im Miteinander.“
Bessere Radverkehrsangebote am Sportpark Weil
Projekt
Beim Bau des neuen Sportparks Weil war klar, dass neben der Umgestaltung des Eberhard-Bauer-Stadions auch dessen Umfeld aufgewertet werden soll. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Neugestaltung des dortigen Straßenraums. Neben einer Neuordnung der Parkplätze und dem Um- und Ausbau der Bushaltestellen sollen die Verkehrsbedingungen für Radfahrer in der Weilstraße zwischen Sportpark und Königsallee besser werden.
Zustimmung
Der Mobilitätsausschuss des Esslinger Gemeinderats hat das neue Radverkehrsangebot im Bereich des Sportparks Weil einstimmig abgesegnet. Details wie eine bislang vorhandene Engstelle sollen allerdings noch zusammen mit den Radverbänden genauer betrachtet werden. Kleinere Korrekturen könnten außerdem nötig werden, wenn die Trasse des geplanten Radschnellwegs feststeht. Auch eine Fortsetzung der Radverbindung bis zur Stuttgarter Gemarkung hat die Stadt im Blick.
Förderung
Wegen ihrer schwierigen Finanzlage hatte die Stadt die Aufnahme in das Sonderprogramm „Stadt und Land“ beantragt. Das Regierungspräsidium hat das Vorhaben mit vorläufigen Zuschüssen von 291 500 Euro aufgenommen. Rund 90 Prozent der Kosten sind so finanziert. Um die Zuschüsse zu erhalten, muss das Projekt bis Ende 2023 fertig sein.