Auf dem Weg ins Reparaturdock ist die „Geelvinck“ wahrlich nicht in ihrem Element. Dennoch befördert die Schiffshebeanlage das 2743 Tonnen schwere Schiff mühelos voran – mit Antriebs- und Steuerungstechnik von Bosch Rexroth. Foto: Tina Hager/Bosch

Bosch-Jubiläum weltweit: Ein Buch und eine Ausstellung zeigen ein ganz besonderes Projekt.

Stuttgart - Wie zeichnet man ein adäquates Porträt eines weltumspannenden Unternehmens? Ganz einfach: in nur einer Sekunde. Mit dem Buch "Global Impressions of Bosch" wurde eine Momentaufnahme geschaffen: 125 Fotografen machten an 125 unterschiedlichen Orten weltweit in der gleichen Sekunde ein Bild.

Am 20. Mai 2010 lag ein Tiefdruckgebiet über Europa. In Stuttgart regnete es. Um 11 Uhr setzte ein Blitzlichtgewitter ein. Nicht nur über Stuttgart. Nicht nur über Europa. Sondern weltweit.

An 125 Orten überall in der Welt drückten 125 Fotografen auf den Auslöser ihrer Kamera. Punkt 11 Uhr. Keine Sekunde früher, keine Sekunde später. Die Bilder hatten außer dem gleichen Entstehungszeitpunkt alle eines gemeinsam: Sie rückten eine Facette des Unternehmens Bosch ins Bild.

Punkt 11 Uhr vormittags in Mitteleuropa - das bedeutet 17 Uhr in China, 12 Uhr mittags in der Türkei, 18 Uhr in Japan, 5 Uhr morgens in Detroit, 19 Uhr in Melbourne, 6 Uhr früh in Campinas in Brasilien. Und doch ist es derselbe Moment, als sich rund um den Erdball 125 Blenden öffnen.

Die Zahl 125 ist nicht zufällig gewählt. 125 Jahre, so lange liegt die Gründung des Unternehmens durch Robert Bosch zurück. Zum Jubiläum sollte ein angemessenes Porträt gezeichnet werden - ein schwieriges Unterfangen angesichts der 280000 Mitarbeiter an mehr als 300 Standorten in mehr als 150 Ländern.

Umso ehrgeiziger das Ziel, diese Herausforderung in nur einer Sekunde zu meistern. Freilich dauerten die Vorbereitungen bedeutend länger, ganze zwei Jahre. Mehr als 1000 Menschen in über 40 Ländern waren beteiligt, über 400 Themenvorschläge und 800 Fotografenportfolios wurden geprüft. "Wir wollten eine bestimmte Bildsprache, einen einheitlichen Bildstil - ohne dass die Fotografen ein Team sind. Darum war die Auswahl schwierig", sagt die Projektleiterin Anke Dewitz-Grube, die auch die Ausstellung der Bilder kuratiert hat.

Die Fotografin Susanne Kern aus Stuttgart arbeitet seit vielen Jahren für Bosch. Auch sie wurde dafür auserkoren, am 20. Mai 2010 um 11 Uhr ein Foto für "Global Impressions of Bosch" zu machen. In Marbach am preisgekrönten Friedrich-Schiller-Gymnasium überzeugte sich an diesem Tag Gründer-Enkel Christof Bosch im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung, ob der Nachwuchs schon flügge ist. Mit dem Schulpreis will die Stiftung "dem Lernen Flügel verleihen".

"Alles musste auf die Sekunde funktionieren"

"Das Vorhaben war schon ein sehr exklusives", sagt Kern. Die Idee an sich fand sie gut, auch wenn es sehr strenge Vorgaben gab. "Wir mussten den sogenannten One- Second-Ehrenkodex unterschreiben, in dem wir uns verpflichteten, die Aufnahme genau um 11 Uhr zu machen", sagt Kern.

Sie sei dann auch tatsächlich aufgeregt gewesen, erinnert sich die erfahrene Fotografin. "Das lag daran, dass ich wusste, dass alles auf den Punkt genau funktionieren muss", sagt sie. Auch so unabwägbare Dinge wie die Technik und der Mensch. Der Mensch hinter der Kamera und der Mensch vor der Kamera. "Wenn man Menschen vor der Linse hat, dann ist es eine große Herausforderung", so Kern. "Ich lag mit Blick auf die Uhr auf der Lauer und hoffte, dass alles klappt und mir um Punkt elf nicht alle den Rücken zukehren - da kann man schon mal aufgeregt sein." 11 Uhr - klick! Das Foto war gemacht - und gelungen.

Ähnlich mag es dem Norweger Fredrik Naumann ergangen sein. Er fotografierte die Bosch-Kundin Inger Andresen in ihrer Küche - durch die Fensterscheibe hindurch. "Wir haben für fast alle Motive vorab ein Scouting gemacht - und uns hier schließlich für diese ungewohnte Perspektive entschieden", sagt Anke Dewitz-Grube. Inger Andresen rückte ins Blickfeld, da man eine Kundin ablichten wollte und der Geschäftsführer in Oslo von einer Frau wusste, die noch ihre erste Spülmaschine aus dem Jahr 1980 besitzt - und den dazugehörigen Kassenzettel. " Glauben Sie, damals hätten Männer im Haushalt geholfen?", fragt Inger Andresen. Ihr Mann kaufte immerhin die Spülmaschine - sie erledigt seitdem den Abwasch, ganz ohne Murren.

Aber auch Fotografen, die unbewegte Objekte ablichteten, hatten es nicht unbedingt leicht. Zum einen spielte das bereits erwähnte Tiefdruckgebiet den Europäern einen Streich. Joe Metson Scott fotografierte bei Loch Ness in Schottland einen Windpark, der mit Hilfe von Bosch- Technik betrieben wird. Windräder, so weit das Auge reicht. Doch zäher Nebel versperrte die Sicht, gerade einmal ein einsames Rad ist auf dem Foto im Vordergrund noch erkennbar. "Dieses Risiko einzugehen ist Teil des Buchkonzepts - wir hätten auch nur eine Nebelwand gezeigt", sagt Dewitz-Grube.

Manchmal war der gewählte Augenblick auch eine glückliche Fügung. In Dubai hatte man eine Schiffhebeanlage als Örtlichkeit ausgesucht, die mit Antriebs- und Steuerungstechnik von Bosch funktioniert. "Über eine lange Zeit hinweg war da nie ein Schiff drauf - die Fotografin Tina Hager war sehr glücklich, als ausgerechnet am 20. März tatsächlich ein Schiff auf dem Weg ins Reparaturdock Geelvinck war", so Dewitz-Grube. Dass dann auch noch Arbeiter neben dem Koloss standen und ein Radfahrer vorbeiradelte, war die Krönung. "Das zeigt die Dimension des Schiffs auf", sagt Dewitz-Grube.

125 Jahre, 125 Orte, 125 Bilder, diese Dimensionen erhellt ein Blitzlichtgewitter.

Die Ausstellung ist bis zum 29. Juli im Rathaus Gerlingen zu sehen. Anschließend zieht sie um ins Bezirksrathaus Feuerbach. Ab dem 15. November wird sie im Stuttgarter Rathaus gezeigt.